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Trend geht zu genossenschaftlichem Ernten

Vor den Toren Leipzigs bauen Gärtner das ganze Jahr über Gemüse an. Ökologisch und genossenschaftlich organisiert. Das Konzept geht auf.

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In dem zu Taucha gehörenden Dorf baut eine Gemeinschaft von Menschen aus Leipzig und Umgebung selbstorganisiert regionales Gemüse für den Eigenbedarf an.
In dem zu Taucha gehörenden Dorf baut eine Gemeinschaft von Menschen aus Leipzig und Umgebung selbstorganisiert regionales Gemüse für den Eigenbedarf an. © dpa/Sebastian Willnow

Von Theresa Held

Die Maschinen rattern. Junge Menschen wuchten Gemüse in grünen Kisten auf die Ladefläche eines Anhängers. Gefüllt sind sie mit Rhabarber, Salatköpfen, Fenchel und Radieschen. Ein Hauch von Ferienlager schwebt über dem Vierseithof vor den Toren Leipzigs. Es ist der Arbeitsalltag von sechs angestellten Gärtnern. Sie bauen bei der Gemüsekooperative Rote Beete das ganze Jahr über auf 3,5 Hektar Fläche Gemüse und Obst an.

Das Besondere daran: Die ökologische Landwirtschaft ist genossenschaftlich organisiert. Etwa 500 Menschen werden wöchentlich mit frischem Gemüse und Obst versorgt. Sie zahlen dafür über mindestens ein Jahr monatlich einen festen Preis. Dadurch sei die Existenz der Landwirte nicht abhängig von Preisschwankungen und Ernteausfällen, erklärt Stephanie Wild vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. Zudem wüssten die Verbraucher eher, wo ihre Lebensmittel herkommen. "Die Menschen suchen Alternativen und die Pioniere haben bewiesen, dass die andere Art der Landwirtschaft funktioniert", sagt Wild.

Mitglieder der Gemüsekooperative "Rote Beete"
Mitglieder der Gemüsekooperative "Rote Beete" © dpa/Sebastian Willnow

Immer mehr sogenannte Solidarische Landwirtschaften gründen sich in Deutschland. 2011 zählte das Netzwerk noch zwölf Betriebe, im Mai dieses Jahres waren es 244 - 18 davon in Sachsen. Auch bei der Gemüsekooperative Rote Beete, die sich 2011 gründete, macht sich der Trend bemerkbar. Etwa 20 Menschen stünden auf der Warteliste, sagt Christine Hubenthal von der Kooperative. Sie wollen Genossen des Projekts werden. Auch im Winter versorgt die Landwirtschaft die Genossen mit Essen: Dann gibt es Sauerkraut, Kohl, Lagerkohlrabi und Spinat, zählt die 33-Jährige auf, während sie an den weiten Feldern, Obstbäumen und zwei Gewächshäusern vorbeiläuft. Derzeit gründeten sich zwei weitere Solidarische Landwirtschaften in unmittelbarer Nähe.

Der Sächsische Bauernverband schätzt die Arbeit der anders organisierten Höfe im Freistaat. Eine Konkurrenz zu den herkömmlichen Betrieben stelle das Konzept in der Regel nicht dar, sagt Hauptgeschäftsführer Manfred Uhlemann: Solidarische Landwirtschaften belieferten einen anderen Kundenkreis. Besonders in größeren Städten werde die Ernte nachgefragt. Solidarische Landwirtschaften bauten häufig "handarbeitsintensive Kulturen" an - eine sinnvolle Ergänzung in der Lebensmittelproduktion, findet Uhlemann.

© dpa/Sebastian Willnow

Die Genossen der Roten Beete verpflichten sich zudem zur Mitarbeit auf dem Hof: Drei Tage pro Jahr helfen sie beim Unkraut jäten, Ernten und Pflanzen. "Dadurch brauchen wir keine Saisonarbeitskräfte", erklärt Hubenthal. Helene aus Leipzig etwa packt gerne mit an. Sie pflanzt Petersilie zwischen die Tomatenpflanzen. Die 25-Jährige bekommt mit ihrer WG jede Woche frisches Gemüse und Obst vom Hof in eine der neun Verteilstationen geliefert. "Der genossenschaftliche Gedanke gefällt mir. Ich möchte lokale und unabhängige Strukturen für die Lebensmittelversorgung unterstützen", sagt sie. Und wenn in einigen Wochen Petersilie von der Gemüsekooperative geliefert wird, werde sie sich daran erinnern, wie diese gepflanzt wurde.

Auf dem Hof wird viel improvisiert. Die Ernte wird nach Augenmaß verteilt. "Eine Waage gibt es hier nicht. So sparen wir uns Arbeit und Zeit", erklärt Hubenthal. Ein Tüftler richtete alte Landmaschinen her, der verfallene Hof wurde Stein für Stein wieder aufgezogen. Doch der Schein trügt: "Die Kooperative funktioniert nur mit Planung", betont Hubenthal. Die gelernte Landwirtin weiß, wovon sie spricht.

Im Hof steht eine Tafel, auf der Ergebnisse des regelmäßigen Plenums festgehalten sind. Künftig wollen die idealistischen Gärtner ihre Ideen mehr nach außen tragen. "Die flexible, partizipative Organisationsform, mit der wir hier seit Jahren arbeiten, wird inzwischen von großen Wirtschaftsunternehmen unter dem Namen Agilität eingeführt", berichtet Hubenthal ein wenig stolz. (dpa)