Dresden. Keine drei Monate hat es gedauert, da ist Dynamo Dresden das erste Mal DDR-Meister. Am 5. Juli 1953 gewinnt die Sportgemeinschaft das Entscheidungsspiel gegen Wismut Aue im Berliner Walter-Ulbricht-Stadion 3:2 nach Verlängerung. Dabei gibt es den Verein erst seit 84 Tagen. Offiziell wird die SG Dynamo Dresden am 12. April 1953 gegründet, wobei es genau genommen nur eine Umbenennung ist. Die SV Deutsche Volkspolizei bekommt einen neuen Namen. Zusammengestellt wurde das Team bereits drei Jahre zuvor.
Im Sommer 1950 soll das Trainer-Duo Fritz Sack und Paul Döring aus 40 Spielern mehrerer Volkspolizei-Mannschaften eine neue erstklassige Dresdner Mannschaft formen. Sie soll in der Oberliga spielen, nachdem die meisten Spieler der SG Friedrichstadt um den späteren Bundestrainer Helmut Schön nach der Vize-Meisterschaft in den Westen geflohen waren und der Klub aufgelöst wurde. Den Aufstieg der BSG Sachsenverlag – später Rotation – in die höchste Spielklasse der DDR im gleichen Jahr hatten Politiker und Funktionäre bei ihren Planspielen nicht einkalkuliert.
Einen Monat lang, vom 28. Juli bis 26. August 1950, beobachten Sack und Döring die Kandidaten bei einem Trainingslager in Forst, 17 bilden schließlich die neue Mannschaft. „Für uns, die wir alle aus der zweiten oder gar dritten Liga kamen, bot sich eine einmalige Chance, in der Oberliga zu spielen“, erinnert sich der 2014 verstorbene Abwehrchef Herbert Schoen 1993 im Buch „Dynamo Dresden“ von Uwe Karte und Gert Zimmermann an den befehlsmäßigen Umzug nach Dresden.
40.000 Zuschauer sehen Dynamos erstes Meisterstück
Am 2. September 1950 findet in Stendal die Oberliga-Premiere der SV Deutsche Volkspolizei Dresden statt. Gleich in der ersten Saison spielt die neue Mannschaft im oberen Tabellendrittel mit, wird am Ende Vierter. Ein Jahr darauf folgen die Vize-Meisterschaft und der Gewinn des FDGB-Pokals, den sich heute Dynamo wie selbstverständlich zuschreibt – ein ungelöster Widerspruch.
Den Meistertitel erringt das Team eine Saison später – wenige Wochen nach der Umbenennung. Als SV Deutsche Volkspolizei in die Saison gestartet, beendet die Mannschaft als SG Dynamo Dresden die Saison punktgleich mit Wismut Aue auf Platz eins.
Deshalb kommt es am 5. Juli 1953 in Berlin unmittelbar an der Grenze zwischen Ost und West zum Entscheidungsspiel. Nur wenige Tage vorher, am 17. Juni 1953, wird in der Hauptstadt der Volksaufstand der Arbeiter niedergeschlagen. Es herrscht Ausnahmezustand in der Hauptstadt.
Ein Sonderzug aus Dresden darf deshalb nicht fahren, aus Aue dagegen schon. Die Wismut-Anhänger sind unter den 40.000 Zuschauern in Überzahl. Bis zur vorletzten Minute führt ihre Mannschaft, dann trifft Günter „Moppel“ Schröter zum Ausgleich für die Dresdner.
Dynamo wird Meister, aber der Empfang fällt aus
In der Verlängerung erzielt Karl-Heinz Holze mit einem straffen Schuss aus 18 Metern das entscheidende 3:2. „Seine Kameraden erwürgen ihn bald. Jubel, Begeisterung auf der einen, tiefe Niedergeschlagenheit auf der anderen Seite“, schreibt die Sächsische Zeitung später. Dynamo ist zum ersten Mal Meister. „Als der Abschlusspfiff des ausgezeichneten Schiedsrichters Gerhard Schulz ertönt, schlagen die Dresdner Spieler Purzelbäume“, schildert der SZ-Reporter.
Als der neue DDR-Meister am nächsten Morgen um 4.30 Uhr mit dem Bus in Dresden ankommt, ist niemand da, um ihn zu empfangen. Keiner in Dresden wusste Bescheid – heute unvorstellbar. Auch auf der Meisterfeier im Casino des Heinz-Steyer-Stadions gibt es eine Panne. Die Meistergeschenke für die Spieler – jeder sollte einen Pepita-Anzug mit Reißverschluss-Jacke bekommen – sind nicht fertig geworden. Die Funktionäre versichern, die Anzüge schnellstmöglich nachzureichen.
Bei Dynamo sollte es die nächste Meisterfeier erst 18 Jahre später geben.