Pirna: Wie man ein Dampfschiff renoviert

Wer ihn im weißen Hemd kennt, die vier goldenen Tressen auf der Schulter, der muss zweimal hinsehen, um in der staubigen Arbeitsmontur Daniel Frenzel auszumachen, den Kapitän des Schaufelraddampfers "Pirna". Schiffsführer ist er immer noch. Nur dass sein Schiff jetzt eine Baustelle ist. Zeit für die Pflicht. Die Kür kommt im Sommer. "Dann machen wir wieder auf Schönheit."

Schauplatz der Pflichtveranstaltung ist die Schiffswerft Dresden-Laubegast. Jeden Herbst werden hier Raddampfer der Sächsischen Dampfschifffahrt mit Wagen und Seilen an Land gezogen, um sie schön und fit für die kommende Saison zu machen. Reparatur und Wartung der Weißen Flotte kosten jährlich etwa eine halbe Million Euro.
Rathen, Sebnitz und Leipzig sind auch schon da
Diesmal ist die "Pirna" dran. Das fast sechzig Meter lange Patenschiff der Landkreishauptstadt sieht die Elbe seit November nur von ferne, hochgebockt auf der Schräge der Slipanlage. Es steht in guter Gesellschaft. Oberhalb parkt das Schwesterschiff, die "Kurort Rathen", unterhalb die Fähre "Sebnitz", und noch weiter unten die "Leipzig", das größte, das Flaggschiff der Flotte.

Als die "Leipzig" 1929 gebaut wurde, hatte auch sie "Pirna" heißen sollen. Aber es kam anders. So konnte die gut dreißig Jahre ältere "Pirna" ihren Namen behalten. Seit 2011 ist das Schiff der Dienstort von Daniel Frenzel. Er findet das praktisch. Zum Liegeplatz der "Pirna" in Pirna hat es der 49-jährige Radeberger nicht weit. Da ist es mit der Anfahrt zur Laubegaster Werft schon komplizierter. "Aber es muss ja gemacht werden", sagt er.
Nach der Winterpause: Reisefieber steigt wieder
Das Schiff ist für Daniel Frenzel nicht bloß ein Arbeitsplatz. Das Schiff, sagt er, ist eine Lebensaufgabe. Das merkt man vor allem hier, auf der Werft. Man kann schleifen, hämmern, putzen und pinseln wie man will: "Man ist niemals fertig." Frenzel schätzt, dass er inzwischen jedes Bauteil dieses Fahrzeugs einmal in der Hand hatte. "Das Schiff gehört zur Familie."

Und die Crew kümmert sich um ihr Familienmitglied. Sind die Urlaubstage genommen, die Überstunden abgefeiert, sind Daniel Frenzel und seine Männer zur Stelle, um die fälligen Reparaturen auszuführen. Nach der Winterpause freuen sich alle, dass es wieder ans Schiff geht. Das "Reisefieber", sagt der Kapitän, liegt schon wieder in der Luft.
Mit Ultraschall die Bordwand durchgecheckt
Dass die Pirna fürs Renovieren an Land geht, hat vor allem zwei Gründe. Der erste: Die Stärke der Bordwand unterhalb der Wasserlinie muss gemessen werden. Dafür wird die Farbe an verschiedenen Punkten bis aufs blanke Blech entfernt und die Dicke per Ultraschall bestimmt. 4,1 Millimeter sind das Mindeste.

Grund zwei: Der gesamte Schiffsrumpf bis rauf zum Hauptdeck wird neu angestrichen. Wichtig ist vor allem die Erneuerung der sonst unter Wasser liegenden Farbschicht, die man Antifouling nennt. Der rostrote Lack verhindert die Ansiedlung von Algen und Muscheln am Schiffskörper, löst sich dabei allerdings selbst auf.
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Die Blechstärketests an der Pirna sind schon abgeschlossen. Das belegen die golfballgroßen, provisorisch überlackierten Flecken, die sich um den Rumpf herum ziehen. Jetzt hofft die Crew auf trockenes Wetter zum Streichen der Bordwände. Knappe zwei Wochen wird das dauern, schätzt Daniel Frenzel. "Wenn alles normal läuft."

Heute ist wieder mal Regen. Also wird an Bord gewerkelt. Vom Hochglanz des Sommers ist das Innenleben der Pirna jetzt weit entfernt. Zum Schutz der Planken läuft man auf Matten und ausgedienten Werbebannern. Überall liegen Werkzeuge herum, stehen Klappen und Türen offen. Die Personaltoilette ist völlig entkernt. Das Bodenblech war durchgerostet.
Rostschäden: Stunde der Wahrheit schlägt
Das Wasser, das die Pirna trägt, ist zugleich ihr größter Feind. Bei Wolkenbruch oder Wellenschlag läuft es irgendwo rein und kommt nicht wieder raus. Es folgt der Rost. "Während der Saison kann man da nichts machen", sagt Daniel Frenzel. Auf der Werft schlägt dann die Stunde der Wahrheit. Diesmal sei die "Pirna" relativ gut weggekommen, meint der Kapitän. "Wir hatten Glück."

Auf dem Oberdeck haben die Bootsmänner Christoph Lindau und Toni Hahnfeld zum Sandpapier gegriffen und schmirgeln damit übers angegraute Gerippe des Zeltdachs. Sechs Jahre wurde daran nichts gemacht, schätzt der Schiffsführer. Jetzt sollen die Stangen wieder strahlend weiß werden.
Auch ein Dampferkessel braucht seinen Tüv
Unter Planen auf dem Hinterschiff ruhen derweil die demontierten Tische und Bänke. Auch da wird es Arbeit geben. Die Sonne hat manches Teil ausgebleicht. Es gibt Kratzer, von Hosennieten oder Hundekrallen. Mancher hat das Bedürfnis, seine Initialen einzuritzen. All das wird mit Holzkosmetik ausgemerzt, sagt der Kapitän. "Die Leute sollen das Schiff so vorfinden, als wäre es neu."

Aber es geht nicht bloß um den schönen Schein. Die Technik, die in Teilen noch von 1898 ist, muss laufen. Deshalb klafft unten im Maschinenraum, wo der Ölbrenner sonst seine Flammen speit und aus Wasser Dampf macht, ein tiefes, finsteres Loch. Der Kessel-TÜV war gerade da - bestanden.
Auch zwischen den Zylindern fehlt etwas: die Vakuumpumpe. Sie ist dazu da, Restdampf aus dem System zu ziehen und so noch ein bisschen mehr Arbeit herauszuholen. Zugleich pumpt sie Kondenswasser ab. Nach zehn Jahren Dienst hat das nicht mehr richtig funktioniert. Wasser in Dampfmaschinen ist aber gefährlich, weil es Druckstöße verursachen kann, die alles zerreißen. Also wird das Aggregat nun runderneuert.

Daniel Frenzel steht auf der Brücke, die offiziell Fahrstand heißt. Hier soll eine neue Rundfunkanlage eingebaut werden. Abgesehen davon muss der Kapitän sein Reich gründlich sauber machen und alles mal abstauben, auch das Modell vom Unterseeboot U 96, das ihm die Crew mal zum Geburtstag geschenkt hat.
Aufs Wasser wollte Frenzel schon immer. 1988 fing er als Schiffsjunge bei den Dampfern an, damals noch unter der Flagge des VEB Fahrgastschifffahrt. Seit der Insolvenz 2020 gehört die Sächsische Dampfschifffahrt einem Konzern aus der Schweiz. Dann kam Corona, brachte Zwangspausen. Die jährlichen Fahrgastzahlen fielen, um weit über hunderttausend.
Trotz allem: Daniel Frenzel nennt seine Stimmung positiv. Und so soll es bleiben, wenn die „Pirna“ ab Ende März wieder im Elbwasser schwimmt, egal, was dann ist. „Wir machen das Beste draus.“