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Zwergenland ist jetzt eine Kita für alle

Die Einrichtung in Weißwasser führt keine heilpädagogische Gruppe mehr. Ein Nachteil soll das aber nicht sein.

Von Constanze Knappe
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Die Kita Zwergenland des Lebenshilfe-Vereins Weißwasser ist nun eine Kita für alle. Leiterin Kathrin Thöns und Susanne Kotte vom Elternrat enthüllten jetzt die Tafel.
Die Kita Zwergenland des Lebenshilfe-Vereins Weißwasser ist nun eine Kita für alle. Leiterin Kathrin Thöns und Susanne Kotte vom Elternrat enthüllten jetzt die Tafel. © Constanze Knappe

Die drei lustigen Zwerge an der Außenwerbung der Kita Zwergenland in Weißwasser lassen schmunzeln. Sie sind nach außen hin optischer Ausdruck des Wandels, der sich im Inneren vollzogen hat. Denn die Einrichtung arbeitet mit neuem Namen und neuem Konzept. Und das bedeutet vor allen Dingen, dass es keine heilpädagogische Gruppe mehr gibt.

Die Änderung beruht auf dem fachlichen Ansatz der Inklusion, welche die Gleichstellung der Menschen mit Behinderung bedeutet. Sie sollen so leben können wie alle anderen Menschen auch. Auf die Kita in Weißwasser bezogen, erklärt deren Leiterin Kathrin Thöns: „Es sind für jedes Kind solche Bedingungen zu schaffen, dass eine gute Betreuung möglich ist“. Das war zwar auch vorher schon der Fall, nur blieben dabei die Kinder mit Handicap zumeist in der separaten heilpädagogischen Gruppe unter ihresgleichen. Mit Ausnahme der Teilöffnung: Zweimal wöchentlich war eine Vermischung der Gruppen ausdrücklich erwünscht. In der Corona-Pandemie ist das allerdings nicht erlaubt. Mit dem neuen pädagogischen Konzept können die Kinder ohne Einschränkungen zusammen sein. Am Ende haben alle etwas davon.

Inklusion in flexiblen Gruppen

Die UN-Vollversammlung hatte 2006 ihre Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung verabschiedet. Sie trat 2008 in Kraft und wird seit 2009 Schritt für Schritt in Deutschland umgesetzt. Auf dieser Grundlage wurden im Landkreis die heilpädagogischen Plätze reduziert. Von den 114 im Jahr 2010 gab es fünf Jahre später noch 50. Aktuell sind es noch acht Plätze in Niesky und weitere acht Plätze in Zittau. Anliegen beim Sozialamt des Landkreises ist es, so viele Kinder mit Handicap wie möglich inklusiv betreuen zu lassen.

Die Finanzierung der heilpädagogischen Plätze musste jährlich beim Landkreis beantragt werden – anhand der Einschätzung zur Entwicklung der Kinder. Nach dem Abgang in die Schule wurden neue Plätze nicht mehr genehmigt, so dass in der Kita Zwergenland zuletzt nur noch für drei Kinder ein heilpädagogischer Status bestand. Damit war die heilpädagogische Gruppe für den Träger der Einrichtung, den Lebenshilfe-Verein in Weißwasser, betriebswirtschaftlich nicht mehr tragbar und wurde aufgegeben. „Wir hätten uns gewünscht, dass wir ein Stück weiter auf dem Weg zur Inklusion wären, als wir uns von der heilpädagogischen Gruppe verabschiedet haben“, so Kathrin Thöns.

Die Kita hat weiterhin 56 Plätze, davon 16 für betroffene Kinder in unterschiedlicher Ausprägung. Betreut werden sie von elf Erzieherinnen, die bis auf eine Mitarbeiterin alle eine heilpädagogische Zusatzqualifikation haben. „Es ist ein Spagat zwischen altersgerecht entwickelten und betroffenen Kindern, um allen gerecht zu werden“, räumt die Kita-Leiterin ein. Doch könne sie mit ihrem Team auf den Bedarf flexibel reagieren – dank eines darauf abgestellten Personalschlüssel. Somit kann eine Gruppe mit einem schwerstbetroffenen Kind kleiner sein, dafür andere Gruppen größer. „Da wir mit den Gruppengrößen jonglieren können, sind die Bauchschmerzen nicht so groß“, sagt sie. Das Team steht mit Herzblut hinter dem neuen Ansatz.

Kita punktet mit Erfahrung

Mit dem veränderten Betreuungskonzept befindet man sich nun stärker im Wettbewerb mit anderen Kitas, die gemäß dem Leitbild der Inklusion ebenfalls Kinder mit Handicap betreuen dürfen. Im Zwergenland will man mit dem großen Erfahrungsschatz punkten. „Wir arbeiten seit 1992 mit behinderten Kindern, zeitweise mit bis zu 23 gleichzeitig. Das ist dann noch etwas anderes, als wenn man nur ein bis drei betroffene Kinder zu betreuen hat“, erklärt die Kita-Leiterin.

Das Gebäude sei ebenerdig und barrierefrei gebaut. Und wegen der vormaligen heilpädagogischen Ausrichtung gebe es in den Gruppenräumen auch ein paar Quadratmeter mehr als anderswo. Eröffnet wurde die heilpädagogische Einrichtung 1992 – ohne Namen. Seit 1997 heißt sie Zwergenland. Versinnbildlicht wurde dies durch Disney-Zwerge auf dem Namensschild. Das aber sei nicht mehr zeitgemäß, auch wolle man nicht mehr von irgendwelchen Genehmigungen abhängig sein. Also haben Kinder der Einrichtung Zwerge gemalt. Drei davon sind nun an der Außenwerbung zu sehen.

Eltern stehen zum neuen Ansatz

Team, Elternrat und Träger überlegten, wie das neue Anliegen im Namen rüberzubringen ist. „Eine Kita für alle!“, hatte eine Mutti vorgeschlagen. Zwar gebe es nach Aussage von Kathrin Thöns auch ein Modellprojekt gleichen Namens in Sachsen, doch sei der Titel nicht geschützt. So kam die Kita Zwergenland zu ihrem neuen Untertitel.
Die Eltern stehen zu dem neuen Konzept, wie Susanne Kotte vom Elternrat betont. „Wir fanden es von Anfang an fair, dass die betroffenen Kinder, die mehr Ruhe brauchen, in große Gruppen sollen“, sagt sie. Und sie fügt hinzu: „Wir sind glücklich, die Kinder hierher zu bringen, weil trotz der Einschränkungen sehr individuell mit allen Kindern gearbeitet wird.“

Das sieht man im Rathaus offenbar genauso. „Wir sind der Stadt Weißwasser sehr verbunden, dass sie unseren neuen Weg mitträgt, denn die Personal- und Sachkosten werden anteilig von der Stadt erbracht“, erklärt Kathrin Thöns. So habe der Übergang reibungslos erfolgen können, würden alle Kinder vom „Spielen und Lernen – von- und miteinander“ profitieren.

Das neue Konzept findet sich auf der Website der Kita – elternfreundlich formuliert. Damit es auch Eltern verstehen können, die pädagogisch nicht vorgebildet sind, wie es heißt. Diese könnten sich so viel besser damit identifizieren.
In der Notbetreuung besucht aktuell etwa die Hälfte der Kinder die Einrichtung. Alles in allem sei man gut durch die Pandemie gekommen, nicht einmal musste bisher Quarantäne verhängt werden.

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