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Sozialticket: Kreis soll Fahrschein für Ärmere prüfen

Der Kreistag stimmt über den Antrag der Linken Anfang Dezember ab. Doch manchem geht der Vorstoß nicht weit genug.

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© Arne Dedert/dpa

Von Grit Baldauf und Verena Toth

Landkreis. Am besten kostenlos, mindestens aber verbilligt sollen Bedürftige in Mittelsachsen mit Bus und Bahn fahren können. Über diesen Vorschlag der Linke-Fraktion soll der Kreistag in seiner letzten Sitzung des Jahres am 5. Dezember beraten. Dabei geht es noch nicht um die Einführung, sondern zunächst um einen Prüfauftrag an die Verwaltung, wie Fraktionschef Gottfried Jubelt erklärt: „Der Landrat wird beauftragt, die Einführung eines Sozialtickets für den ÖPNV zu prüfen, ebenso den Einsatz möglicher Fördergelder. Außerdem soll er ein Finanzierungskonzept erarbeiten.“

Dies sei dringend notwendig, so der Augustusburger, schließlich sollen sowohl Hartz-IV-Empfänger, als auch schwerbehinderte Menschen nach den Vorstellungen seiner zwölfköpfigen Fraktion auf Sozialticket Bus und Bahn fahren können. „Am besten sollten sie kostenlos unterwegs sein, das wäre der Idealfall“, so der Kreisrat.

Michaela Hustig, Vorsitzende des Döbelner VdK-Ortsverbandes, würde eine solche Entscheidung sehr begrüßen. „Es gibt so viele Bedürftige, bei denen das Geld im Portemonnaie knapp ist und die vor allem in der ländlichen Region auf Bus und Bahn angewiesen sind. Da reicht es kaum für die Fahrkarten“, sagt sie. Gäbe es ein günstigeres oder sogar kostenfreies Ticket für diejenigen, die es wirklich brauchen, würden sie die öffentlichen Verkehrsmittel sicher auch mehr nutzen, ist sie überzeugt. Klaus Hummitzsch vom Leisniger VdK-Ortsverband stimmt zu: „Der Bedarf wäre auf jeden Fall da.“

Auch Jubelts Fraktionskollege David Rausch aus Geringswalde ist für das Ticket. Er spricht von einem Anfang. Denn eigentlich gehe der jetzige Vorstoß nicht weit genug, so der Geringswalder: „Bus und Bahn müssten für alle komplett kostenlos sein“, fordert er und verweist auf die ländliche Region. Kinder hätten weite Schulwege, und die Leute würden immer älter und seien auf den Nahverkehr angewiesen. Die Linken haben daher die Einführung eines kostenfreien und fahrscheinlosen ÖPNV im Landkreis Mittelsachsen in ihr langfristiges Programm aufgenommen. Mittelsachsens Linke-Chefin Marika Tändler-Walenta kündigte dazu eine Veranstaltungsreihe für Bürger an. Bei den Foren sollen auch Finanzierungsmodelle eine Rolle spielen. Sie hält etwa eine Nahverkehrsabgabe für denkbar.

Für Grünen-Kreisrat Sebastian Walter, der das Ticket befürwortet, wird es entscheidend darauf ankommen, dass die Finanzierung gesichert ist. Der Niederwiesaer kündigte an, er werde sich in der nächsten Sitzung des Kreistags-Finanzausschusses starkmachen, dass das Landratsamt die Finanzierung der Sozialtickets in Dresden, Leipzig und Chemnitz untersucht. „In allen drei Städten haben die Grünen zusammen mit anderen Kräften ein Sozialticket auf den Weg gebracht.“ Walter kritisierte die Tarifstruktur im Landkreis. „Gerade in Mittelsachsen ist der ÖPNV nicht günstig, da die meisten Fahrgäste mehrere Tarifzonen bezahlen müssen.“

Stefan Kraft ist ebenfalls überzeugt, dass seine Fraktion aus SPD und Grünen einem Sozialticket prinzipiell aufgeschlossen gegenübersteht. „Das ist immer eine gute Idee.“ Dennoch befürworte er eine sachsenweite Lösung– und für weitere Bevölkerungsgruppen wie Lehrlinge, Schüler, Asylbewerber. Denn der Vorstoß würde ermöglichen, dass eine Personengruppe nicht noch weiter abgehängt ist. Aber er löse nicht das Grundproblem, die fehlende Anbindung vom ländlichem Raum an Ober- und Mittelzentren. „Lassen Sie uns doch mal den ÖPNV weiterdenken mit einem Ticket für alle“, warb auch Kraft.

Der Verkehrsverbund Mittelsachsen sieht die Zuständigkeit für sozialpolitische Themen bei den Landkreisen und kreisfreien Städten. Der VMS unterstützt sie hinsichtlich denkbarer Umsetzungsvarianten, erklärte Sprecherin Jeanette Kiesinger. Und sie fügte hinzu: Entstehende Mindereinnahmen müssten Landkreise und kreisfreie Städte ausgleichen.

In Dresden bereits seit 2015

Das Sozialtticket ist in Dresden bereits im Jahr 2015 eingeführt worden. Günstiger mit Bus und Bahn fahren, das können inzwischen mehr als 15 000 bedürftige Dresdner. Damit ist die Zahl der Sozialticket-Nutzer innerhalb eines Jahres um knapp 3 000 gestiegen. Die Monatskarte kostet für Berechtigte nur 25 Euro anstatt mehr als 50 Euro. Dafür hatte die Stadt über zwei Millionen Euro bereitgestellt. „Die Zahlen belegen deutlich, dass viele Menschen auf das Sozialticket angewiesen sind“, so der Dresdener Linke-Fraktionschef André Schollbach. Für sie sei es eine wirkliche Hilfe im Alltag. Außerdem teilte die Stadtverwaltung mit, dass derzeit etwa 26 200 Menschen den Dresden-Pass besitzen. Dieser ermöglicht Einwohnern mit geringem Einkommen zum Beispiel kostengünstigere Besuche von Theatern, Sportstätten und Bädern. Außerdem berechtigt er zum Erwerb des Sozialtickets. (mit FP)