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Wer steckt hinter der Explosion auf der Brücke zur Krim?

Die für Russland strategisch und symbolisch wichtige Krim-Brücke ist von einer schweren Explosion erschüttert worden. Drei Menschen starben, Selenskyj lässt eine Beteiligung offen.

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Dieses Satellitenbild zeigt brennende Eisenbahnwaggons (oben r) und Schäden an der Krim-Brücke, die die Halbinsel Krim (oben r) mit Russland (unten l) verbindet.
Dieses Satellitenbild zeigt brennende Eisenbahnwaggons (oben r) und Schäden an der Krim-Brücke, die die Halbinsel Krim (oben r) mit Russland (unten l) verbindet. © Maxar Technologies/AP/dpa

Von Livia Sarai Lergenmüller und Tobias Mayer

Auf der Brücke über die Straße von Kertsch zwischen dem russischen Festland und der Krim ist am Samstagmorgen um 06.07 Uhr Ortszeit nach russischen Angaben eine Lkw-Bombe explodiert, die ein riesiges Feuer auslöste.

Das Fahrzeug kam demnach vom russischen Festland und fuhr in Richtung des Küstenorts Kertsch auf der Krim. Durch die Explosion seien sieben mit Treibstoff gefüllte Kesselwägen des Güterzugs in Brand geraten. Dadurch seien Teile der Fahrbahn eingestürzt. Mindestens drei Menschen kamen ums Leben. Die Behörde erklärte nicht, wie ein einzelner Lastwagen Schäden eines solchen Ausmaßes angerichtet haben könnte.

Die strategisch wichtige Brücke wurde dabei teils schwer beschädigt. Zwei Bereiche der Straßenbrücke seien teilweise eingestürzt. Der Brückenbogen, der die Meerenge von Kertsch überspannt, sei aber nicht beschädigt worden. Wenig später teilte das russische Zivilschutzministerium mit, der Brand sei gelöscht.

Bereits am Samstagabend lief der Verkehr nach Behördenangaben langsam wieder an. Die Brücke sei ab sofort „offen für Autos und Busse“, teilte der Verwaltungschef der von Russland annektierten Halbinsel Krim, Sergej Aksjonow, im Online-Dienst Telegram mit.

Russische Taucher untersuchen Schäden

Russische Taucher untersuchen heute die Schäden, die durch die starke Explosion entstanden sind. Russische Nachrichtenagenturen zitieren den stellvertretenden Ministerpräsidenten Marat Khusnullin mit den Worten, die Taucher werden um 6.00 Uhr morgens (Ortszeit; 05.00 Uhr MESZ) mit der Arbeit beginnen.

Eine detailliertere Untersuchung oberhalb der Wasserlinie soll bis zum Ende des Tages abgeschlossen sein.

Der russische Präsident Wladimir Putin wies nach der Explosion per Dekret den Geheimdienst FSB an, die Kontrolle über die Krim-Brücke zu verschärfen.

08.10.2022, ---, Kertsch: Flammen und Rauch steigen von der Krim-Brücke auf, die das russische Festland und die Halbinsel Krim über die Straße von Kertsch verbindet. Die Explosion an der einzigen Verbindungsbrücke zwischen Russland und der von Moskau anne
08.10.2022, ---, Kertsch: Flammen und Rauch steigen von der Krim-Brücke auf, die das russische Festland und die Halbinsel Krim über die Straße von Kertsch verbindet. Die Explosion an der einzigen Verbindungsbrücke zwischen Russland und der von Moskau anne © AP

„Dem FSB werden die Vollmachten übertragen zur Organisation und Koordination von Schutzmaßnahmen für den Transportweg über die Meerenge von Kertsch, für die Strombrücke der Russischen Föderation auf die Halbinsel Krim und die Gaspipeline vom Gebiet Krasnodar Krim“, heißt es in dem am Samstag veröffentlichten Dekret.

Bislang war die Verantwortung für die Sicherheit der Brücke laut dem Duma-Abgeordneten Alexander Chinstein dreigeteilt. Für die Überwachung des Luftraums war das Verteidigungsministerium verantwortlich, für die Seeüberwachung die Nationalgarde „Rosgwardija“. Die Auto- und Eisenbahnstrecke selbst wurde jedoch vom Verkehrsministerium kontrolliert.

Putin wird sich nach offiziellen Angaben in den nächsten Tagen nicht in einer Rede an die Bevölkerung wenden, trotz des Vorfalls auf der Krim-Brücke.

Diese Aufnahme soll den Zeitpunkt der Explosion zeigen:

Brücke galt für Russland als „rote Linie“

Die Brücke hat für Putins Truppen im Ukraine-Krieg eine große strategische Bedeutung. Russland hat immer wieder betont, dass ein Angriff auf die Brücke ein klares Überschreiten der roten Linie sei. Der Machtapparat in Moskau drohte für den Fall mit Angriffen auf die Kommandozentralen in Kiew.

Die Ukraine äußerte sich bisher nicht direkt zu dem Zwischenfall. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak erklärte jedoch auf Twitter, dies sei „der Anfang“. Er reklamierte keine direkte Verantwortung der Ukraine für den Vorfall, schrieb aber auch:

Wer ist für die Explosion verantwortlich?

Bisher ist unklar, wer der Verursacher hinter der Explosion ist. Nach Angaben der russischen Behörden ist eine Autobombe explodiert, die einen Großbrand auslöste.

Der ehemalige Generalmajor Mick Ryan teilte eine erste Einschätzung zu dem Brand auf Twitter mit. Er sei „ein Schlag ins Gesicht von Putin an seinem Geburtstag.“

Ryan zufolge sei für einen solchen Brand mehr Sprengkraft nötig, als ein paar Soldaten tragen könnten. Es bedürfe Laster oder Raketen beziehungsweise Bomben. Der Militärexperte schreibt, dass es sich um einen Teil des ukrainischen Plans handeln könnte, die Krim zurückzuerobern – oder um ein Ablenkungsmanöver.

Russland könnte nun seine Truppen im Süden der Ukraine verstärken, zulasten von anderen Positionen. Wer auch immer hinter dem Brand stecke: Die Welt sehe nun, dass Russland nicht im Stande sei, die annektierten Gebiete zu schützen.

Auch Russland selbst sieht die Veranwortung in der Ukraine. Der Präsident des von Russland auf der Krim eingesetzten Regionalparlaments, Wladimir Konstantinow, nannte den Vorfall einen Schlag durch „ukrainische Vandalen“.

Der prominente russische Außenpolitiker Leonid Sluzki sprach gar von einem „Terroranschlag“. Wenn sich die ukrainische Spur bei dem Anschlag bestätige, „werden Folgen unabwendbar“ sein, sagte Sluzki am Samstag in der Krim-Hauptstadt Simferopol. „Die Antwort sollte hart ausfallen, aber nicht unbedingt frontal“, sagte er.