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Viel mehr als Fußball

Eine Doku soll helfen, dass die Frauen-Nationalmannschaft mehr Sichtbarkeit erhält. Die Spiele in Cottbus und Chemnitz zeigen, dass noch viel zu tun ist.

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Training im Sportpark Ostra: Das Fußball-Nationalteam der Frauen bereitet sich in Dresden auf ihre Länderspiele vor.
Training im Sportpark Ostra: Das Fußball-Nationalteam der Frauen bereitet sich in Dresden auf ihre Länderspiele vor. © PICTURE POINT

Von Frank Hellmann

Dresden. Die Stürmerin Laura Freigang und die Verteidigerin Sara Doorsoun sind sicherlich noch nicht als die prägenden Persönlichkeiten der deutschen Frauen-Nationalmannschaft auf dem Platz identifiziert. Wenn nun neuerdings eine mehrteilige Doku-Serie über die DFB-Frauen entsteht, fallen Nationaltorhüterin Merle Frohms spontan diese beiden Namen ein, die „mehr auf der Bildfläche auftauchen“ als andere; und wenn alles gut läuft, könnten mit Blick auf die EM 2022 in England aus den Hauptrollen sogar Heldenrollen erwachsen.

Seit Jahresbeginn sind Kameras von der Film- und Fernsehgesellschaft Warner Bros. bei den deutschen Fußballerinnen dabei, die nach einer Pilotphase grünes Licht für die Produktion gegeben haben, die die Sichtbarkeit erhöhen soll. Präsentiert werde in der Doku ein Team mit „Ecken und Kanten, mit Höhen und Tiefen“, verspricht Regisseurin Martina Hänsel. „Wir machen das Licht für tolle Persönlichkeiten an.“ Es handele sich um die „weltweit erste Produktion dieser Art“, wobei es explizit darum geht, auch gesellschaftliche Themen anzupacken. „Unsere Story ist größer als der Fußball.“ Zudem hätten diverse Themen gerade „eine globale Nachfrage“.

Gezeigt werden soll auch, wie Nationalspielerinnen noch die Doppelbelastung mit Schule, Studium und Beruf meistern – oder Frohms-Konkurrentin Almuth Schult beispielsweise ihre Belastung als Zwillingsmama bewältigt. Schnell wird der Zuschauer feststellen, dass die meisten Frauen viel mehr im wahren Leben verwurzelt sind als die Männer-Stars. Besuche bei der in London spielenden Melanie Leupolz oder der in Paris angestellten Sara Däbritz oder ein Schlenker zum Frauen-Nationalteam in Israel sind angedacht, wo Deutschland in der WM-Qualifikation antritt.

Ärgert sich nicht nur über die Anstoßzeiten für ihr Team: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.
Ärgert sich nicht nur über die Anstoßzeiten für ihr Team: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. © Archiv: dpa/Sebastian Gollnow

Wo die sechs Folgen à 60 Minuten ausgestrahlt werden, steht noch nicht fest – man sei noch in der Vermarktungs- und Finanzierungsphase, hieß es bei der digitalen Pressekonferenz aus der Altstadt in Dresden, wo sich die DFB-Frauen auf die ersten WM-Qualifikationsspiele gegen Bulgarien in Cottbus am Samstag, 16.05 Uhr (live in der ARD), und drei Tage später gegen Serbien in Chemnitz, 16 Uhr (live im ZDF), vorbereiten.

Und die beiden Partien beweisen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, dass im Kampf um mehr Anerkennung noch viel zu tun ist. So kritisiert die 53-Jährige den mangelnden Zuschauerzuspruch und unglückliche Anstoßzeiten der anstehenden Begegnungen: „Wir spielen für die, die da sind. Wir spielen für die, die uns nur am Fernseher zuschauen können. Und für die, die uns nicht sehen wollen, spielen wir auch.“ 5.000 Fans sind in Cottbus und Chemnitz zugelassen, gerechnet wird in den Stadien mit rund der Hälfte.

Gerade mit Blick auf das Spiel am Nachmittag unter der Woche verwies Voss-Tecklenburg auf das „leidige Thema“ Anstoßzeit, die von den übertragenden TV-Sendern vorgegeben wird: „Wir würden gerne abends spielen.“

TV-Expertin bei der Männer-EM und Nationalspielerin: Torhüterin Almuth Schult, die auch Mutter von Zwillingen ist.
TV-Expertin bei der Männer-EM und Nationalspielerin: Torhüterin Almuth Schult, die auch Mutter von Zwillingen ist. © Archiv: dpa/Sebastian Gollnow

Und doch weiß die Bundestrainerin, dass der Kampf um mehr Medienpräsenz nur zu gewinnen ist, wenn die Protagonisten ihren Teil dazu beitragen. „Der Markt ist da – und da müssen wir rein. Wir haben Werte, die es sich anzuschauen lohnt: authentisch, professionell, attraktiv“, betonte die 53-Jährige jüngst auf dem Sportbusinesskongress (Spobis) in Düsseldorf. Sie kann für sich sagen: „Wenn die Arbeit leiden würde, würden wir es nicht tun. Wir haben nichts zu verschweigen. Wir wollen zeigen, dass wir cool sind.“ Ein erster Trailer habe die Beteiligten angeblich zu Tränen gerührt.

Sie räumte allerdings auch ein, dass keine Bilder nach draußen gehen, die der Verband nicht freigibt. Und so bleibt der Grat schmal: Bei der Trainerin bestehen in Sachen Authentizität wenig Zweifel, aber verhalten sich die Spielerinnen wirklich frei? Oft genug sind bei den Männern aus solchen Produktionen reine Marketingvehikel entstanden, die eine „Heile-Welt-Inszenierung“ betrieben – und dem Zuschauer erkennbar wenig Reibungsfläche lieferten. So auch beim Streifen zum WM-Sommermärchen 2006, als allein eine Diskussion zwischen Michael Ballack und Torsten Frings den Anflug von Dissens vermittelte.

Sara Däbritz (l.) und Merle Frohms bei einem PR-Termin in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden.
Sara Däbritz (l.) und Merle Frohms bei einem PR-Termin in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden. © dpa/Sebastian Kahnert

Martina Hänsel möchte keine Konflikte ausblenden, räumte indes ein, sich mit ihrer Crew den „Zugang zur Kabine erst noch erarbeiten zu müssen“. Spannend wird speziell die EM nächsten Sommer in England, wo auf den deutschen Fußballerinnen nach dem enttäuschenden Viertelfinal-Aus bei der WM 2019 und EM 2017 ein gewisser Erfolgsdruck lastet.

Aber selbst die nicht ins Rampenlicht drängende Torfrau Merle Frohms begrüßt es, dass die Filmemacher jetzt mit ins Boot steigen. „Es ist ein Megaprojekt, wir haben alle Geschichten zu erzählen.“ Und eine Belastung werden die Dreharbeiten bestimmt nicht sein: „Die EM ist Ansporn genug. Wir haben alle eine Mission. Eine Doku dazu ist ein schönes Add-on.“ (mit dpa)