Von Katja Schäfer
Kirschau. Von der Großstadt in die Provinz. Für Philipp Liebisch hat sich dieser Wechsel gelohnt. Knapp ein Jahr, nachdem er Berlin verlassen hat, um im Hotel „Bei Schumann“ in Kirschau als Küchenchef anzufangen, ziert ein Michelin-Stern seine Kochjacke. Anfang Dezember hat der renommierte Restaurant-Führer Guide Michelin das Restaurant „Juwel“ mit einem Stern ausgezeichnet. Von den sieben Sterne-Häusern in Sachsen ist es das Erste, das sich nicht in einer Großstadt befindet.
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„Wo das Hotel liegt, spielt für mich keine Rolle. Es zählt die Perspektive, die ich hier habe, und dass ich mich wohlfühle“, sagt der 35-Jährige mit dem rötlich-blonden Haar, das auf dem Kopf kürzer ist als im gepflegten Drei-Tage-Bart. Von Provinz will er nichts hören. „Wir haben im Haus unseren eigenen Mikrokosmos. Alles, was hier passiert, ist sehr weltstädtisch“, unterstreicht Philipp Liebisch. Zum Beispiel bezieht er viele der Waren, die in der Küche verarbeitet werden, aus großen Städten. Zwar arbeitet er auch mit regionalen Erzeugern zusammen, kauft zum Beispiel Eier, Honig und Käse in der Oberlausitz. Aber einiges, was im Gourmet-Restaurant auf den Tisch kommt, gibt es hier nicht oder nicht in der von ihm verlangten Qualität, erklärt Liebisch, der vorm Stern schon etliche andere Auszeichnungen erhalten hat.
Der Stern zieht merklich
Aus großen Städten kommen auch viele der Gäste. Und es werden immer mehr. Der Michelin-Stern zieht merklich. Am 1. Dezember wurde er verliehen, seit dem 2. Dezember war das Restaurant, das neun Tische hat, nahezu jeden Abend voll, berichtet der Küchenchef. Eine Speisekarte gibt es nicht. Serviert wird ein Acht-Gang-Menü zum Preis von 145 Euro, das auf sechs oder vier Gänge reduziert werden kann. Es wechselt von Saison zu Saison. Der erste Gang besteht derzeit zum Beispiel aus Aal, Hokkaido-Kürbis und Cashewkern, der sechste aus Milchlamm, Essig-Zwetschge und jungem Knoblauch. „Bei uns gilt die Drei-Aromen-Philosophie. Jedes Gericht hat drei grundlegende Rohstoffe und danach schmeckt es auch“, beschreibt Philipp Liebisch seinen Stil. „Ein Lieblingsgericht hat er nicht. Weder beim Kochen, noch beim Essen. „Ich mag’s authentisch“, sagt der Mann, der in Berlin aufgewachsen ist und seit dem Frühjahr in Kirschau wohnt, und erklärt. Ein Schmorbraten im Dorfgasthof könne ihn genauso begeistern, wie das Menü eines anderen Kochs aus der Gourmet-Szene, erklärt er.
Nicht nur Kochen gehört zur Arbeit
„Ich gehe oft essen, reise viel, schlafe häufig in Hotels“, berichtet Liebisch. Ansonsten gibt es bei ihm derzeit nicht viele Freizeitaktivitäten. Zwar ist der große kräftige Mann begeistert vom Boxen, doch seit dem Wechsel nach Kirschau noch nicht zum Trainieren gekommen. Einerseits, weil die Angebote in der Region nicht zu seinen Arbeitszeiten passen. Andererseits hat der Koch in seinem ersten Jahr im Hotel „Bei Schumann“ sehr viel Zeit und Kraft in seine Arbeit gesteckt. Aber das stört ihn nicht. „Der Beruf füllt mich so sehr aus, dass ich große Freude daran habe, meine ganze Energie zu investieren“, sagt er. Das Kochen sei nur ein Teil davon, erklärt der Küchenchef. Planung, Mitarbeiterführung und vieles mehr gehören dazu. „Es ist einfach ein geiler Job und ich würde im Leben nicht tauschen wollen“, sagt Philipp Liebisch, dem auch der enge Kontakt zu den Kunden gefällt. „Ich begrüße jeden Gourmet-Gast persönlich. Und wenn wir in der Küche durch sind, ziehe ich eine frische Kochjacke an und gehe raus ins Restaurant“, berichtet er und betont: „Wir wollen die Leute nicht nur fachlich begeistern, sondern auch menschlich.“
Er selbst ist völlig begeistert von seinem Wechsel nach Kirschau und denkt nicht daran, weiterzuziehen. „Ich fühle mich hier so wohl, wie es nur irgend geht. Da möchte ich keine Gedanken daran verschwenden, ob mal was anderes kommen könnte“, sagt Philipp Liebisch und wird philosophisch: „Welchen Grund gibt es, in die Ferne zu schauen, wenn das Schöne so nah ist.“