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Shakespeare modern in der Danner-Halle

Wo zu Jahresanfang noch Müll lagerte, wird am Wochenende „Euro-Hamlet“ gespielt – ein ganz besondere Performance.

Von Frank Thümmler
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Joran Yonis und Marie Jung bei der „Euro-Hamlet“-Probe am vergangenen Donnerstag in Weißwasser.
Joran Yonis und Marie Jung bei der „Euro-Hamlet“-Probe am vergangenen Donnerstag in Weißwasser. © Joachim Rehle

Das zweite Lausitz-Festival steht unmittelbar vor der Tür. Vom 25. August bis zum 18. September finden an 50 verschiedenen Orten zwischen Zittau und Guben, zwischen Zgorzelec und Doberlug-Kirchhain knapp 80 Veranstaltungen statt. Theaterstücke, Konzerte mit klassischer und Weltmusik, Jazz, Liederabende, Literaturveranstaltungen von Lesung bis Spoken Word, Gesprächsrunden mit Philosophen, Filme und Ausstellungen. Gefördert wird die Veranstaltung jährlich mit vier Millionen Euro durch den Bund.

Intendant ist der Hamburger Daniel Kühnel, der dort auch Intendant der Symphoniker Hamburg ist. Ihm ist es gelungen, auch für die zweite Auflage des Festivals zahlreiche international bekannte Künstler in die Lausitz zu holen. Einfache Unterhaltung wird bei diesem Festival eher weniger geboten. Der Anspruch ist hoch. Daniel Kühnel sagt in seinem Vorwort der Festival-Broschüre: „Es geht dem Lausitz-Festival nicht darum, ein zusätzliches Konsumangebot zu machen, nicht darum, die Lausitz zu einem erweiterten Kulturverzehr zu überreden. Es geht vielmehr darum, den Auftrag der Kunst in der Lausitz besser zu hören, um hier eine Zukunft zu entwickeln, die den eigenen europäischen Maßstäben treffender als woanders aktuellen Sinn verleihen vermag.“

Künstler hat Bindung zur Region

Diesem Anspruch soll in Weißwasser der 41-jährige Filip Markiewicz gerecht werden. Der in Luxemburg geborene Künstler mit polnischen Wurzeln war schon bei der ersten Auflage des Lausitz-Festivals („Antigone Neuropa“ in Cottbus) dabei und hat diesmal gemeinsam mit Daniel Kühnel die Idee entwickelte, den Stoff des wohl meistgespielten Theaterstücks überhaupt – „Hamlet“ von William Shakespeare – zu adaptieren. Für die aktuelle Zeit mit all ihren Veränderungen auch in der Region. Die Performance, die am Freitag, Sonnabend und Sonntag jeweils 19.30 Uhr in der Danner Halle auf dem Telux-Gelände in Weißwasser aufgeführt wird, heißt „Euro Hamlet“. „Hintergrund ist der Text von Hamlet. Wir haben mit der Dramaturgin Kathrin Michaels versucht, Parallelen zu finden, die vielleicht mit dem Ort, der Geschichte von Deutschland, dem Osten, von Europa zu tun haben.“ Die Region ist dabei für den Künstler nicht fremd. Als Kind sei er auf dem Weg zur polnischen Familie oft hier durchgefahren, habe von der Geschichte Ost-West, Teilung und Vereinigung, in Deutschland und Europa, viel mitbekommen. Markiewicz sagt, dass er versucht, das nicht plakativ zu demonstrieren oder zu illustrieren, sondern die Stimmung eher zwischen den Zeilen zu fixieren.

Bühnenbild für eine leere Halle

Dazu bedient sich der vielseitige Performance-Künstler einer Mischung ganz verschiedener ästhetischer Formen: Schauspieltheater, Musik – unter anderem ist der Musiker N.U. Unruh von den „Einstürzenden Neubauten“ dabei – Tanztheater, Video-Installationen. Dafür hat Markiewicz den ganzen Juli über mit den Schauspielern in der Region Sequenzen gefilmt. Entstanden sei ein „Dialog mit der Region. Als Zuschauer ist das nicht nur für die Theaterliebhaber interessant, auch für das Konzertpublikum und allgemein Kunstinteressierte“, schätzt der Künstler ein.

Umgesetzt wird diese Performance in der Danner Halle auf dem Telux-Gelände. „Als ich das erste Mal im Februar in Weißwasser war, war die Halle noch voll mit Sondermüll“, sagt Markiewicz. Der wurde dann entfernt, der Künstler konnte quasi in die leere Halle das Bühnenbild entwerfen, von Null auf. In dieser Größenordnung war das auch für Markiewicz Neuland. „Es ist spannend, in diesem Umfeld etwas zu machen. Ich habe das Gefühl, dass man hier noch solche Sachen machen kann. In Großstädten wie in Hamburg ist es schwierig, so etwas zu finden.“

Auch dieser Ort steht sinnbildlich für das, was dieses Lausitzfestival ausdrücken möchte: Hier war der Produktionsstandort des einst weltweit größten Anbieter technischer Glase. Es folgte der Zusammenbruch, in dieser Halle lagerte nur noch Müll. Und jetzt ein neuer Anfang!?

Die Leute hier seien die Leute, mit denen man zusammenarbeitet, sehr engagiert und auch nett. Jetzt, nach der ganzen Arbeit, wollen sich der Künstler und sein Team natürlich auch den Lohn abholen: Vorstellungen vor ausverkaufter Halle. Karten für alle drei Vorstellungen (siehe unten) sind noch erhältlich. „Am Freitagabend, nach der Premiere, werden wir sicher noch ein wenig Musik machen und uns gemeinsam mit den Mitwirkenden unter das Publikum mischen und den Gedankenaustausch suchen“, kündigt Filip Markiewicz an, der sich wünscht, dass sich möglichst viele Lausitzer auf seine außergewöhnliche Performance einlassen. Eines ist sicher: so etwas hat Weißwasser noch nicht gesehen.

Karten gibt es hier. Kartenpreise: Erwachsene 35 Euro, ermäßigt 17,50 Euro

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