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Warum Dynamo trotz guter Leistung auf Schalke verliert

Die Dresdner sind vor allem in der zweiten Halbzeit aktiver, aber die Schalker sind effektiver - so ist das 0:3 eine Lehrstunde. Die erste Analyse und Reaktionen.

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Es ist eine umkämpfte Partie: Dynamos Yannick Stark (l.) gegen Schalkes Yaroslav Mikhailov.
Es ist eine umkämpfte Partie: Dynamos Yannick Stark (l.) gegen Schalkes Yaroslav Mikhailov. © dpa

Von Sven Geisler und Jens Maßlich, Gelsenkirchen

Nichts war es mit dem Geschenk zum 53. Geburtstag des Trainers. Alexander Schmidt hatte sich etwas Zählbares gewünscht, doch statt Punkte bekommt Dynamo wieder nur Komplimente für eine gute Leistung. Die Schwarz-Gelben verlieren beim FC Schalke 04 mit 0:3 - und man kann Verteidiger Robin Becker nur zustimmen, dass diese Niederlage zu hoch ausfällt. Aber es gibt im Fußball eben keine Haltungsnoten und die einzige Statistik, die letztlich zählt, ist das Ergebnis. "Das ist bitter und tut uns weh", räumt der Chefcoach ein.

Es ist vor allem ernüchternd. Die sechste Niederlage im siebenten Spiel. "Wer das Spiel gesehen hat, wundert sich, dass es so ausgegangen ist", sagt Schmidt. "Es hat alles gepasst - bis auf die Schlüsselmomente, in denen wir nicht clever genug waren. Das hat Schalke ausgenutzt."

Wie ist diese Niederlage beim Favoriten einzuordnen?

Statt mit dem erhofften und durchaus möglichen Erfolgserlebnis fährt Dynamo mit der nächsten Enttäuschung aus Gelsenkirchen nach Hause. Der Unterschied? Die Effizienz. "Die haben die Tore geschossen, auch wenn das 0:1 etwas glücklich war. Sie haben einfach Qualität, lassen wenig liegen und nutzen ihre Chancen", sagt Becker ernüchtert.

Nach gut einer Stunde steht ein 1:7 auf dem Videowürfel unter dem geöffneten Arena-Dach - nach Ecken führt Dynamo zu diesem Zeitpunkt deutlich. Aber bei den Standards entwickeln die Dresdner keine nennenswerte Torgefahr, ein erhebliches Manko, weil sie sich so um die mühsam erspielten und erkämpften Chancen bringen.

Christoph Daferner ärgert sich über eine vergebene Chance. Schalke war auf der anderen Seite effizienter.
Christoph Daferner ärgert sich über eine vergebene Chance. Schalke war auf der anderen Seite effizienter. © dpa

Wie es klappen könnte, zeigen sie im siebenten Versuch. Den Kopfball von Pascal Sohm lenkt S04-Torwart Martin Fraisl gerade so über die Latte - wieder Ecke. Wieder nichts. "Wir haben es nicht geschafft, den Anschlusstreffer zu machen", erklärt Becker. Wie es funktioniert, zeigt Schalke - und das mit der zweiten Ecke. Marius Bülter kommt frei zum Kopfball - das 0:2 ist die Entscheidung.

Dabei hält Dynamo nicht nur dagegen, sie sind nach der Pause aktiver, lassen Schalke phasenweise kaum über die Mittellinie. Aber nicht zwingend genug. Resignieren? Keine Option! Michael Akoto spielt Christoph Daferner frei, dessen Schuss aus spitzem Winkel erneut Fraisl abwehrt (69.). Der Ausgleich wäre verdient. Schmidt setzt auch ein Signal mit seinen Wechseln, als er zum Beispiel den offensiv eingestellten Luca Herrmann für Abfangjäger Yannick Stark. Volle Pulle. Auch nach dem Nackenschlag, nur fehlt dann sichtbar der Glaube.

Morris Schröter kniet nach dem Spiel enttäuscht auf dem Rasen. Dynamo zeigte eine gute Leistung, aber verliert doch 0:3.
Morris Schröter kniet nach dem Spiel enttäuscht auf dem Rasen. Dynamo zeigte eine gute Leistung, aber verliert doch 0:3. © dpa

Besonders ärgerlich an diesem Abend ist, dass sie sich sogar noch das 0:3 einfangen in der Nachspielzeit. Wieder Standard, diesmal Freistoß. Diesmal steht Marcin Kaminski frei und trifft per Kopf. So ist es am Ende eine Lehrstunde, zumindest in puncto Standards und Effektivität. Denn in allen anderen statistischen Werten außer dem Ergebnis liegt Dynamo vorn - unter anderem mit 18:11 Torschüssen und 57 Prozent gewonnenen Zweikämpfen. "Es klingt blöd, aber unter dem Strich muss ich die Mannschaft loben für ihre engagierte Leistung", sagt der Chefcoach.

Wieso lag Dynamo zur Pause mit 0:1 zurück?

Nein, Dynamo beginnt nicht wie das Kaninchen vor der Schlange. Davor hatte Schmidt vorab gewarnt: "Wenn wir passiv sind, haben wir keine Chance." Die Dresdner haben in einem von Anfang an sehr intensiv geführten Spiel sogar den ersten Abschluss, allerdings landet der Schuss von Christoph Daferner von der Strafraumgrenze genau in den Armen von S04-Torwart Martin Fraisl (11.). "Die Mannschaft hat das Spiel gut angenommen, war mutig und hat alles abgerufen", sagt Schmidt.

Doch Schalke deutet seine offensive Wucht mehr als einmal an. Beim Tor liegen Glück und Pech eng zusammen: Rodrigo trifft den Pfosten, der Ball scheint schon raus, aber Dynamo kann nicht richtig klären. Einen Schuss von Reinhard Ranftl wehrt Torwart Kevin Broll zwar seitlich, aber nach vorn ab. Das muss er sich ankreiden. Robin Becker will die Kugel wegschlagen - und schießt den heranrauschenden Thomas Ouwejan an.

Thomas Ouwejan blockt den Befreiungsschlag von Robin Becker. Der Ball geht zur Schalker Führung ins Tor.
Thomas Ouwejan blockt den Befreiungsschlag von Robin Becker. Der Ball geht zur Schalker Führung ins Tor. © dpa

"Ein komisches Tor", hadert Schmidt. Zudem führt Schalke nun doch relativ früh. "Je länger es offen ist, desto mehr Möglichkeiten werden sich uns bieten, das Spiel in unsere Richtung zu drehen", meinte Chris Löwe. Nach seiner Flanke kommt Morris Schröter zum Kopfball, setzt ihn aber daneben (28.). Und sein Schuss aus der Drehung geht drüber (30.) Dynamo ist keinesfalls chancenlos, auch Stark kommt vor der Pause noch um Schuss aus 16 Metern - gehalten.

Was war eigentlich mit Schalkes Torjäger Terodde?

Und was war eigentlich mit Simon Terodde? Der Torjäger hat in dieser Saison bereits elfmal getroffen und damit mit dem bisherigen Zweitliga-Rekordhalter Dieter Schatzschneider, einst bei Hannover 96, gleichgezogen. Mit seinem 154. Treffer würde er allein an der Spitze stehen. "Wir müssen ihm das Leben so schwer wie möglich machen und seine Zulieferer kaltstellen, das beutetet: Flanken verhindern, damit er gar nicht in die Situationen kommt", meinte Schmidt.

Kevin Broll musste zwar keinen Treffer von Schalkes Top-Torjäger Simon Terodde hinnehmen, holte am Ende aber doch dreimal den Ball aus seinem Tor.
Kevin Broll musste zwar keinen Treffer von Schalkes Top-Torjäger Simon Terodde hinnehmen, holte am Ende aber doch dreimal den Ball aus seinem Tor. © dpa/David Inderlied

Das klappt, wenngleich das 0:1 auch auf dem Flügel entsteht, wo Stark und Paul Will die Eingabe nicht verhindern. Terodde zeigt sich aber auch als Arbeiter im Dienst der Mannschaft, lässt sich mal fallen, weicht nach außen auf. Schwerstarbeit für Dynamos Dreierkette. Und gleich zu Beginn der zweiten Hälfte kommt er zum Schuss - Broll hat den Ball sicher. Und in der Nachspielzeit verfehlt der Stürmer um Haaresbreite eine Flanke mit dem Kopf. Ein Trost ist das nicht, aber immerhin hat der Schalker nicht gegen Dynamo Geschichte geschrieben.

Wie lief die Rückkehr der Dynamo-Fans auswärts?

Nach anderthalb Jahren spielt Dynamo wieder vor einer wirklich großen Kulisse: Mit 54.526 Zuschauern ist die Arena auf Schalke offiziell ausverkauft, darunter 4.307 Dynamo-Fans. Rund 2.000 Plätze mussten aus Sicherheitsgründen frei bleiben. Das erklärte Ziel war es, "eine störungsfreie Anreise zu gewährleisten, damit alle pünktlich vor Anpfiff im Stadion sind". So hatte es SGD-Pressesprecher Ronny Zimmermann angekündigt und betont, Vereine wie alle sicherheitsrelevanten Behörden seien sich darin einig. Kurz vor Anpfiff waren dann wohl tatsächlich alle im Stadion, mit Anpfiff stieg der Stimmungspegel - auf beiden Seiten.

Allerdings war es zuvor offenbar zu Vorkommnissen bei Kontrollen gekommen, eine Beamtin wurde von einem Unbekannten mit Dresdner Kennzeichen angefahren, ob es sich um einen Dynamo-Fan handelt, konnte die Polizei am Abend nicht bestätigen. Die Busse der Ultras sollen laut Twitter-Berichten von der Polizei auf einem Rastplatz an der A2 kurz vor Gelsenkirchen gestoppt worden sein, um die Personalien der Insassen festzustellen. Das habe vier Stunden gedauert. Danach wurden sie mit Shuttle-Bussen direkt zur Arena gebracht, sodass einem von den Sicherheitskräften befürchteten Fanmarsch vorgebeugt wurde.

Polizisten sichern die Fanankunft am Stadion. Am Ende waren alle Zuschauer rechtzeitig zum Spielbeginn in der Arena.
Polizisten sichern die Fanankunft am Stadion. Am Ende waren alle Zuschauer rechtzeitig zum Spielbeginn in der Arena. © dpa/ David Inderlied

Dynamo hatte zur Betreuung der eigenen Fanszene zehn Betreuer und 40 Sicherheitskräfte mit nach Gelsenkirchen geschickt. "Wir wollen gemeinsam ein tolles Fußball-Fest erleben", meinte Zimmermann. Und das wird es - selbst nach der klaren Niederlage wird die Mannschaft von den Anhängern angefeuert. "Mit Fans ist das wieder ein richtig geniales Gefühl, auch wenn du von den gegnerischen ausgepfiffen wirst", sagt Becker. "Was die Dresdner Fans heute geleistet haben, davor muss ich den Hut ziehen. Das ist nicht selbstverständlich, dass Fans einen nach der 0:3-Niederlage so feiern."

Wie hat der Trainer die Mannschaft aufgestellt?

Ransford-Yeboah Königsdörffer musste zu Hause bleiben, nachdem er in der Nacht zum Freitag "öfter auf die Toilette musste", wie Schmidt gesagt hatte. Für ihn kehrte Morris Schröter in die Startelf zurück. Auch Michael Akoto war nach auskurierten Muskelfaserriss gleich wieder von Anfang an dabei, was bedeutete: Der Trainer setzte auf eine Dreierkette mit ihm, Michael Sollbauer und Antonis Aidonis. Die Ansage des Trainers: "Es ist unabhängig vom System wichtig, dass wir uns nicht verstecken. Wir müssen agieren und frech sein.​"

Das hieß aber auch: Kapitän Sebastian Mai blieb erneut draußen - und kommt nach dem 0:2 als Stürmer. Dagegen durfte Paul Will ran, der zuletzt beim 3:0-Sieg gegen Werder Bremen gespielt hatte. Julius Kade nahm zunächst auf der Bank Platz.

Er kommt nach der Pause für Löwe, der früh die Gelbe Karte gesehen hatte. Schmidt wechselte also nicht positionsgetreu. Kade ist die offensivere Variante im Vergleich zum späten Neuzugang Guram Giorbelidze, der später noch reinkommt. Außerdem ersetzte Pascal Sohm den zu körperlos agierenden Heinz Mörschl.