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Weg vom Billigmieten-Image

Was getan werden muss, ist Görlitzer Immobilien-Experten klar. An der Umsetzung hapert es aber.

Von Franziska Klemenz
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Torsten Launer, Arne Myckert und Walter Pfitzner (v. l. n. r.) - alle haben in irgendeiner Weise mit Immobilien in Görlitz zu tun.
Torsten Launer, Arne Myckert und Walter Pfitzner (v. l. n. r.) - alle haben in irgendeiner Weise mit Immobilien in Görlitz zu tun. © Pawel Sosnowski

Walter Pfitzner ist unbeeindruckt. Görlitz, die zweitbilligste Mittelstadt Deutschlands: sowohl bei den Mieten als auch bei den Kaufpreisen. „Das ist ein offenes Geheimnis“, sagt der Geschäftsführer des Haus&Grund-Vereins. „Die Relation aus Einwohnerzahl und vorhandenen Immobilien macht das offensichtlich. Wenn man sieht, wie viele Objekte saniert werden, kann man fragen: Woher sollen genug solvente Mieter kommen?“

Eine Studie des Immobilienportals Immowelt.de untersuchte die Miet- und Kaufpreise in den 111 deutschen Mittelstädten. In Görlitz kostet die Kaltmiete im Monat 4,70 Euro pro Quadratmeter, das Wohneigentum 650. Günstiger ist der Studie zufolge nur Plauen, zu den teuersten Mittelstädten gehören Konstanz oder Rosenheim. „Da können wir mit Polen und Tschechien nicht mithalten, die strahlen preismäßig nicht so rüber wie die Schweiz“, sagt Pfitzner. Sein Vorschlag: Görlitz soll den Speckgürtel Dresdens bilden, wie Rosenheim für München. „Wir brauchen eine bessere Anbindung. Wohnraum in Dresden ist knapp und teuer. Würde man nur eine Stunde mit der S-Bahn brauchen, wäre Görlitz eine gute Ausweich-Möglichkeit.“

Den Vorschlag von Ministerpräsident Michael Kretschmer unterstütze er: „Sonderwirtschaftszonen einrichten, damit wir mehr Arbeitsplätze schaffen und die Gutausgebildeten nicht mehr nach Dresden abwandern“, sagt Pfitzner. Seinen Ruf als Stadt mit Kulturerbe dürfe Görlitz nicht nur kurzfristig nutzen, um Touristen zu locken. „Bamberg spielt das gegenüber Unternehmen aus. Das sollten wir auch tun.“

Thomas Meyer, Vorsitzender des Mieterschutzvereins, will die Preise lieber als Chance denn als Makel begreifen: „Studenten bezahlen in anderen Städten viel mehr für Mieten, man könnte dadurch welche anlocken und so künftige Akademiker herholen“, sagt er. Wie man die günstigen Preise beurteile, hänge von der Perspektive ab. „Einigen Mietern, die wir vertreten, würden höhere Mieten Probleme bereiten. Ein Teil von ihnen ist in der Kaufkraft beschränkt, kann nur günstigen Wohnraum mieten.“

Auch Petra Jany sieht die Preise als Vorteil. Die Görlitzer Maklerin verkauft und vermietet seit 27 Jahren. „Momentan könnte ich mehr verkaufen, als zur Verfügung steht.“ Angezogen hätten die Preise schon. „Wir haben viel Leerstand, beim Verkauf ist aber durchaus Nachfrage da.“ Oft seien Leute aus alten Bundesländern interessiert, die kurz vor der Rente stehen.

Die in Gegenden wohnen, deren Wohnungspreise zu teuer sind. „Hier zahlen sie dann auch gerne 800, 900 Euro pro Quadratmeter für eine Eigentumswohnung.“ Jüngere Leute hätten mehr Vorbehalte, sich an Eigentum zu binden. „Viele Wohnungen haben wir an polnische Mitbürger verkauft und gute Erfahrungen gemacht. Die haben ein anderes Verhältnis zu Wohneigentum, wollen lieber besitzen als mieten, aber sind bescheidener, leben auch zu viert auf 50 Quadratmetern.“

Immobilienmakler Torsten Launer führt die günstigen Preise auf fehlende Arbeitsplätze zurück, sieht darin „aber auch eine Chance“: Görlitz, die „wunderschöne Stadt mitten in Europa“, mit einem großen kulturellen Angebot. Als Makler wünsche man sich marktgerechte Preise, immerhin langsam zögen die auch an.

Mieten seien Anreiz zum Investment, sagt Arne Myckert, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Kommwohnen. „Außerdem brauchen Vermieter höhere Mieten, um Gebäude instand zu halten und nötige Investitionen zu tätigen.“ Überdurchschnittlich viele alte Menschen lebten in Görlitz in unterdurchschnittlich wenigen Häusern mit Fahrstühlen. Das „Zuzugs-Potenzial“ müsse in allen Altersgruppen steigen, sagt Myckert. Gerade werde deutlich: „Was in Görlitz errichtet wurde, war einfach für mehr Bewohner gedacht.“

Billigpreise sind ein offenes Geheimnis

Walter Pfitzner  (59), Haus & Grund 
Walter Pfitzner (59), Haus & Grund  © Pawel Sosnowski

"Mich überraschen die Preise nicht, das ist ein offenes Geheimnis. Wenn man sieht, wie viele Objekte saniert werden, kann man fragen: Woher sollen genug solvente Mieter kommen? Eine bessere Anbindung könnte uns zum Speckgürtel von Dresden machen. Das brächte mehr Arbeitsplätze und eine höhere Kaufkraft."

Görlitz war für mehr Bewohner gedacht

Arne Myckert (53), KommWohnen 
Arne Myckert (53), KommWohnen  © Pawel Sosnowski

"Eins sieht man gerade deutlich, obwohl wir sogar 10.000 Menschen mehr sind, als manche Schreckensprognose vorausgesagt hat: Was man in Görlitz errichtet hat, war einfach für mehr Bewohner gedacht. Die Vermieter brauchen Mittel, um in die Zukunft zu investieren. In altersgerechtes Wohnen, zum Beispiel."

Langsam ziehen die Preise an

Torsten Launer  (45), Launer Immobilien
Torsten Launer (45), Launer Immobilien © Pawel Sosnowski

"Ich hätte Görlitz eher im unteren Drittel eingeordnet. Als Makler wünscht man sich marktgerechte Preise. Momentan ziehen sie schon an. Görlitz ist eine wunderschöne Stadt mitten in Europa, hat kulturell viel zu bieten. Um mehr Menschen anzulocken, brauchen wir Gewerbegebiete und Arbeitsplätze."