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Minister trifft Schüler, die Tacheles reden

Am Freitag besuchte Kultusminister Christian Piwarz die Oberschule Krauschwitz. Auf der Rückfahrt hatte er jede Menge Fragen und Wünsche im Gepäck.

Von Sabine Larbig
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Vertreter aller Klassenstufen der Oberschule Krauschwitz lasen im Beisein von Kultusminister Christian Piwarz (re.) und Bürgermeister Tristan Mühl vor, was sie sich im Rahmen der Schulsanierung so vorstellen. Geäußert wurden ganz klare Wünsche.
Vertreter aller Klassenstufen der Oberschule Krauschwitz lasen im Beisein von Kultusminister Christian Piwarz (re.) und Bürgermeister Tristan Mühl vor, was sie sich im Rahmen der Schulsanierung so vorstellen. Geäußert wurden ganz klare Wünsche. © Sabine Larbig

Im Außengelände wird am Fundament für den neuen Schulhausanbau gearbeitet, während in einem Klassenraum hart diskutiert wird. Nicht im Rahmen des Unterrichts. Vielmehr debattieren Schüler, Eltern und Pädagogen mit Sachsens Kultusminister zu einem Problem an ihrer Schule, unter dem sie leiden: Lehrermangel.

Durch den gibt es an der Krauschwitzer „Geschwister-Scholl“-Oberschule enorm viele Ausfallstunden, können Kinder mit Lese-, Rechtschreib- und Rechenschwächen kaum gefördert werden, mangelt es an Stunden in Deutsch als Zweitsprache für Schüler mit Migrationshintergrund und mehr. Die Folge: Unterrichts- und Prüfungsstoff können nicht ausreichend vermittelt werden. In den Abschlussklassen werden viele Durchfaller, schlechte Prüfungsergebnisse, schwierige Starts ins Berufsleben befürchtet.

„Erst war Corona, nun fehlen Lehrer. Werden Abschlussprüfungen wegen der enormen Ausfälle angepasst?“, wollten Lucy und Fritzi aus der 10. Klasse vom Minister wissen. Der verneinte. An der zentralen Prüfung werde festgehalten. Wie lange das noch realistisch sei, bleibe abzuwarten. Zwischenzeitlich müsse zur Prüfungsfähigkeit gezielt Prüfungsstoff geübt werden, ohne dass im Vorfeld Fragen verraten werden. „Es läuft damit darauf hinaus, dass an der Krauschwitzer Schule die Prüfungen gerade so geschafft werden“, äußerte eine besorgte Mutter, die – wie bereits zwei ihrer Kinder und aktuell eines in der Abschlussklasse – an der Schule lernte. „Die Entwicklung an der Oberschule ist dramatisch. Wie andere Eltern habe auch ich Angst um die Zukunft unserer Kinder durch den Lehrermangel.“ Ihr Lösungsvorschlag: (Jung)Lehrer, insbesondere für Naturwissenschaften und Förderunterricht, an Schulen mit hohem Lehrermangel delegieren. Also auch gezielt nach Krauschwitz.

Für Minister Christian Piwarz sind Abordnungen und Versetzungen keine Lösungen. „Betroffene müssten einverstanden sein, der Personalrat mitreden, eine Sozialauswahl erfolgen“, begründet er. Wenn sich zudem rumspreche, dass Sachsen „seine Lehrer von A nach B schickt“, würden noch mehr in andere Bundesländer abwandern, sich noch weniger Leute fürs Lehramt bewerben.

Lehrermangel endet frühestens 2032

Das könne man sich nicht leisten. Schon jetzt seien, trotz Studienplatz-Aufstockungen auf 2.700 pro Jahr, nicht mal 2.500 belegt. Bei naturwissenschaftlichen Fächern sei das Interesse besonders gering, gäbe es zudem 50 Prozent Abbrecher. Und, so der Minister, besonders uninteressant für Absolventen sei der ostsächsische Raum. „In Leipzig können wir 100 Prozent der offenen Lehrerstellen besetzen, in Dresden etwas weniger. Doch je weiter es in den Osten geht, umso weniger Lehrer wollen dort hin.“ Und dies, obwohl Sachsen 1.000 Euro mehr pro Monat an jene Referendare zahle – es seien die Bestbezahlten in Deutschland – die sich für eine ländliche Bedarfsregion entscheiden. Der Freistaat, erklärte Piwarz, tue was möglich sei, um Lücken zu schließen. Dazu würden Messen an den Unis gehören, wo sich Schulen vorstellen und um Lehrernachwuchs werben könnten; spezielle Förderangebote für Lehramt-Studenten in naturwissenschaftlichen Fächern, um die Abbrecherquote zu senken; der Ausbildungsstart für Oberschullehrer in Löbau ab 1. August. „An Unterstützungen und Bezahlung liegt es nicht, dass Lehrer fehlen.“ Vielmehr, meint Piwarz, müsse im ländlichen und ostsächsischen Raum mit Vorteilen wie kleinere Klassen, weniger Schüler mit Migrationshintergrund, bessere Lernbedingungen, gut ausgestattete Schulen geworben werden. Denn obwohl diesen Februar rund 600 Lehrer sowie 224 Seiteneinsteiger eingestellt werden konnten, werde sich die Gesamtlage frühestens 2032 verbessern. „Ich bin aber für jeden Vorschlag offen, wie wir zwischenzeitlich Lehrer für Ostsachsen gewinnen können.“

Vorschläge gibt es schon. Von offiziellen Eltern-, Pädagogen-, Schüler-, Kommunen-Vertretungen und durch Petitionen von Privatpersonen an den Sächsischen Landtag. Ein Lösungsvorschlag und Hilfeschrei gleichermaßen war auch die Petition von Yvonne Lichnok. Die Krauschwitzer Schulleiterin reichte sie als Privatperson zum Thema Bildung und Schule in Sachsen ein, weshalb sie auf dem Tisch von Christian Piwarz landete. Der lud sie als Schulleiterin daraufhin nach Dresden, bot einen Vor-Ort-Besuch mit Gesprächsrunde an.

„Da fiel mir ein, den Besuch mit einem offiziellen Sanierungsstart an unserer Schule verbinden zu können“, verrät Lichnok. Und so sprach der Minister gestern nicht nur mit Betroffenen und Besorgten, sondern verkündete bei einem Mini-Festakt im Schulhof auch offiziell, dass es für den neuen Anbau mit Fahrstuhl, Bibliothek, zusätzlichen Klassen- und Fachräumen sowie Aula nun 3,5 Millionen Euro vom Bund plus 800.000 Euro von Sachsen für die finanzbedürftige Gemeinde gibt.

Briefe und Appelle an den Minister

Nachdem das Kellergeschoss unterm Anbau bereits fertig ist, werden aktuell die Fundamente gesetzt, damit Fahrstuhl, Klassenräume & Co. dort entstehen können.
Nachdem das Kellergeschoss unterm Anbau bereits fertig ist, werden aktuell die Fundamente gesetzt, damit Fahrstuhl, Klassenräume & Co. dort entstehen können. © Sabine Larbig

Das freute Bürgermeister Tristan Mühl, reicht ihm aber nicht. Denn Krauschwitz hat mehr vor. „Seit über 30 Jahren kämpfen wir für die Schulsanierung. Nun fehlt noch das Haupthaus. Wir haben für diesen letzten, rund sechs Millionen teuren Bauabschnitt, zwar eine Spendenaktion gestartet, für den Sie gerne spenden können. Doch wir brauchen Fördermittel“, appellierte der Bürgermeister an den Minister. Der zeigte sich von den Kosten positiv überrascht. „Das ist ja mal ein Projekt, das mich nicht aus den Schuhen haut!“. Und Piwarz bot Mühl sogar an, samt Planungsunterlagen zu ihm nach Dresden zu kommen. „Eventuell können wir den Weg fürs Vorhaben für 2025/26 freimachen“.

Auf diese Äußerung drang lauter Beifall durch ein Klassenfenster. Überhaupt hatten die Krauschwitzer beim Treffen mit dem Minister keine Berührungsängste, wurde Tacheles in der Diskussion und im Hof geredet. Dabei nannten alle Klassenstufen sogar ihre Sanierungswünsche. Ganz oben rangierten ein Snack- und Getränke-Automat; mehr Sitzmöglichkeiten im Hof; viel Licht, Pflanzen, Platz und Farbe in Räumen und Schulhaus; ein Aufenthaltsraum für Buskinder und Freistunden. Aber auch Spielzeug für Fünftklässler, Spinde an Klassenräumen und ein „nicht mehr stinkender Musikraum“ standen auf der Liste. Die wurde, wie auch alle Fragen, dem Minister übergeben. In der Hoffnung auf Antworten, Problemlösungen, finanzielle Hilfe.