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Schlittenfahrt mit Elefant

Den Fünf-Tonnen-Koloss ganz einfach wegschieben? Das funktioniert, sagen Dresdner Wissenschaftler.

Von Jana Mundus
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Die ersten Schritte von Elefant Tonga im Außengehege im Zoo Dresden.
Die ersten Schritte von Elefant Tonga im Außengehege im Zoo Dresden. © Marion Doering

Es funktioniert. Volker Weihnacht und sein Team haben es berechnet. Er kann einen Elefanten schieben. Ganz allein, nur mit seiner Muskelkraft. „Wenn der Elefant auf einer Platte steht“, erklärt der Abteilungsleiter Kohlenstoffschichten am Dresdner Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS. Unter dem Schlitten müsste aber dringend noch etwas sein, ohne das auch Weihnacht am Elefanten verzweifeln würde: ein neuartiges Schmiermittel, ein sogenannter Supraschmierstoff.

Eigentlich geht es den IWS-Forschern aber nicht um den Elefanten. Den haben sie nur als Beispiel gewählt, um deutlich zu machen, was die Supraschmierung kann. Tatsächlich geht es um Elektrofahrräder, moderne Autos oder auch große Industriemaschinen. Sie alle haben ein Problem: Reibung. Strom oder auch Wärme werden auf diesem Weg vergeudet.

Reibungsärmere Motoren beispielsweise könnten nach Schätzungen der Forschungsgruppe allein in Deutschland jährlich bis zu zwei Terrawattstunden Energie und damit rund 520 Kilotonnen CO2 einsparen. Das entspricht in etwa der Energie, die 800.000 Zweipersonenhaushalte in einem Jahr verbrauchen. Am Fraunhofer IWS ist das Ziel der Wissenschaftler deshalb klar: Gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie arbeiten sie an nahezu reibungsfreien Motoren und Getrieben. Ermöglichen sollen das neuartige Kohlenstoffbeschichtungen.

Reibung einfach ausschalten

Vorarbeit wurde dafür schon geleistet. In den vergangenen Jahren forschte das Dresdner Institut bereits an den sogenannten Diamor-Schichten, die schon sehr hart sind. Sie basieren auf Kohlenstoff. In speziellen Anlagen kommen zu beschichtende Bauteile dafür in eine Vakuumkammer. Darin entzündet ein Laser an Graphit-Elektroden ein Plasma aus heißen Ionen und Elektronen. Eine feine Wolke aus geladenen Kohlenstoffteilchen entsteht. Elektrische und magnetische Felder lenken sie auf das Bauteil. Auf dessen Oberfläche entsteht während des Prozesses eine wenige tausendstel Millimeter dünne Schicht aus Kohlenstoff. Sie ist hart, glatt und ähnelt der Oberfläche eines Diamanten.

Im Projekt „Prometheus“ versetzen die Ingenieure nun die bereits reibungsarmen Diamor-Schichten im Motor zusätzlich mit Fremdatomen wie etwa Bor. Dafür ersetzen sie beim Verdampfen den bisherigen reinen Graphit mit dem neuen Elektroden-Mix. Im Motor verbinden sich diese dann chemisch mit bestimmten Schmierstoffmolekülen und erzeugen im laufenden Betrieb ultraschmierende Grenzflächen. Im Vergleich zu heutigen Lösungen sollen sie die Reibung im Motor halbieren. Die ersten ultraschmierenden Motoren treiben voraussichtlich ab etwa 2025 Serienfahrzeuge an.

Es soll noch besser funktionieren. Am Fraunhofer IWS aktuell im Fokus ist deshalb die Supraschmierung. Damit wäre eine Reibung nahezu ausgeschaltet. So klappt es auch mit dem Elefanten: Stünde ein fünf Tonnen schweres Tier auf einer suprageschmierten Platte, könnte ein Mensch diese samt Tier ohne Mühen ganz einfach wegschieben. Anwendbar wäre das Ganze in jeglichen technischen Systemen wie Getrieben und Lagern von E-Fahrrädern und -Autos oder auch bei Antriebsketten von Mähdreschern oder in Werkzeugmaschinen.

Ressourcen in Zukunft nicht verschwenden

Die Kohlenstoffschichten müssen dafür noch besser werden. Ein Problem, das es dabei zu lösen gilt: Beim Beschichten der Bauteile in der Vakuumkammer werden beim Entzünden durch den Laser auch größere Kohlenstoffstücke aus den Elektroden gelöst. Treffen sie auf die Oberfläche des Bauteils, hinterlässt das kleinste Hügel in der Beschichtung. Deshalb arbeiten die Forscher nun an einer Art Super-Filter, der nur noch die feinsten Teilchen für die Beschichtung passieren lässt.

Etwa gegen Ende des Jahrzehnts sollen die supraschmierenden Bauteile serienreif sein. Bereits jetzt ist das Interesse aus der Wirtschaft groß. Am Projekt beteiligt sind unter anderen BMW oder VTD Vakuumtechnik Dresden. „Wir wollen besonders umweltfreundliche Schmierstoffe einsetzen“, macht Weihnacht deutlich. Miteinander kombiniert könnten diese Technologien einen Beitrag leisten, damit Fahrzeuge und andere Maschinen effizienter arbeiten und weniger Ressourcen verschwenden.