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"Absoluter Glücksfall": Die Wandlung des Lothar Matthäus

Lothar Matthäus ist Deutschlands bekanntester TV-Experte und bei den Sendern beliebt und begehrt. Das war nach einigen missratenen Versuchen nach der Profi-Karriere nicht unbedingt zu erwarten.

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Fernsehexperte Lothar Matthäus ist für seine Arbeitgeber „ein absoluter Glücksfall“.
Fernsehexperte Lothar Matthäus ist für seine Arbeitgeber „ein absoluter Glücksfall“. © dpa/Focke Strangmann

Von Michael Rossmann und Claas Hennig

München. Lothar Matthäus hat sich neu erfunden. Es ist noch nicht allzu lange her, da war der Rekord-Nationalspieler als mäßig erfolgreicher Trainer und Ehemann junger Frauen auf dem Weg zu einer Lachnummer. Doch binnen weniger Jahre hat sich der 62-Jährige in seiner neuen Rolle zum respektierten und begehrten TV-Experten entwickelt, der für Sky die Bundesliga und für RTL die Fußball-Nationalmannschaft begleitet. Damit war nicht unbedingt zu rechnen.

Vor gerade einmal 13 Jahren war noch kein Platz für Matthäus im deutschen Fernsehen. Als Experte des katarischen Senders Al Jazeera erklärte er den TV-Zuschauern im arabischsprachigen Raum die WM 2010. Doch daheim berichteten ARD, ZDF, RTL und Sky vom Turnier in Südafrika und setzten auf andere Ex-Profis als Experten.

Inzwischen ist Matthäus in Deutschland „der Experte schlechthin“, wie es Sky-Chefredakteur Alexander Rösner ausdrückt. Seit zehn Jahren erklärt er beim Pay-TV-Sender „für den Zuschauer Spielzüge, Taktik, Hintergründe, Besonderheiten, analysiert blitzschnell und bietet unseren Zuschauern so einen großen Mehrwert“, schwärmt Rösner: „Und er nutzt sein Netzwerk, bekommt Top-Informationen.“

Bestens vorbereiteter Teamplayer

Ähnlich begeistert ist RTL-Sportchef Andreas von Thien, für dessen Sender Matthäus am Samstag beim Länderspiel im Einsatz ist. „Er ist ein absoluter Glücksfall für uns“, sagt der RTL-Mann. „Er spricht die Sprache der Zuschauer, arbeitet sehr akribisch und präsentiert sich auch hinter den Kulissen als bestens vorbereiteter Teamplayer.“ Und für die Fernsehsender bringt Matthäus auch einen beträchtlichen PR-Wert. „Er zählt zu den meistzitierten Sportpersönlichkeiten des Landes“, betont der RTL-Sportchef.

Das galt zuletzt vor allem bei seiner Kritik am FC Bayern München und der Kontroverse mit Trainer Thomas Tuchel. Matthäus bringe „die Autorität mit, auch kritische Themen offen anzusprechen“, sagt von Thien. Der Rekord-Nationalspieler selber meint dazu: „Experten haben das Recht, ihre Meinung kundzutun. Deswegen sind sie da.“

Gerade nach dem Bayern-Sieg gegen Dortmund wurde sichtbar, was der Kölner Medienwissenschaftler Christoph Bertling so beschreibt: „Hier wird die sachliche Analyse in ein höchst emotionales Umfeld verlegt. Die Analyse ist dann ein Emotions- und Spannungserhitzer.“

Tuchel hatte Tage zuvor bereits ironisch angemerkt, er erkenne bei Matthäus – und bei dem ebenfalls für Sky tätigen Dietmar Hamann – keine „Weiterentwicklung“. Zumindest bei Matthäus stimmt eher das Gegenteil. „Er hat eine unglaubliche Entwicklung gemacht“, lobt etwa Sky-Chefredakteur Rösner. „Er hat sehr viel über Fernsehen und Medien gelernt, ist meinungsstark und auch rhetorisch immer besser geworden.“

Praktisch einen neuen Job gelernt

Das passt zu Matthäus‘ eigener Einschätzung: „Thomas Tuchel ist nicht der Meinung, dass ich mich verbessert habe, aber vielleicht sind es andere.“ Matthäus hat sich dafür auch schulen lassen. Der frühere Spieler und Trainer hat nach seiner Fußball-Karriere praktisch einen neuen Job gelernt.

Zu seiner eigenen Entwicklung sagt der 62-Jährige: „Wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückschaue, kann jeder sagen, dass ich mit bestimmten Dingen kritisch umgehe. Ich spreche die Sachen an, die ich sehe, und spreche nichts an, was ich nicht sehe oder fühle.“ Seine Arbeit sei „nicht weit auseinander von der eines Journalisten“, erklärt Matthäus. „Im Endeffekt beurteilen wir das, was wir sehen. Und dass wir nicht alles gleich sehen, ist ja auch völlig normal.“

Seine Jobs bei RTL und Sky sieht der inzwischen begehrte TV-Experte differenziert. Das seien „unterschiedliche Richtungen“. RTL sei mehr Unterhaltungsprogramm, „da sind mehr Pausen, weil mehr Werbung geschaltet wird. Da muss man sich drauf einstellen.“ Bei Sky habe er „die Zeit, tiefer reinzugehen und dem Zuschauer etwas zu erklären. Bei RTL stehst du unter Strom, weil du Zeitdruck hast. Dann stehst du in der Halbzeit, hast nur zwei Minuten und musst fünf Tore erklären.“ (dpa)