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Dresdens B-Girl und ihr großer Traum von Olympia

Beim wichtigsten Solo-Duell für die deutsche Breakdance-Szene schafft es Joanna Mintcheva unter die Top Acht – und das mitten im Uni-Abschluss. Jetzt ist ihr Kopf frei fürs Tanzen und vielleicht sogar für die Olympia-Premiere 2024?

Von Michaela Widder
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Körperkünstlerin. Joanna Mintcheva aus Dresden gehört nun zu den besten B-Girls in Deutschland. Der Red Bull BC One Cypher Germany ist der wichtigste deutsche Solo-Wettkampf für Breaker – diesmal in Berlin.
Körperkünstlerin. Joanna Mintcheva aus Dresden gehört nun zu den besten B-Girls in Deutschland. Der Red Bull BC One Cypher Germany ist der wichtigste deutsche Solo-Wettkampf für Breaker – diesmal in Berlin. © Red Bull BC One Cypher Germany

Dresden. Endlich ein paar Tage abschalten, draußen sein, Bergluft genießen – Urlaub mit der Familie in Kaprun, einem bekannten Skigebiet in Österreich. Das Snowboard ließ Joanna Mintcheva aber diesmal schweren Herzens zu Hause. Zu groß ist das Risiko, sich zu verletzen. Ein Ausfall käme zur Unzeit.

„Ein Tanzpartner hatte sich erst kürzlich beim Snowboardfahren verletzt und fällt länger aus. Davor habe ich ein bisschen Angst“, gibt Mintcheva zu. Zu gut ist die derzeitige Form der Dresdnerin, zu viel vor hat sie in den nächsten Monaten mit dem Tanzen. Die Aussicht, es in diesem Jahr in den Bundeskader für Breakdance zu schaffen, ist so gut wie nie zuvor. Und das wäre der nächste Schritt, dem großen Traum von Olympia näherzukommen.

Vielleicht sogar schon bei der Premiere 2024. Breakdance ist der einzige Neuzugang für die Sommerspiele in Paris, als erster Tanzsport überhaupt. Die Tänzer selbst nennen ihren Sport anders, sie sprechen immer von Breaking. Darin sind sich alle einig. Kontrovers diskutiert wird innerhalb der Szene allerdings, ob die olympische Bewegung der richtige Weg ist: künstlerischer Ausdruck durch Tanz versus Hochleistungssport.

Künstlerin, der wie eine Athletin trainiert

Für Joanna Mintcheva schließt sich das nicht aus. Eine Künstlerin, der wie eine Athletin trainiert. Sie sucht den Wettkampf, das Battle, wie es offiziell heißt. Beim wichtigsten Solo-Duell, dem Red Bull BC One Cypher, hat die 22-Jährige in Berlin nun ihren größten Erfolg gefeiert. Zum ersten Mal schaffte sie es unter die Top Acht, gehört damit zu den besten B-Girls, so heißen die Tänzerinnen, des Landes. „Ich bin relativ entspannt rangegangen, insgeheim war es mein Ziel, unter die besten Acht zu kommen“, sagt Mintcheva.

Mitten in den Prüfungsstress für ihren Master-Abschluss in Psychologie fiel das populärste deutsche Event, das im vorigen Jahr in Dresden stattfand. In den Pausen suchte sie sich eine ruhige Ecke zum Lernen, also sie versuchte es zumindest. Denn im ausverkauften Kühlhaus in Berlin fieberten über 800 Zuschauer mit.

Breaking steht immer mehr im Scheinwerferlicht. Und mit dem Aufstieg zu Olympia steigt noch einmal die Popularität des Tanzes, der seinen Ursprung in den 1970er-Jahren in den Straßen der Bronx hat.

Nächster Vorausscheid findet in Dresden statt

Obwohl das Event des österreichischen Getränkeherstellers als inoffizielle deutsche Meisterschaft gilt und auch der Bundestrainer vor Ort war, hat das Ergebnis keinen Einfluss auf die Nominierung als Bundeskader. Dafür müssen sich die Tänzer durch sieben Vorausscheide kämpfen, drei sind bereits geschafft.

Joanna Mintcheva liegt im Ranking auf Platz fünf, die ersten Acht schaffen es in den Kader. „Aber da kann noch so viel passieren, deshalb möchte ich den Mund nicht zu voll nehmen“. Beim letzten Battle erst vor einer Woche vor einer Woche in Köln lief es für die Tänzerin alles andere als gut, sie schied bereits in der Vorrunde aus.

Der nächste Vorausscheid findet in ihrer Heimatstadt am 8. April statt – und wird auch von dem B-Girl, Freund Rossi und den Mitstreitern vom Radebeuler Kulturverein „84 Til“ organisiert. Das Wochenende im Festspielhaus Hellerau ist als Festival unter anderem mit einer internationalen Tanz-Crew geplant, die zeigt, dass man auch mit Behinderungen beim Breaken die Schwerkraft scheinbar außer Kraft setzen kann. Außerdem arbeiten sie an einer Fotoausstellung und einem Kinder-Battle.

Als einzige Frau bei der Tanzcrew "The Saxonz"

Zumindest die Doppelbelastung mit Studium fällt erstmal weg, die letzte von den fünf Abschlussprüfungen ist geschafft. „Das war eine Hausnummer. Ich bin jetzt super erleichtert“, sagt die Studentin. In den beiden mündlichen Prüfungen hat sie jeweils mit einer Eins abgeschlossen, die Ergebnisse der schriftlichen stehen noch aus. Demnächst sucht sie nach einem passenden Thema für die Masterarbeit.

Mehr Raum soll jetzt aber wieder das Tanzen einnehmen. Mit den „Saxonz“ wird Mintcheva beim „Battle of the year“ in Hannover teilnehmen. Als einzige Frau gehört sie zu Sachsens bekanntester Breakdance-Gruppe, die europaweit unterwegs ist und schon von einem Kamerateam 2021 über ein Jahr begleitet wurde – herausgekommen war damals eine intensive dreiteilige „37°“-Reportage fürs ZDF.

In den nächsten Wochen studiert sie mit der Crew aus Dresden, Leipzig und Chemnitz eine neue sechsminütige Show sogar mit Liveband ein. Schon dreimal gewannen die „Saxonz“ den Titel „Battle of the year“, also die inoffizielle deutsche Meisterschaft für Formationen.