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"Nicht normal: In Sachsen gibt es mehr Wölfe als in Finnland"

Stefan Schäfer, Jäger und neuer Sprecher des Kreisjagdverbandes, über immer mehr Wölfe, Waschbären, Dachse und immer weniger Rehe und sogar den Verlust von einigen Tierarten.

Von Holger Gutte
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Jäger Stefan Schäfer ärgert sich, dass es beim Wald und seinem Wildbestand, statt in erster Linie Fauna und Flora zu schützen, fast nur noch um finanzielle Interessen geht.
Jäger Stefan Schäfer ärgert sich, dass es beim Wald und seinem Wildbestand, statt in erster Linie Fauna und Flora zu schützen, fast nur noch um finanzielle Interessen geht. © SZ/Holger Gutte

Das Jagdwesen wird mit vielen Veränderungen konfrontiert. Selbst die Jagdstrecke - die sich aus Abschusszahlen und Unfall-Tieren zusammensetzt - hat sich im Landkreis Görlitz in den letzten zehn Jahren stark verändert. Die Rehwildstrecke geht seit 2010 zurück. Muffelwild gibt es nicht mehr. Füchse werden viel weniger erlegt. Dagegen hat sich die Jagdstrecke beim Dachs mit 165 erlegten Tieren im Jagdjahr 2010/2011 gegenüber jetzt mit 416 Dachsen mehr als verdoppelt. Auch Marderhund und Schwarzwild werden viel mehr zur Strecke gebracht.

Am krassesten stiegen die Abschusszahlen beim Waschbär von 165 auf 1.657. Die SZ sprach über all das mit Stefan Schäfer, Jäger seit 1992, der dazu seine persönliche Meinung sagte.

Herr Schäfer, hat sich unser Tierbestand so verändert?

Die Wildbestände sind aus unterschiedlichen Gründen stetig im Auf und Ab. Vieles gerät immer mehr aus den Fugen. Ein Jäger will prinzipiell jagen, der Bauer keinen Schaden auf seinen Feldern und der Waldbesitzer keinen Verbiss. Alle zerren mit ihren Interessen an diesem Kuchen herum. Eine Ausgewogenheit scheint unmöglich. Um eine echte Förderung einer vielfältigen Flora und Fauna geht es kaum noch. Überall stehen mehr oder weniger finanzielle Interessen dahinter.

Für die Veränderungen gibt es viele Gründe. Bei Muffel und Reh ist die Ursache ganz klar der Wolf. Der komplette Verlust der Muffel als Tierart unserer Fauna ist zu bedauern. Viele Wölfe haben eben großen Hunger.

Raubwild vom Marder bis zum Waschbär vermehrt sich bei uns rasant. Hier müssen wir Jäger mehr ran. Als ich 1992 angefangen habe, gab es mehr hoch engagierte Jäger, die Raubwild in Größenordnungen erlegten. Heute hat kaum einer Zeit dafür.

Im Kampf gegen die afrikanische Schweinepest (ASP) haben die Jäger eine große Verantwortung. ASP ist im Süden des Kreises angekommen. Sie sind jetzt angehalten, mehr Schwarzkittel zu schießen? Andererseits ist Wildschwein derzeit auf den Speisekarten der Restaurants nicht gerade gefragt. Wie lösen die Jäger das Problem?

Diese Verantwortung wird uns auferlegt. Meine persönliche Meinung zur ASP ist: Hätte man den Dingen ihren Lauf gelassen, wäre das Thema vielleicht schon durch. Der Großteil des Schwarzwildes wäre daran gestorben, die Resistenten würden sich vermehren. Die Zäune, die nun überall gebaut werden, sind sinnlos. Die Politik redet sich ein, die Ausbreitung abzuschwächen. Das ist Steuergeldverschwendung. Bei mir im Revier Drausendorf hat der Elektrozaun gut funktioniert. Die neuen, "festen" Zäune, hebt das Schwarzwild aus, weil es keinen Stromschlag bekommt. Diese Zäune hätte man effektiver zusätzlich um die Schweinemastanlagen bauen können, die die Politik ja mit dem ganzen Aufwand schützen will. Was an diesen Zäunen an verschiedenstem Jungwild verendet oder gezielt von Raubwild weggepflückt wird, interessiert außer uns Jägern niemanden.

Ich selbst bin 2021 auf keiner Drückjagd gewesen, wo nur für die Abfalltonne geschossen wurde. Ich gehe zur Jagd, um Wildtiere waidgerecht zu erlegen und diese zu verwerten, nicht um Schießsport zu betreiben, wo die erlegten Schwarzkittel verbrannt werden.

Was sagen Sie denen, die wegen ASP kein Wildschweinfleisch essen wollen?

Ein erlegtes Schwarzwild, auf Trichinen und ASP geprüft, ist hervorragendes Biofleisch. Es kann und sollte unbedingt verwertet werden. Wer einmal Wild in der Pfanne gebraten hat und das mit anderem Fleisch vergleichen konnte, weiß, wovon ich rede. Im Sinne des Tierwohls kauft man gutes Fleisch beim Jäger oder regional dort, wo es tierwohlgerecht produziert wurde. Darauf sollten die Menschen mehr achten. Wer Wildfleisch kaufen will, kann sich an den örtlichen Jäger wenden.