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Staatsanwältin spielt Staatsanwältin

Andrea Rehde-Bulang tauscht in Bautzen den Gerichtssaal mit der Bühne. Die ist ihr aber auch schon vertraut.

Von Miriam Schönbach
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Staatsanwältin Andrea Rehde-Bulang schlüpft für die Bautzener Inszenierung des Stücks „Terror“ in die Rolle der Anklägerin. Normalerweise arbeitet die Juristin bei der Staatsanwaltschaft Görlitz. Zu erleben ist sie in dem Gerichtsdrama im Bautzener Schwur
Staatsanwältin Andrea Rehde-Bulang schlüpft für die Bautzener Inszenierung des Stücks „Terror“ in die Rolle der Anklägerin. Normalerweise arbeitet die Juristin bei der Staatsanwaltschaft Görlitz. Zu erleben ist sie in dem Gerichtsdrama im Bautzener Schwur © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Das 15-minütige Abschlussplädoyer im Monolog ist wohl nur eine von vielen Herausforderungen für Andrea Rehde-Bulang. „Einen roten Faden haben wir für unseren Schlussvortrag vor Gericht auch. Aber da sprechen wir frei – und die Schauspielkollegen warten nicht auf ihre Stichwörter“, sagt die Staatsanwältin. Für die Bautzener Inszenierung des Gerichtsdramas „Terror“ übernimmt die 37-jährige Juristin kurzfristig die Rolle der Anklägerin gegen den Kampfpiloten Lars Koch. Im Stück schießt jener gegen den Befehl seines Vorgesetzten ein Flugzeug mit 164 Passagieren ab. Die von Terroristen gekidnappte Maschine wäre ansonsten in eine Fußballarena mit 70 000 Menschen gerast.

Hinter Andrea Rehde-Bulang liegt nach ihrer abendlichen Probe mit Regisseur Stefan Wolfram bereits ein langer Arbeitstag bei der Staatsanwaltschaft Görlitz. Um die 30 Fälle gehen täglich durch die Hand der Bautzenerin. An der Spree kennen sie viele noch von der Theaterbühne. Als Elevin im sorbischen Schauspielstudio ging die Sorbin im Jahr 2000 ihre ersten schauspielerischen Schritte. Dazu kam eine Ausbildung an der Theaterakademie im tschechischen Brno. Vier Jahre hielt sie dem Theater die Treue. Dann entschied sie sich, nochmals einen ganz neuen Weg zu gehen, und begann in Berlin das Jura-Studium. „Jura hat mehr mit Theater zu tun, als man sich vorstellen kann. Das sind Geschichten, die das Leben schreibt“, sagt die Staatsanwältin.

Authentische Verhandlung

Ihrem Bautzener Theaterhaus hält Andrea Rehde-Bulang in der ersten Zeit vor allem als Gast bei sorbischen Inszenierungen die Treue. Das berufliche Gewicht legt sie aber auf Rechtsgeschichte und Philosophie, Öffentliches Recht, Zivilrecht wie Strafrecht. „Fragen wie: Darf man Leben gegen Leben aufheben? oder Was ist die Würde des Menschen?, die im Mittelpunkt des Schirach-Stücks stehen, waren für uns ganz gängige Klausurthemen im ersten Semester Strafrecht“, sagt die Rechtswissenschaftlerin. Übrigens holte sich der Regisseur des Stücks die Fachfrau bereits in der Inszenierungsphase ins Boot.

Schließlich soll für die Zuschauer die Gerichtsverhandlung besonders authentisch herüberkommen. Dabei hilft sicher auch, dass die Vorstellungen im Schwurgerichtssaal des Bautzener Gerichtsgebäudes zu sehen sind – und das Publikum am Ende als Schöffen im Namen des Volkes Recht sprechen muss. Die Erfahrung der vergangenen Aufführungen zeigt, dass die eine Hälfte den Piloten schuldig und die andere Hälfte ihn freispricht. Für Andrea Rehde-Bulang ist dagegen aus juristischer Sicht das Urteil klar: „Der Pilot ist schuldig. Er hat eine Ein-Mann-Entscheidung getroffen. Für solche Fälle gibt es Vorsorgepläne, Regelungen, die genau durchgespielt werden“, sagt sie. Bei Schuld oder Unschuld geht es eben nicht um Emotionen, sondern um ganz nüchterne Fakten.

Bei ihrem erneuten Ausflug ins Schauspiel als Schwangerschaftsvertretung für eine Kollegin wird Andrea Rehde-Bulang übrigens zum ersten Mal im Bautzener Schwurgerichtssaal verhandeln. Und auf der Anklagebank sitzt ihr mit Schauspieler Marian Bulang auch noch der eigene Ehemann gegenüber. „Wir haben schon verliebt, verlobt, verheiratet und geschieden gespielt“, sagt die Juristin lachend. Unter anderem konnte man die beiden in den Stücken „Wie im Himmel“, „Unsere kleine Stadt“ oder „Im Schatten der Kerze“ gemeinsam auf der Bühne erleben. Allerdings sollen die Auftritte als Staatsanwältin in der „Terror“-Inszenierung die Ausnahme bleiben.

Die Akten warten

Denn die Juristin liebt ihre Arbeit in der Staatsanwaltschaft ganz ohne roten Vorhang. „So aufregend wie im Fernsehen ist es vielleicht nicht. Aber wir als Staatsanwälte sind vom Ermittlungsverfahren über die Anklage bis zum Prozess überall dabei. Es geht immer um Menschen – und Geschichten, die zu Ende erzählt werden“, sagt die Schauspielerin auf Zeit. Dann verabschiedet sie sich. Schließlich warten am nächsten Tag neben den abendlichen Proben wieder zahlreiche Akten auf die Juristin. Und auf dem Weg nach Görlitz wird sie im Zug auch nochmal die Nase ins Textbuch stecken. Damit die Stichwörter für die Kollegen bei ihrem ersten Auftritt am heutigen Donnerstag auch alle sitzen.

Für die Vorstellung am 10. Januar gibt es nur noch wenige Restkarten, weitere Termine: 12. März, 4. April, 2. Mai, jeweils 19.30 Uhr im Gerichtsgebäude Lessingstraße 7 in Bautzen.

Karten im Internet oder unter oder Kartentelefon 03591 584 225.