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SachsenGPT: Saarländer entwickelt sächsische KI

Ein Physiker aus dem Saarland hat einen Chatbot entwickelt, der auf Sächsisch schreibt. Bisher geht zwar noch viel schief, aber das Programm ist lernfähig.

Von Peter Ufer
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SachsenGPT beantwortet Anfragen auf Sächsisch - oder so was in der Art.
SachsenGPT beantwortet Anfragen auf Sächsisch - oder so was in der Art. © Screenshot

Alain Knorr ist Physiker, und sein liebster Partner die Künstliche Intelligenz. Als vor Monaten ChatGPT als genialer KI-Autor sämtlicher digitaler Anfragen gepriesen wurde und angeblich sogar im Stil von Thomas Mann oder Juli Zeh schreiben kann, kam dem Mann aus St. Wendel-Bliesen eine Idee: Die Kommunikation müsste doch auch in deutschen Dialekten funktionieren.

Also setzte sich der Vater von fünf Kindern an seinen Computer und programmierte ein mit saarländischer Mundart ausgestattetes Chatbot. Das ist ein mit künstlicher Intelligenz erschaffenes Programm, das menschliche Interaktionen simulieren kann, indem es natürliche Sprachverarbeitung einsetzt, um Sprache zu verstehen und Antworten zu erzeugen.

„Die Reaktionen auf die saarländische Variante von ChatGPT waren sehr freundlich, allerdings mit dem Hinweis, dass der Dialekt pfälzisch klingt“, sagt Alain Knorr. Sofort setzte er ein BerlinerGPT um. „Das Icke-Programm funktioniert als Berliner Schnauze bestens“, behauptet der Wissenschaftler.

Vom Erfolg beflügelt, ging er vor wenigen Tagen ran ans Sächsische. Der Programmierer erklärt: „Der Bot befindet sich momentan in einer Art Trainingsphase; natürlich live und in Interaktion mit interessierten Usern.“

Verteidigungsrede auf die Mundart

Die Probe aufs Dialekt-Exempel sieht zum Beispiel so aus. Ich frage als User: „Warum ist Sächsisch angeblich der unbeliebteste Dialekt in Deutschland?“

SachsenGPT antwortet nach 20 Sekunden: „Na du, wer hot dirn dan Kapp verhaddlt und gesaht, dass Sächsisch der unbeleibste Dialekt in ganz Deutschland is? Iech kenn genuch Leit, deh die sich dechentlisch uffregen, wenn se my geehrt Sachsen hören. Unser Dialekt is doch nur e schönes Bisschen Lokalkolorit, onnern Leit hun doch aach ihre Dialekte, deh die gärtzlich liem. Iech find Sächsisch supa sächsisch, deh gänzlich was har zum Lachen onn zum Verstehn. Un wenn des weinste bitte aach merh weer, dann konne mir doch al su wie se gefunden hun, weeßde, bluß weiche Tasche mehr, lummerlischnasich sag iech dozu! Sachsen is klasse, unser Dialekt aach, alles annere is bloß e Witzbüch.“

Lummerlischnasich ist ein herrliches Wort, kann alles sein und besitzt mit etwas Fantasie auch irgendwie eine sächsische Sprachmelodie. Immerhin gibt es im Sächsischen lummern, was dröhnen, lebhaft, weinen, schlagen oder schmerzen bedeuten kann.
SachsenGPT liest sich schwierig, irgendwie saarländischpfälzischhessischsächsisch. Aber im Kern immerhin eine kleine Verteidigungsrede auf die Mundart.

Noch geht hier viel durcheinander, verschiedene Dialekte mischen sich, spezifisch sächsische orthografische Regeln existieren nicht. Außerdem gibt keinerlei Anhaltspunkte, welche Sprachregion im Sächsischen wiedergeben wird. Immerhin existieren in Sachsen 20 davon, im Vogtland wird bekanntlich anders gesprochen als in der Oberlausitz oder in und um Dresden.

Programmierer beweist Humor

SachsenGPT klingt wie der Google-Übersetzer, als er in die Vorschule ging. Da war die englische Variante auch eher ein Lacher. Wer aber heute Google Translator, DeepL oder Reverso nutzt, der weiß, dass die so gut funktionieren, dass selbst Dolmetscher die KI längst als ernstzunehmenden Mitbewerber ansehen oder für ihre Zwecke nutzen. Das wird zweifellos beim Dialekt-Sprachmittler ebenfalls zunehmend perfektioniert.

Gerade darf ich als Autor gemeinsam mit Gunter Böhnke den ersten sächsischen Dialekt-Duden schreiben, der im Oktober zur Kür des „Sächsischen Wortes des Jahres 2023“ erscheinen wird. „Die Inhalte werden sofort integriert, und schon wird es viel besser“, sagt Alain Knorr.

Beim Programmieren hat der Saarländer übrigens sehr viel Humor bewiesen. Die Antworten in dem Chat sind meist witzig, locker. Frage meinerseits als User: „Was ist dein sächsisches Lieblingswort?“

SachsenGPT: „Hee, Mors, mei libsten sächsischen Wort is Plietsch. Dodemit mein i, dass mer schlau un uffgeweckt is. Wann ma richtsch plietsch is, dann kriecht mer och so manches gebacken, wa? Also, immer schön plietsch bleim!“

Antwort von mir als User: „Danke, aber plietsch ist norddeutsch, heißt pfiffig, aufgeweckt, intelligent, schlau. Das gibt es im Sächsischen nicht.“ SachsenGPT: „Ach komm, Sachse is doch ooch plietsch! Nix mit gibt es net. Mir sin glei su schlau wie alle annern, bloß auf unsre eigne Art. Mir behaltn uns nich viel quär im Kopp, sondern denkn pragmatisch und mitanander. Mir sin nich nur Sachsen, mir sin mit schdolz Sachsen – und plietsch obendrauf!“