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„Das Leben an der Grenze hat sich normalisiert“

Darüber sind auch unsere Nachbarn in Leknica froh. Die Grenzschließung war für sie eine Katastrophe, wie Bürgermeister Piotr Kuliniak im Gespräch einräumt.

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Leknicas Bürgermeister Piotr Kuliniak und die zukünftige Leiterin des Geopark-Infozentrums, Agnieszka Janowska, vor der „Alten Tischlerei“.
Leknicas Bürgermeister Piotr Kuliniak und die zukünftige Leiterin des Geopark-Infozentrums, Agnieszka Janowska, vor der „Alten Tischlerei“. © Jost Schmidtchen

Alles läuft wieder wie gewohnt. Der Grenzübergang in Bad Muskau ist offen für alle, die ins Nachbarland möchten, freilich auch für polnische Bürger in Richtung Deutschland. Die Stadt Leknica hat unter der Grenzschließung erheblich gelitten. Sächsische.de sprach mit Bürgermeister Piotr Kuliniak über die aktuelle Situation.

Herr Bürgermeister, welche Auswirkungen hatte die letztlich komplette Schließung des Marktes für Ihre Stadt?

Da muss ich noch einmal zurückblicken. Eine Grenzschließung in Gänze hat es nicht gegeben, sondern nur seitens Sachsen. Das Land Brandenburg hat eine solche Maßnahme nicht ergriffen. Das hat unseren Markttreibenden und allen anderen Dienstleistern hier in Leknica aber nicht geholfen. Die wenigen Brandenburger, die über Olszyna und Trzebiel herkamen, konnten die ausgebliebene Kundschaft nicht ersetzen. Der Grenzübergang Bad Muskau ist nun mal für alle ideal, alles andere bedeutet, Umwege in Kauf zu nehmen. Das Ende war schließlich die komplette Marktschließung. Mit der Folge: Niemand kam mehr, die Kontrollen an der Grenze erübrigten sich und das Leben in unserer Stadt war tot.

Mit welchen Konsequenzen?

Wir haben im städtischen Haushalt ein Loch von 550.000 Euro durch fehlende Steuereinnahmen. Weil wir in der Zeit der Marktschließung den Händlern und allen anderen Gewerbetreibenden in unserer Stadt die Steuern erlassen haben. Dazu müssen Sie wissen, dass 80 Prozent unserer Einwohner von den Deutschen leben, dazu gehören Dienstleistungen aller Art. Friseursalons, Autowerkstätten, Tankstellen, Restaurants, Discounter und nicht zuletzt auch die Tourismusbranche mit dem Fürst-Pückler-Park und dem Geopark Muskauer Faltenbogen. Der polnische Staat leistete den Betroffenen auch Hilfe, die Unterstützung bedurfte aber der Antragstellung und bestimmte Voraussetzungen mussten erfüllt sein.

Wagen Sie einen Blick in den Herbst und Winter?

Dazu kann ich nur sagen, dass derzeit 60 Prozent unserer Einwohner geimpft sind. Ich hoffe, es werden noch mehr. Es ist die einzige Möglichkeit, halbwegs beruhigt in die Zukunft zu schauen.

Herr Kuliniak, Sie erwähnten bereits die Tourismusbranche. Um die ist es doch in Leknica gar nicht so schlecht bestellt?

Das ist richtig. Unser Geopark-Infozentrum „Alte Tischlerei“ ist baumäßig fertig. Die Gestaltung der Außenanlagen erfolgt schrittweise. Zur Zeit bemühen wir uns um die Beschaffung der Innenausstattung. Geleitet wird das Infozentrum zukünftig von Agnieszka Janowska, sie wurde von der Stadtverwaltung für diese Aufgabe eingestellt. Ihr zur Seite stehen wird Paulina Skraba, die schon seit zehn Jahren bei uns arbeitet. Es wird eine rege und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der „Alten Ziegelei“ in Klein Kölzig geben, dem Sitz der Geoparkverwaltung. Finanziert wurde das Projekt „Alte Tischlerei“ durch das Marschallamt Lubuski in Zielona Gora mit 800.000 Euro (80 Prozent), die restlichen 20 Prozent sind Eigenanteil unserer Stadt. In Arbeit ist bereits ein Konzept für eine Dauerausstellung zu den Themen Geopark und Pückler-Park. Das Infozentrum wird offen sein für alle Besucher, Einwohner und Gäste aus der umliegenden Region. Es wird auf jeden Fall die touristische Attraktivität von Leknica aufwerten.

Wie bewerten Sie die Entwicklung des Tourismus in und um Leknica?

Genau genommen: Sehr gut. Seit der Grenzöffnung im Mai sind Tausende deutsche Radwanderer zur Grube Babina gekommen. Täglich kann ich das selbst beobachten. Die offiziellen Zahlen kommen vom staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Lipinki. Unser Radwanderweg auf der alten Eisenbahntrasse Weißwasser-Bad Muskau-Leknica-Tuplice wird gut angenommen. Und Babina ist ja wirklich eine touristische Attraktion inmitten unberührter Natur.

Ihre Stadt macht immer einen sauberen Eindruck, man sieht auch viele Beschäftigte, die dafür sorgen. Wie funktioniert das?

Unsere Einwohner halten ihr Umfeld insofern selbst sauber, weil wir seit etlichen Jahren eine klar getrennte Müllerfassung eingeführt haben, wie sie überall in europäischen Städten üblich ist. Die öffentlichen Einrichtungen wie Straßen, Stadtgrün und kleine Parks werden von arbeitslosen Leuten oder von solchen mit gesundheitlichen Problemen wie Alkoholismus sauber gehalten. Sie werden uns von Sozialeinrichtungen vermittelt und in einem kommunalen Projekt der Stadt umfassend betreut. Tätig sind sie zusammen mit den Mitarbeitern unseres Bauhofes. Das Ganze klappt schon seit Jahren gut.

Welche investiven Vorhaben planen Sie in nächster Zukunft?

Das wichtigste Vorhaben ist die Neugestaltung der Dworzowa ulica, also der Hauptstraße durch Leknica hoch bis zum ehemaligen Bahnhof (jetzt Baumarkt). Sie wird komplett erneuert, einschließlich Medienverlegung, Radweg, Fußweg, Beleuchtung und mit einem Kreisverkehr an der jetzt noch etwas komplizierten Kreuzung im unteren Bereich.
Die Kosten für das Vorhaben belaufen sich auf rund 1.700.000 Euro. Bis Ende 2021 realisieren wir in der Nähe von Babina einen Hindernisparcour für Radsportler. Ein Partner bei diesem Vorhaben ist die Geoparkverwaltung. Und auf der Fläche des ehemaligen Glaswerkes (gegenüber OKSIR) entsteht ein Freizeitobjekt.

Jetzt sind Schulferien. Lernstart ist der 1. September, wie steht es um die Einschulungen?

Leknica hat etwa 1.900 Einwohner. Da bin ich schon recht stolz, dass in unserer Schule zwei erste Klassen mit jeweils 25 Kindern zusammenkommen. Einige auch aus den umliegenden Dörfern der Gemeinde Trzebiel, weil es die Kapazität unserer Schule erlaubt.

Wie hat sich die Partnerschaft mit Bad Muskau entwickelt?
Die Pandemie und die Grenzschließung führten dazu, dass die Zusammenarbeit zwischen unseren Städten praktisch zum Stillstand kam. Die von der polnischen und sächsischen Regierung verhängten Beschränkungen behinderten die Zusammenarbeit gänzlich. Jetzt muss alles wieder neu geordnet werden. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Es war eine Katastrophe in allen Bereichen des Lebens.

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