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Sex am falschen Ort oder brutale Vergewaltigung?

Ein Paar hat Geschlechtsverkehr am Albertplatz. Das haben viele gesehen. An eine Vergewaltigung glaubten sie aber nicht.

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© René Meinig

Von Christoph Springer

Benedikt D. war auf dem Weg zum Bäcker. Marie-Sophie G. und Juliane S. gingen zur Arbeit. Sie alle kamen am 27. Februar gegen 8.30 Uhr an einem Gebüsch auf dem Albertplatz vorbei, in dem ein Paar Geschlechtsverkehr hatte. Es handelte sich um die Dresdnerin Stephanie S. und einen jungen Mann, dem jetzt wegen Vergewaltigung der Prozess gemacht wird. Eric H. soll über die damals 24-Jährige hergefallen sein und sich auf einer Bank und in dem Gebüsch an ihr vergangen haben.

Doch am dritten Prozesstag kamen Zweifel auf an der Glaubwürdigkeit des Opfers. „Ich habe das nicht als Vergewaltigung eingeschätzt“, beschrieb am Montag die Studentin Marie-Sophie G. das Geschehen. Sie war an jenem Sonnabendmorgen auf dem Weg zur Arbeit. „Da waren zwei Personen im Gebüsch, ich habe mir nichts weiter gedacht dabei“, schilderte sie ihre Beobachtung. Die Frau habe nicht um Hilfe gerufen, überhaupt sei alles ganz leise vonstatten gegangen, so die Studentin.

Genauso hat das auch Juliane S. erlebt. Die 39-Jährige war auf dem Weg zu dem Friseurgeschäft, in dem sie angestellt ist. „Haben die kein Zuhause, können die das nicht woanders machen, habe ich mir gedacht“, sagte die 39-jährige Zeugin. Die Frau habe ganz still und starr gelegen. „Es war für mich nicht ersichtlich, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt“, so die Neustadtbewohnerin weiter.

Stephanie S. hatte in der Nacht zuvor mit Freunden bei einer Geburtstagsparty gefeiert. Zuerst auf einer Kegelbahn im Hechtviertel, dann in einer Bar in der Alaunstraße. Es floss viel Alkohol, S. soll sogar bereits im Rausch gewesen sein, als sie am Abend gegen 23 Uhr zur Kegelbahn kam. So sehr, dass sie dort ihr T-Shirt auszog und Geburtstagsgäste im BH antanzte. „Sie hat sich an Armen und Beinen gekratzt und gesagt, dass es so sehr kribbelt“, beschrieb Nicole N., eine damalige Freundin von Stephanie S., den Zustand der 24-Jährigen. Rechtsanwältin Ines Kilian, die den Angeklagten verteidigt, fragte sofort nach Drogenkonsum, doch dazu konnte die Ex-Freundin des Opfers nichts sagen.

Weder Nicole N. noch die anderen drei Gäste der Geburtstagsfeier, die am Montag als Zeugen geladen waren, wollten Stephanie S. die Geschichte von der Vergewaltigung abnehmen. „Da waren Leute an der Haltestelle, da hätte doch jemand geholfen“, glaubt Nicole N. Ungewöhnlich fand die 28-Jährige auch, dass ihr Stephanie S. mit einer Mitteilung im Handy-Nachrichtendienst WhatsApp davon berichtet hat.

Stephanie S. hat bereits am ersten Prozesstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit über den 27. Februar berichtet. Auch den mutmaßlichen Vergewaltiger Eric H. hat das Gericht an diesem Tag befragt. Dem 24-Jährigen werden neben der Tat auf dem Albertplatz eine versuchte Vergewaltigung im März in Gruna und der Besitz von pornografischen Darstellungen mit Kindern zur Last gelegt. Außerdem soll er am 27. Februar vor der Tat auf dem Albertplatz drei Kinder auf dem Alaunplatz sexuell belästigt haben, steht in der Anklageschrift.

Der Prozess wird fortgesetzt, das Urteil fällt voraussichtlich im Februar. Bis dahin sind noch etwa ein halbes Dutzend Verhandlungstermine geplant. Unter anderem sollen noch der Gerichtspsychologe Stephan Sutarski und eine Ärztin gehört werden. Sutarski hat die Aufgabe, den Angeklagten zu beurteilen, die Ärztin wird über den Gesundheitszustand des Opfers nach der Tat am 27. Februar berichten.