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Randale-Fans von Dynamo und Hansa? "Das ist ein Sponsorenkiller!"

Die Ost-Klubs haben im Rennen um finanzstarke Sponsoren auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung das Nachsehen. Das hat Gründe. Doch es gibt auch einen Ausweg, findet der Experte Henning Zülch aus Leipzig.

Von Daniel Klein
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Ausschreitung sind für Verein wie Dynamo Dresden oft ein Sponsorenkiller, sagt Experte Henning Zülch
Ausschreitung sind für Verein wie Dynamo Dresden oft ein Sponsorenkiller, sagt Experte Henning Zülch ©  dpa/Sebastian Kahnert (Archiv)

Der Osten ist im Profisport unterrepräsentiert, am augenfälligsten ist dies im Fußball. Über die Ursachen wird seit 1990 diskutiert und gestritten, geändert hat sich wenig. Der gebürtige Dortmunder Henning Zülch leitet seit September 2006 den Lehrstuhl für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Der 50-Jährige beschäftigt sich mit der Übertragbarkeit betriebswirtschaftlicher Prinzipien auf die erfolgreiche Führung von Sportvereinen. Im SZ-Gespräch erklärt er, warum große Konzerne nur selten Millionensummen in ostdeutsche Traditionsklubs investieren.

Herr Zülch, auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung beklagen ostdeutsche Profiklubs, dass sie finanziell benachteiligt sind, weil die Konzerne große Summen nur in die Vereine stecken, die am Firmenhauptsitz aktiv sind. Die Klubs im Osten des Landes, wo diese Unternehmen auch Standorte haben, bekommen im Vergleich dazu aber nur wenig Geld ab. Ein Beispiel: VW soll Schätzungen zufolge dem VfL Wolfsburg pro Saison 50 bis 60 Millionen zahlen. Den FSV Zwickau, wo ein großes VW-Werk steht, unterstützt der Autobauer lediglich im Nachwuchs. Ist das tatsächlich nach wie vor ein Problem?

Ich würde gerne ein anderes Beispiel nennen: Die Porsche AG steigt jetzt als Investor beim VfB Stuttgart ein – für angeblich mehr als 40 Millionen Euro. Porsche hat den Hauptsitz in Stuttgart. Die Unternehmen justieren sich auch im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatten gerade neu. Da geht es nicht nur ums Fahrradfahren und Umweltthemen, sondern auch um Punkte wie soziales Umfeld, gesellschaftliche Verantwortung, Mitarbeiterbeziehung. Und da wollen Firmen wie Porsche erst einmal in der Region investieren und Mehrwerte schaffen, aus der sie kommen. Dort arbeiten in der Regel ja auch die meisten der Mitarbeiter. Deshalb ist das glaubwürdig.

Und damit bleibt für die Ostvereine nicht mehr viel übrig.

Es gibt noch einen zweiten Punkt: Für VW etwa ist der VfL Wolfsburg ein markenbildendes Element, um internationale Stahlkraft zu erzeugen. Deshalb sollte der VfL auch im Europacup starten. Der FSV Zwickau dagegen spielt in der Regionalliga, also der vierten Liga. Steckt man da als Unternehmen einen Euro rein, bekommt man nichts zurück, weil man erst einmal finanzielle Löcher stopfen, in die Infrastruktur und in eine Professionalisierung investieren muss. Das schreckt viele Firmen ab. Anders formuliert: Vereine müssen für die Unternehmen auch attraktiv sein.

Henning Zülch leitet einen Lehrstuhl an der HHL Leipzig und forscht zum Sponsoring im Profisport.
Henning Zülch leitet einen Lehrstuhl an der HHL Leipzig und forscht zum Sponsoring im Profisport. © dpa/HHL/Daniel Reiche

Aber ist es für einen Konzern, der seine Produkte deutschland- oder sogar weltweit verkauft, nicht völlig egal, ob er seinen Schriftzug auf das Trikot eines ostdeutschen oder westdeutschen Vereins drucken lässt?

Nein. Bleiben wir bei der deutschen Automobilindustrie, die gerade große Absatzprobleme hat. Für VW etwa ist China der größte Markt. Die Firmen überlegen sich, wie sie es schaffen, die Kunden in diesen Märkten zu erreichen. Die 1. Bundesliga ist deshalb interessant, weil sie global ausgerichtet ist. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) verfolgt konsequent einen Internationalisierungskurs, um zu erreichen, dass man die Spiele weltweit sehen kann. Die Bundesliga wird wahrscheinlich nie die englische Premier League oder die spanische La Liga überholen, aber sie will die dritte Kraft in Europa werden.

Und weil in der Bundesliga kaum Ostvereine vertreten sind, investieren die Global Player in Westvereine.

Die Firmen sind ja nicht karitativ unterwegs. Für sie ist der Sport ein Vehikel, um Kundengruppen zu erschließen. Und ein Verein wie der VfL Wolfsburg hat eben einen anderen Multiplikatoreneffekt als der FSV Zwickau.

Was für den FSV Zwickau gilt, würde dann aber auch auf Traditionsklubs wie Alemannia Aachen, Rot-Weiß Oberhausen und den Wuppertaler SV zutreffen, die ebenfalls in der Regionalliga spielen. Ist das also gar kein Ostproblem?

Die von ihnen genannten Vereine kommen alle aus Nordrhein-Westfalen. In diesem Bundesland leben 18 Millionen Menschen, in Sachsen vier Millionen. Aus Nordrhein-Westfalen kommen aktuell fünf Bundesligisten, aus Sachsen einer. Es gibt also einen Zusammenhang zur Bevölkerungsdichte. Fakt ist aber auch: Durch die Strukturen hatten wir in den zurückliegenden 30 Jahren einen Abbau der wirtschaftlichen Leistungen in den neuen Bundesländern, der nicht so einfach wieder aufholbar ist. Aber wir stecken nun gerade am Beginn eines Prozesses, wo Ballungsräume wie Leipzig und Dresden als Innovationszentren entwickelt werden. Zum Beispiel in Leipzig, wo BMW und Porsche den Standort zu einem bedeutenden in Sachen E-Mobilität machen wollen. Oder das DHL-Drehkreuz. Technologie spielt künftig eine große Rolle. Die Auswirkungen sieht man nicht von heute auf morgen, aber vielleicht in 20 Jahren.

Ostdeutsche Traditionsklubs wie Dynamo Dresden oder Hansa Rostock haben sehr viele und sehr engagierte Fans, von denen einige mitunter aber auch für Negativ-Schlagzeilen sorgen. Ist das für Firmen ein Grund, nicht als Sponsor einzusteigen?

Natürlich, das ist ein Sponsorenkiller. Dynamo hat den Ruf, dass der Verein, um es diplomatisch auszudrücken, nicht einfach ist. Da wird in Tarnanzügen zum Stadion marschiert, da werden Toiletten verwüstet – was aber auch Fans anderer Vereine machen. Das ist also ein Imagethema. Ich überlege mir als Unternehmer sehr genau, ob ich da mein Geld reinstecken möchte. Das betrifft aber nicht nur Dynamo, da kann man auch den Freistaat nehmen. Sachsen hat durch die Aufmärsche und Wahlergebnisse ein Image, das man nur ganz schlecht ausräumen kann. Und das müssen sie einem ausländischen Unternehmen, das sich hier ansiedeln will, erst einmal erklären.

Wie sieht eine Lösung für die ostdeutschen Klubs aus? Ist ein Investor wie bei RB Leipzig der einzige Ausweg?

Man kann über RB denken, was man will, aber: Der Verein hat der Region unheimlich viel gebracht und sie entwickeln gerade etwas, was international einmalig ist. Die Frage an die anderen Klubs ist: Warum kann man mit denen, also RB, zusammen nicht Konzepte entwickeln? Das scheitert dann an den Ressentiments. Doch das Rufen nach finanzkräftigen Sponsoren, gerade in Zeiten der Rezession, wird nicht der Heilsbringer sein. Man sollte die wenigen Kräfte und die wenigen Mittel, die man zur Verfügung hat, so bündeln, dass es maximal erfolgreich ist. Man muss Leuchttürme schaffen, zwei in jedem neuen Bundesland, um dort zusammen mit den Vereinen vorort innovativ und gezielt den Nachwuchs im Handball, Basketball und Fußball zu fördern. Klingt einfach, ist es aber nicht.

Red Bull hat sich einen Standort gesucht und mit Leipzig gefunden, einen unterklassigen Verein übernommen und die 50+1-Regel, die vorschreibt, dass die Stimmenmehrheit beim Stammverein bleiben muss, geschickt umschifft. Ist das für den Fußball-Osten derzeit die einzige Option, um in die Champions League zu kommen?

Ja, absolut. Ohne Moos nix los. Das ist so. Neben dem Geld braucht man aber auch Leute, die was von der Sache verstehen. Lars Windhorst hat 374 Millionen Euro in Hertha BSC investiert, die jetzt in der2. Bundesliga spielen. Dort kann man sehen, dass Geld allein kein Allheilmittel ist. Überdies sind Investoren im Fußball nicht alles Heuschrecken, unter ihnen gibt es auch sehr seriöse und langfristig orientierte Unternehmen.

Der österreichische Brausehersteller Red Bull hat maßgeblich geholfen, dass es RB Leipzig von der Oberliga in die Champions League schafft.
Der österreichische Brausehersteller Red Bull hat maßgeblich geholfen, dass es RB Leipzig von der Oberliga in die Champions League schafft. © dpa/Jan Woitas

Bei vielen mitgliedergeführten Vereinen ist der Einstieg eines Investors ein rotes Tuch. Auf welchem Weg können sich Klub sonst dauerhaft in der oberen Liga etablieren?

Profiklubs sind schon längst keine Vereine im engeren Sinne mehr, sondern Wirtschaftsunternehmen. Doch deutsche Erst- und Zweitligisten, die wirtschaftlich rentabel sind, kann man an einer Hand abzählen. Hinzu kommt, dass derzeit weniger Mittel zur Verfügung stehen. Die DFL und der DFB nehmen weniger Geld ein und können entsprechend auch weniger verteilen. Viele Firmen sind jetzt in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, in der sie dreimal überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Wir stecken in einer Rezession, haben fünf bis acht magere Jahre vor uns.

Sie verbreiten wenig Optimismus.

Es gibt schon Positivbeispiele wie den 1. FC Heidenheim, wo sich zahlreiche Sponsoren aus der Region zusammengeschlossen haben. Hinter diesem Erfolgsweg, der über viele Jahre gegangen wurde, stehen drei Wörter: Solidität, Stabilität, Kontinuität. Dort hat man verstanden, dass man in Steine investieren muss und nicht nur in Beine. Die Infrastruktur ist wichtig, aber auch das strategische und nicht tagesabhängige Denken.

In diesem Gespräch ging es bisher ausschließlich um Fußball, wo die Summen viel höher sind als bei anderen Sportarten. Wie ist die Situation im Handball, Eishockey, Basketball und Volleyball?

Wir beobachten, dass die Sponsorenleistungen im Fußball allgemein zurückgehen, weil es nicht mehr opportun ist, da zu investieren. Stichworte sind hier: Vergabe der WM, Außendarstellung des Deutschen Fußball-Bundes, die opulenten Spielergehälter. Deshalb kommen andere Sportarten ins Spiel. Es finden Transformationsprozesse statt, dies aber in homöopathischen Dosen.

Außerhalb des Fußballs sind zum Teil auch andere Sponsoren am Start. Was bewegt ein Halbleiter- Unternehmen wie Infineon, Geld in einen Eishockey- oder Basketball-Zweitligisten zu stecken?

Da gibt es zwei Aspekte: Firmen wie Infineon sind ständig auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Sie schauen, wo sie diese am ehesten finden können. Da gibt es spezielle Cluster, wahrscheinlich findet man die in Dresden vor allem beim Eishockey oder Basketball. Der zweite Punkt ist: Firmen schauen sich ihre Mitarbeiter an, wo die ihre Freizeit verbringen. Bei diesen Vereinen engagiert man sich dann, um zu zeigen, dass man in der Region verankert ist und sich sozial einbringt. Was für den Fußball gilt, gilt jedoch auch hier: Man muss Strukturen erarbeiten, um nicht gleich den Stecker ziehen zu müssen, wenn ein wichtiger Geldgeber mal aussteigt.

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