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Olympiastützpunkt kündigt Chemnitzer Turn-Trainerin

Fünf Monate nach den Vorwürfen gibt es eine Entscheidung. Aber ihr Verein will Gabriele Frehse ehrenamtlich beschäftigen - und sie zieht vor Gericht.

Von Sven Geisler
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Gabriele Frehse wehrt sich erneut gegen die Vorwürfe, die einige ihrer früheren Turnerinnen gegen sie erheben.
Gabriele Frehse wehrt sich erneut gegen die Vorwürfe, die einige ihrer früheren Turnerinnen gegen sie erheben. © kairospress

Chemnitz. Nun also doch. Seit Ende November 2020 war die Chemnitzer Turn-Trainerin Gabriele Frehse freigestellt, nachdem insgesamt 14 ihrer ehemaligen Schützlinge um Ex-Balken-Weltmeisterin Pauline Schäfer über das Nachrichtenmagazin Der Spiegel schwere Vorwürfe gegen Frehse erhoben hatten. Nun hat ihr der Olympiastützpunkt Sachsen gekündigt.

"Das Arbeitsverhältnis zwischen dem OSP Sachsen und der Trainerin Gabriele Frehse wurde beendet", heißt es auf Anfrage von Sächsische.de. Frehse verwies ihrerseits auf ein schwebendes Verfahren und wollte sich zur neuen Situation nicht äußern.

Die 60 Jahre alte Trainerin war zunächst von ihren Aufgaben entbunden worden. In einer Untersuchung kam eine vom Deutschen Turner-Bund (DTB) beauftragte Anwaltskanzlei in Frankfurt am Main zu dem Ergebnis, es gebe "in 17 Fällen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Anwendung psychischer Gewalt durch die Trainerin". Darüber hinaus sei es in mehreren Fällen zur Abgabe von Schmerzmitteln durch sie an Turnerinnen gekommen, in einem Fall sei das Opioid Tilidin zur Einnahme vor Wettkämpfen abgegeben worden.

Dazu ist seit Dezember 2020 ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz anhängig, die gegen Frehse und einen Arzt unter anderem wegen des Verdachts der Körperverletzung ermittelt. Die Übungsleiterin hatte die Anschuldigungen im Kern zurückgewiesen und sich unter anderem im Interview mit Sächsische.de bereits Anfang Dezember 2020 dagegen verwahrt, inzwischen geht sie nach eigener Aussage "gegen eine Reihe der ehemaligen Turnerinnen gerichtlich vor, weil sie gegenüber dem Spiegel Unwahrheiten verbreitet haben".

"Eigentlich sollte sie nicht turnen ..."

Das erklärt Frehse in einem Gespräch mit dem Internetportal gymmedia.de, in dem sie noch mal ausführlich Stellung nimmt. Darin schildert sie unter anderem, wie die Abgabe des Schmerzmittels Tilidin an Helene Schäfer, Schwester von Pauline Schäfer, aus ihrer Sicht gelaufen ist. "Ich habe Helene dieses Tilidin gegeben, das ist richtig", erklärt sie, aber: "Ich habe den Arzt gefragt."

Demnach wollte die damals 15 Jahre alte Sportlerin, die ihrer Schwester an den Bundesstützpunkt nach Chemnitz gefolgt war, unbedingt einen internationalen Wettkampf turnen. "Sie hatte schon lange diese Hüftschmerzen", berichtet Frehse jetzt - und sie erklärt: "Eigentlich hatte ich gesagt, sie soll nicht turnen, aber sie wollte unbedingt."

Das hatte die jüngere Schäfer-Schwester auch dem Spiegel gesagt. "Ich fand das okay, denn das muss ich zugeben: Ich wollte ja auch unbedingt turnen", wird sie in dem Bericht vom 28. November 2020 in Bezug auf die Einnahme der Schmerzmittel zitiert.

Ein Bild aus erfolgreichen gemeinsamen Tagen: die Turnerinnen Sophie Scheder (l.) mit ihrer bei Olympia 2016 gewonnenen Bronzemedaille und Pauline Schäfer (r.) mit ihrer Trainerin Gabriele Frehse.
Ein Bild aus erfolgreichen gemeinsamen Tagen: die Turnerinnen Sophie Scheder (l.) mit ihrer bei Olympia 2016 gewonnenen Bronzemedaille und Pauline Schäfer (r.) mit ihrer Trainerin Gabriele Frehse. © Toni Söll

Die üblichen Schmerzmittel hatten Helene Schäfer keine entscheidende Besserung gebracht, sodass die Trainerin den Arzt nach Tilidin fragte. Der habe zugestimmt, dass Schäfer eine Tablette vor dem Wettkampf nehmen dürfe. Dem Spiegel-Bericht zufolge äußerte Schäfer, sie habe einige lose Blister bekommen und ihr sei aufgetragen worden, am Vortag des Wettkampfs und am Tag selbst zwei davon zu nehmen. "Das ist eine Lüge", erwidert Frehse nun in dem Interview.

Zudem war dieser Fall bereits 2019 durch den Olympiastützpunkt gemeinsam mit dem DTB untersucht worden. Frehse erhielt eine Abmahnung wegen des "leichtfertigen Umgangs bei der Verabreichung von Medikamenten gegenüber Minderjährigen", wie es im Protokoll festgehalten wurde. Arbeitsrechtlich ist dieses vermeintliche Fehlverhalten bereits sanktioniert worden. Allerdings rechtfertigen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eine Verdachtskündigung, die nun offenbar ausgesprochen worden ist.

Das Verfahren sieht Frehse als Chance, wie sie bei gymmedia.de sagt: "Auch darüber bin ich froh, weil ich zuversichtlich bin, dass nach Abschluss all dieser Dinge für jedermann klar sein wird, dass ich mir nichts habe zu Schulden kommen lassen."

Verein will Trainerin ehrenamtlich arbeiten lassen

Frank Munzer ist davon nach wie vor überzeugt. Der Präsident des TuS Chemnitz-Altendorf, für den Frehse die Turnerinnen betreut, will die Trainerin deshalb ehrenamtlich wieder arbeiten lassen. "Ich stehe dazu, weil mir einfach die Mädels wichtig sind. Es geht darum, für sie schnellstmöglich eine Lösung zu finden. Wir versuchen, gemeinsam mit Frau Frehse gegen die Kündigung vorzugehen, die in unseren Augen durch nichts gerechtfertigt ist", sagt Munzer auf Nachfrage.

Die 24 aktiven Turnerinnen und deren Eltern hatten sich mehrfach für eine Rückkehr der Trainerin ausgesprochen und den DTB aufgefordert, bei der Untersuchung auch ihre Stimmen zu berücksichtigen. Sophie Scheder, 2016 Olympia-Dritte am Stufenbarren, hatte im Gespräch mit Sächsische.de erklärt, dass sie zwar angehört, aber nicht verstanden worden sei. "Ich hatte das Gefühl, mir wird nicht geglaubt. Deswegen weiß ich nicht, ob bei dieser Untersuchung wirklich beide Seiten einbezogen werden sollen oder ob es nur darum geht, die Vorwürfe gegen Gabi zu bestätigen", sagte die 24-Jährige, die nach einer Verletzung weiter um die Qualifikation für Olympia in Tokio kämpft.

Ob sie Frehse dabei unterstützen kann und darf, ist derzeit offen. Der DTB hatte die Zusammenarbeit mit ihr nach dem Untersuchungsbericht beendet und vom Olympiastützpunkt "die vollständige Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gefordert. Dieser ist dem nun nachgekommen. Warum der Arbeitgeber die Situation nach nun gut fünf Monaten offenbar anders bewertet und ob dieser Entscheidung möglicherweise neue Erkenntnisse zugrunde liegen, ist nicht bekannt. "Wir bitten um Verständnis, dass wir zu diesem sensiblen Vorgang keine weiteren Details veröffentlichen", teilte Thomas Weise, der Leiter des OSP, dazu mit.