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Sind Ukrainer in einem Neustädter Kleingartenverein unerwünscht?

In der Sparte Am Seifenbach I in Neustadt gibt es Ärger. Die Rede ist von Ausländerfeindlichkeit. Doch der Vorstand weist die Kritik zurück.

Von Mareike Huisinga
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In dem Kleingartenverein Am Seifenbach I in Neustadt gibt es Knatsch um die Neuverpachtung einer Parzelle.
In dem Kleingartenverein Am Seifenbach I in Neustadt gibt es Knatsch um die Neuverpachtung einer Parzelle. © Symbolbild: Agentur

Helena Popow aus Neustadt ist empört. "Ich bin mit der Aussage und Situation nicht zufrieden und möchte das Denken der Gartenanlage an die Öffentlichkeit bringen", sagt sie und hat sich deshalb an Sächsische.de gewandt. Seit sieben Jahren besitzt sie eine Parzelle in der Kleingartenanlage (KGV) Am Seifenbach I in Neustadt. "Aus den beruflichen Gründen muss ich leider meinen Garten abgeben", sagt sie.

Einen neuen Pächter beziehungsweise Käufer für das Inventar habe sie bereits gefunden. "Es ist eine Familie aus der Ukraine mit zwei Kindern, die den Garten gerne übernehmen würden", berichtet Popow. Nach ihrer Auskunft habe die Familie eine Aufenthaltsgenehmigung und wolle auch weiterhin in Deutschland bleiben. Die Eltern besuchten einen Sprachkurs, die Kinder gingen in die Kita sowie in die Schule. "Vor ein paar Tagen habe ich von den Gartenvorsitzenden erfahren, dass sie keinen Pachtvertrag mit den ukrainischen Flüchtlingen abschließen möchten. Der Grund war, man wolle keinen Stress haben, die Familie spräche kein Deutsch." Für Helena Popow steht dahinter eine ausländerfeindliche Haltung, die sie so nicht akzeptieren will.

KGV-Vorstand bestreitet Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit

Doch Marita Oesterreich, stellvertretende Vorstandvorsitzende und in Personalunion Buchhalterin des Kleingartenvereins, möchte diesen Vorwurf nicht so stehen lassen. "Das hat mit Ausländerfeindlichkeit überhaupt nichts zu tun", betont sie. Vor rund zwei Wochen habe Frau Popow den Gartenvorstand informiert, dass sie ihre Parzelle abgeben möchte. "Nach unserer Kenntnis hat Frau Popow den Garten bereits der ukrainischen Familie zugesagt und das Inventar, also die Laube mit Inhalt verkauft und das ist gegen unsere Vereinssatzung", berichtet Oesterreich.

Denn in der Satzung stehe, dass ein Garten nur mit Zustimmung des Vorstands verpachtet werden dürfe, der auch den Pachtvertrag unterschreibt. Zweitens dürfe ein Garten nur an Personen abgegeben werden, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben.

Deshalb habe der Vorstand Frau Popow angeschrieben mit der Aufforderung, die Verpachtungszusage und den Verkauf des Inventars rückgängig zu machen. "Natürlich unterstützen wir sie bei der Suche nach einem neuen Pächter", sagt Marita Oesterreich. Sie betont, dass die Pächter des Kleingartenvereins deutsch lesen und verstehen müssen, um die Vorschriften und Regeln der Satzung einzuhalten. "Außerdem ist die Duldung der ukrainischen Familie unseres Wissens zeitlich begrenzt, so besteht die Gefahr, dass sie wieder wegziehen. Was passiert dann mit dem Garten?", fragt sie. Wobei die Duldung ein falsches Wort ist, denn die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bekommen in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis.

Solch ein Vorfall habe sich bereits vor einigen Jahren in der Sparte ereignet. Eine Pächterin sei umgezogen, habe keine Adresse hinterlassen, sondern nur einen verwahrlosten Garten. "Wir mussten damals zwei Container ordern, um die Laube zu beräumen", erinnert sich das Vorstandsmitglied. "Wir sind alle im Ehrenamt für den Verein tätig und haben im Vorstand einstimmig beschlossen, dass der Verkauf beziehungsweise die Verpachtungszusage des Gartens von Frau Popow rückgängig gemacht werden muss, da er gegen unsere Satzung verstößt", fasst Marita Oesterreich zusammen.

Territorialverband ist der Vorfall bekannt

Auch dem Territorialverband „Sächsische Schweiz“ der Gartenfreunde e. V. mit Sitz in Pirna ist der Vorfall bekannt. "Unser Verband hat mit dem Vorstand des Kleingartenvereins eine Verwaltungsvollmacht abgeschlossen, welche den Vereinsvorstand berechtigt, im Namen des Verbandes Unterpachtverträge abzuschließen und auch andere Sachverhalte zu bearbeiten, wie zum Beispiel Kündigungen oder Mahnungen", erklärt Geschäftsführerin Susanne Russig. Möchte ein Pächter kündigen, könne er dies schriftlich beim Vorstand einreichen. Eine solche Kündigung sei beim Vorstand des KGV Am Seifenbach I nicht eingegangen, lediglich die mündliche Information, dass man abgeben möchte, so Russig. Der Vereinsvorstand erklärte sich bereit, sich mit den Pächtern zu einem Pächterwechsel zu verständigen, aber es war schwierig, die bisherigen Pächter telefonisch zu erreichen, so Russig.

"Im Unterpachtvertrag ist geregelt, dass der abgebende Pächter die Baulichkeiten, Anpflanzungen in dem Garten nur mit Zustimmung des Vereinsvorstandes verkaufen kann", betont die Geschäftsführerin des Territorialverbandes. Folglich könne der KGV-Vorstand zu Recht fordern, dass dieser Inventar-Verkauf rückgängig gemacht wird. Das Pachtverhältnis mit der bisherigen Pächterin sei bisher nicht beendet worden.

Auch Susanne Russig möchte nicht von Ausgrenzung oder Ausländerfeindlichkeit sprechen. "Grundsätzlich haben wir in unseren Kleingartenvereinen Unterpächter, welche nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben, z. B. Polen, Tschechen, Personen aus dem arabischen Raum oder auch Ukrainer", betont sie, gibt aber zu bedenken, dass dies für einen Kleingartenverein ein besonderes Entgegenkommen darstelle. "Denn wer nur befristete Aufenthaltsgenehmigungen hat, kann auch schon mal von einem Tag auf den anderen das Land verlassen müssen. Ein verlassener Garten muss dann rechtlich sauber mit viel Aufwand über Anwälte und Gerichtsvollzieher an uns herausgegeben werden", erklärt sie. Entscheiden sich Vereine, mit ausländischen Personen einen Unterpachtvertrag abzuschließen, könne außerdem nicht ausgeschlossen werden, dass es zu Kommunikationsproblemen kommt, um die vertraglichen und rechtlichen Angelegenheiten ausreichend zu erläutern.

Dieser Argumentation kann Helena Popow allerdings nicht zustimmen. Für sie bleibt der Vorgang unverständlich: "Ich finde, es ist diskriminierend, dass eine Familie aus der Ukraine den Garten nicht bekommen soll, nur weil sie nach Aussage des Vorstandes kein Deutsch spricht."