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Wagenknecht sucht „neue Balance“

Die Linkenabgeordnete zieht sich aus der Spitze von „Aufstehen“ zurück. Das hat mehrere Gründe.

Von Thilo Alexe
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Sahra Wagenknecht zieht sich aus den Führungsgremien von „Aufstehen“ zurück.
Sahra Wagenknecht zieht sich aus den Führungsgremien von „Aufstehen“ zurück. © imago/Jürgen Heinrich

Die Spitze der Bewegung verliert ein prominentes Mitglied. Sahra Wagenknecht zieht sich aus den Führungsgremien von „Aufstehen“ zurück. „Die Parteipolitiker sollten sich zurücknehmen, das betrifft auch mich selbst“, sagte die Fraktionschefin der Linken im Bundestag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Wagenknecht betonte: „Wir brauchen eine Neuaufstellung von ‚Aufstehen‘.“ Anfangs sei das Mitwirken erfahrener Politiker notwendig gewesen. „Aber jetzt ist es richtig, Verantwortung abzugeben.“ Der Sonntagszeitung sagte Wagenknecht weiter: „Die Bewegung kann besser leben, wenn sie denen übergeben wird, die sie an der Basis ohnehin tragen.“

Die 49-jährige deutschlandweit bekannte Abgeordnete will „Aufstehen“ weiter unterstützen, etwa durch öffentliche Auftritte. „Aber ich muss auch sehen, welches Arbeitspensum ich schaffe,“ fügte Wagenknecht im Gespräch mit der Zeitung hinzu. „Dass ich jetzt zwei Monate krankheitsbedingt ausgefallen bin, hatte auch mit dem Stress der vergangenen Jahre zu tun.“ Wagenknecht will jetzt eine „neue Balance“ finden.

Die Öffentlichkeit erfuhr von Wagenknechts Erkrankung etwa dadurch, dass die Spitzenpolitikerin auf die Teilnahme des Europaparteitages der Linken verzichtete. Wagenknecht ist nun zurück und will ab Montag wieder ihre Termine in Berlin wahrnehmen, wie die Zeitung berichtet.

Trotz parteiinterner Kritik und ihres Rückzuges von der Spitze sieht die Linkenpolitikerin „Aufstehen“ nicht als Misserfolg. Die Sammlungsbewegung hat Wagenknecht zufolge rund 170.000 Unterstützer, es gebe 200 Ortsgruppen. „Tausende engagieren sich vor Ort“, sagte sie. Wagenknecht zählt zu den Gründern der im vergangenen August ins Leben gerufenen Bewegung.

Deren Ziel ist es, eine parlamentarische Mehrheit für linke Parteien wie SPD, Grüne und Linke zu ermöglichen. Auch sollen AfD-Wähler zurückgewonnen werden. Die Bewegung, die nicht als Partei fungiert, ist auch in Sachsen aktiv. Zu den prominenten Unterstützern zählen die langjährigen SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle und Cornelius Weiss. Öffentlich tritt die Bewegung im Freistaat bislang zwar wenig in Erscheinung. Allerdings bietet sie regelmäßig Treffen für Interessierte an.

Ohne Einfluss ist „Aufstehen“ in Sachsen nicht. Die Bewegung wird im Freistaat wohl keine eigenen Kandidaten für die Landtagswahl im September aufstellen. Das machte die aus Dresden stammende Linkenchefin Katja Kipping nach einem Gespräch mit Wagenknecht im Dezember öffentlich. Das lässt darauf schließen, dass die Idee konkurrierender Bewerbungen zumindest präsent war, wenn auch nicht so ausgeprägt wie in anderen Bundesländern.

Kipping empfahl ihrer Partei damals einen „Spielfeldwechsel“. Die Anhängerschaft, analysierte sie, sei in der Migrationsfrage gespalten. Die Linke müsse sich stärker sozialen Problemen wie steigenden Mieten oder Mängeln bei der Pflegeversorgung widmen. Wagenknecht vertritt in der Zuwanderungspolitik eine andere Position als Kipping. Die Fraktionschefin warnte vor offenen Grenzen und wandte sich gegen eine „allgemeine Moral einer grenzenlosen Willkommenskultur“.

Vor Weihnachten zeigte sich Wagenknecht in Anlehnung an Proteste in Frankreich in gelber Weste vor dem Kanzleramt. Der Frankfurter Zeitung sagte sie: „Ich habe die Schwierigkeit unterschätzt, auf rein ehrenamtlicher Basis solide Strukturen für so viele Menschen zu schaffen und unsere Unterstützer dann auch in großer Zahl auf die Straße zu bringen.“