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Siedlungsreste aus der Steinzeit entdeckt

Bei den Grabungen entlang der künftigen Erdgastrasse bei Lommatzsch gab es viele Funde.

Von Jürgen Müller
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Fast ein halbes Jahr lang gruben Archäologen vom Landesamt für Archäologie Sachsen entlang der geplanten Erdgastrasse bei Lommatzsch. Die Funde wurden jetzt präsentiert.
Fast ein halbes Jahr lang gruben Archäologen vom Landesamt für Archäologie Sachsen entlang der geplanten Erdgastrasse bei Lommatzsch. Die Funde wurden jetzt präsentiert. © Landratsamt für Archäologie

Lommatzsch. Nein, besonders überrascht waren die Archäologen nicht über das, was sie da entlang dem Verlauf der neu zu verlegenden Ferngastrasse zwischen Schieritz und Piskowitz fanden. Schließlich ist die seit Jahrtausenden besiedelte Lommatzscher Pflege stets für Altertumsforscher interessant.

 Der schwere Lößboden ist Garant dafür, dass beispielsweise Tongefäße lange erhalten bleiben. Gleichzeitig ist er eine Gefahr für die Archäologen, besser gesagt, die Bodenerosion ist es. Weil an den Hängen wertvoller Lößboden bei Starkregen abgetragen wird, landen mögliche Funde mitunter unentdeckt buchstäblich auf der Straße. Und es ist auch nicht selten, dass Bauern beim Umackern der Böden auf Knochen stoßen.

 „Wir werden immer dann tätig, wenn einem Bodendenkmal durch Erdarbeiten Gefahr droht“, erklärt Grabungsleiterin Vera Hubensack vom Landesamt für Archäologie Sachsen. Und so wurde von Mitte Oktober 2017 bis Ende März 2018 an einer Querverbindung zweier schon bestehender Gasleitungen zwischen Schieritz und Lommatzsch jeweils zehn Meter links und rechts des Trassenverlaufes gegraben. 

Auf einer Gesamtlänge von etwa drei Kilometern konnten vier bisher nicht bekannte Fundstellen aufgedeckt werden. Sie befanden sich auf den Lößkuppen nördlich der Staatsstraße 32. 

Bislang war vor allem die reiche Fundlandschaft südlich der Straße, der sogenannte „Tanzberg“ von Piskowitz, bekannt, auf dem vor allem Brandgräber der Spätbronzezeit bis römischen Kaiserzeit (von etwa 1200 v. Chr. bis zur Zeitenwende) gefunden wurden, aber auch eine etwa 7000 Jahre alte Grabenanlage. 

Bei den neuen Fundstellen handelt es sich um Besiedlungsreste vom Ende der Steinzeit und Übergang zur Frühen Bronzezeit, also von 2500-2000 v. Chr. sowie aus der frühen Eisenzeit (700-500 v. Chr.). „Möglicherweise ist in den eisenzeitlichen Überresten die den Urnengräbern zugehörige Siedlung zu sehen. 

Neben den Siedlungsgruben konnten auch mindestens zwei Körpergräber aus der frühen Bronzezeit freigelegt werden, die aber keine Grabbeigaben hatten“, sagt Vera Hubensack. Es gebe Hinweise auf weitere Gräber, jedoch hatten sich dort keine Knochen erhalten. Das Besiedlungsmuster in der Umgebung östlich von Lommatzsch konnte somit um weitere Fundpunkte verdichtet werden.

Angewinkelte Beine, Kopf nach Osten, das ist typisch für die Bronzezeit.
Angewinkelte Beine, Kopf nach Osten, das ist typisch für die Bronzezeit. © Landratsamt für Archäologie

Am häufigsten seien Scherben und Keramikgefäße gefunden worden, weil die sich am längsten hielten. So gab es Funde auch aus der Zeit der Schnurkeramik von etwa 2500 v. Chr. Die Schnurkeramik ist nach der charakteristischen Gefäßverzierung benannt, bei der mit einer Schnur umlaufende Rillenmuster in den Ton eingedrückt wurden.

Überrascht waren die Forscher von Skelettfunden nahe Piskowitz. Diese seien wohl erhalten geblieben, weil der Boden dort sehr kalkreich sei. Bei den beiden mäßig erhaltenen Skeletten waren die Beine angewinkelt und der Blick nach Osten gerichtet.

Das ist ein Hinweis für die Forscher, dass die Skelette aus der Bronzezeit stammen, als derartige Bestattungen üblich waren. Sie sind also rund 4 500 Jahre alt. Es wurde auch ein Mahlstein gefunden. Diese Mahlsteine seien den Toten auf den Bauch gelegt worden, damit sie sich aus dem Grab nicht mehr erheben, erklärt die Forscherin. Auch eine Zahnkrone und Gefäße als Grabbeigaben kamen ans Tageslicht.

Entdeckt wurden auch Gräben, die offenbar als Getreidespeicher genutzt wurden. Getreidereste fanden sich allerdings nicht. Die würden sich unter Luftabschluss so lange halten. Das ist auch insofern schade, weil ein einziges Getreidekorn ausreichen würde, um das genaue Alter zu ermitteln. Die Forscher schlussfolgern, dass die einstigen Getreidespeicher später als Abfallgruben genutzt wurden.

Funde gab es auch aus der Eisenzeit, also von vor 2800 bis 2500 Jahren. So wurde eine Grube mit großen Gefäßen und auch Tonvorräten entdeckt. „Wahrscheinlich sind die Menschen damals aus irgendeinem Grund nicht mehr dazu gekommen, den Ton zu verarbeiten“, so Vera Hubensack.

Alle Funde befanden sich auf Hügeln, weil die Hänge schon erodiert sind. Die Archäologen halten es für möglich, dass neben der Trasse noch weitere Jahrtausende alte Geheimnisse liegen. In der Erde der Lommatzscher Pflege gibt es offenbar noch viel zu entdecken.

Solche Mahlsteine wurden den Toten auf den Bauch gelegt.
Solche Mahlsteine wurden den Toten auf den Bauch gelegt. © Landratsamt für Archäologie