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Selber bauen statt teurer mieten

Familie Gebauer baut in Striesen ein neues Haus – nicht allein, sondern mit einer Baugemeinschaft. Doch jemand fehlt.

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© René Meinig

Von Julia Vollmer

Zwei Männer, zwei Frauen, zwei Kinder: Alle zusammen brauchen viel Platz. Hagen Gebauer und seine kunterbunte Familie wollen in eine größere Wohnung ziehen. Sein Partner Mathias und er leben mit zwei befreundeten Frauen und zwei Kindern derzeit zusammen in einer Wohnung in Striesen. Wer genau jetzt die biologischen Eltern von wem sind und wie sie sich gefunden haben, das wollen sie lieber für sich behalten. Fest steht für die Patchworkfamilie: Sie hat Lust auf etwas Neues. 180 Quadratmeter aufgeteilt auf zwei Wohnungen sollen es werden. Da die Wunschwohnung aber nicht an jeder Ecke wartet, wollen die Gebauers einfach selber bauen und beim Grundriss mitreden. Allein wäre das viel zu teuer, also entschieden sie sich für eine Baugemeinschaft. Die Wahl fiel auf den Verein Bauforum Dresden, der Baugemeinschaften zusammenbringt. Das Grundstück, das sie mit 15 anderen Familien bebauen wollen, liegt in Striesen an der Ecke Wehlener/Ludwig-Hartmann-Straße.

Insgesamt ist das Grundstück rund 1 300 Quadratmeter groß. Der Kaufpreis für das ehemals städtische Grundstück lag bei 387 000 Euro. Auf 1500 Quadratmetern Wohnfläche entstehen nun 15 Wohnungen. Es fehlen aber noch Mitstreiter. Das Bauforum sucht Interessenten. Neben den Gebauers sind schon sieben Familien fest mit dabei. Bevor es losgeht, muss jeder Interessent bei der Bank seine Kreditwürdigkeit prüfen lassen. Sobald zehn von 15 Mitbauern zusammen sind, beginnen die Bauarbeiten in Striesen.

Jede der Parteien zahlt 2 600 Euro pro Quadratmeter Wohnungsfläche. Darin enthalten sind alle Kosten für den Bau und das Grundstück, so Marion Kempe vom Bauforum. Im Fall von Hagen Gebauer und seiner Familie zahlt also jeder für seine 90- Quadratmeter-Wohnung 234 000 Euro. Zum Vergleich: Für eine Eigentumswohnung auf 99 Quadratmetern in einem Altbau im selben Stadtteil bezahlt man derzeit im Schnitt rund 230 000 Euro. Zumindest laut den Annoncen auf Immobilien-Portalen. Die steigenden Mieten waren einer der Hauptgründe für die Familie, sich nach einem Grundstück zum Neubauen umzusehen. Derzeit bezahlen sie für ihre 150 Quadratmeter große Wohnung in Striesen rund 1 200 Euro. Nicht unüblich für die Größe und Lage, aber die Familie rechnet mit Mieterhöhungen.

Neben dem Wunsch nach mehr Platz ist vor allem der Einfluss auf den Grundriss ein Hauptgrund für ihn, erzählt der 38-jährige Familienvater. Sie wollen zwei Wohnungen nebeneinander, so dass die Kinder sich frei bewegen können. Jeder der Erwachsenen soll künftig abwechselnd aufpassen können. Wer Zeit und Ruhe für sich braucht, zieht sich mal zurück. Ein paar der Hausbauer kennen sich schon untereinander und mögen sich. Wer so eng zusammenlebt, muss gut miteinander können.

Quirlige Gemeinschaft und Rückzug in die eigene Wohnung – diese Kombination wünschen sich die meisten der künftigen Hausbewohner. In ihren regelmäßigen Treffen gemeinsam mit Marion Kempe vom Bauforum schrieben sie eine Wunschliste. Im Sommer zusammen im Garten grillen, im Herbst im hauseigenen Gemeinschaftsraum kochen sind nur einige davon. Viele Kinder, unterschiedlich alt, ziehen mit ein. Viele wünschen sich, sich gegenseitig bei der Kinderbetreuung zu helfen. Auch mal die Katze beim Nachbarn zu lassen in der Urlaubszeit. „Zu wissen, wer da neben einem wohnt, das finde ich wichtig“, so Hagen Gebauer. Im Haus werden nur Selbstnutzer wohnen.

Der Verein Bauforum will durch Beratung von Baugemeinschaften die Innenstadtentwicklung fördern. Wichtig ist ihm, dass die Projekte familiengerecht, umweltbewusst und generationenübergreifend sind. Im Bauforum engagieren sich überwiegend ehrenamtlich aktive Mitglieder. Unter ihnen Architekten, Ingenieure, Landschaftsplaner, Energieberater, Bankkaufleute sowie Rechtsanwälte und Notare. 23 Projekte realisierte der Verein seit seiner Gründung 2005. Marion Kempe sieht sich als Vermittlerin, aber auch als diejenige, die bei allzu realitätsfernen Wünschen für die Wohnungen mal bremst. „Ich achte immer auch auf die Kosten“, sagt sie. Über Außenwandfarben und Gartengestaltung entcheiden alle zusammen. Die Gebauers freuen sich auf viele Nachmittage mit den Kindern im eigenen Grün.