Weißwasser
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Schmerzgrenze bei Waldeisenbahn ist überschritten

Zwei Jahre war die Waldbahn stets einsatzbereit. Trotzdem gab es durch Corona kaum Fahrbetrieb. Die Verluste sind nicht nur wirtschaftlich enorm.

Von Sabine Larbig
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Seit 2020 ist die neue Werkstatt mit Abstellgleisen nutzbar, können Reparaturen an den historischen Dampfrössern ganzjährig erfolgen. Außerdem können Loks hier selbst im Winter mit vollem Wasserkessel auf Einsätze bei regulären und Sonderfahrten wa
Seit 2020 ist die neue Werkstatt mit Abstellgleisen nutzbar, können Reparaturen an den historischen Dampfrössern ganzjährig erfolgen. Außerdem können Loks hier selbst im Winter mit vollem Wasserkessel auf Einsätze bei regulären und Sonderfahrten wa © Joachim Rehle

Seit zwei Jahren grassiert die Pandemie, gelten stetig neue Regeln, die Planungen kaum erlauben oder hinfällig machen. Darunter leiden auch die Waldeisenbahn Muskau (WEM) und ihr Förderverein.

Während die GmbH 2020/2021 durch Ausfall bei Gastronomie, Souvenirverkauf, Gruppenreisen, Museum, Fahrbetrieb „nur“ ein Drittel Jahresumsatz-Verlust verzeichnete, verschlechterte sich die Lage des Vereins dramatisch. Er sichert den Dampflokbetrieb ab und fährt so das erforderliche Geld ein, um die historische Technik erhalten und anfallende Kosten bis hin zu Steinkohle, Strom und Wärme in Werkstätten und Vereinsgebäuden, zahlen zu können. Auch Eigenanteile bei geförderten Investitionen oder Instandsetzungen werden so, und über Spenden, erwirtschaftet. Doch ohne Fahrbetrieb keine Einnahmen.

WEM-Verein ist finanziell vorm Ende

„Die letzten zwei Jahre waren eine Riesenbreitseite und brachten je knapp 15.000 Euro Umsatz. Wir haben die Schmerzgrenze überschritten“, bekennt Förderverein-Chef Olaf Urban. Da zudem in allen Bereichen die Kosten explodieren – laut Urban zahle man allein 250 Euro plus CO2-Besteuerung für eine Tonne Kohle, womit eine Dampflok gerade vier Stunden fahren könne – überstehe man keine weitere Corona-Saison mit Komplettausfällen zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten.

Hinzu komme, dass der Verein viel Geld für Reparaturen und Instandsetzungen alter Loks brauche. Aktuellstes Beispiel sei die Aufarbeitung der Hilax, dem vierten Dampfross der WEM-Flotte, die ab 2024 auf dem Streckennetz rollen und, wenn andere Dampfloks aus technischen Gründen ausfallen, den Fahrbetrieb absichern soll. Allein ihre ab Februar beginnende Hauptinstandsetzung in einer Spezialwerkstatt, in Tschechien, so Urban, koste 170.000 Euro. „Armaturen, Farbe, Blecharbeiten, Fenster oder Kupplungen arbeiten wir schon in unserer Lokwerkstatt in Weißwasser in Eigenleistung auf, um zu sparen.“ Dabei komme manches Ersatzteil auf abenteuerlichen Wegen. So, wie die Puffer für die Hilux, die bis Ende der 1970er Jahre als Werkslok in einem Steinbruch bei Kamenz war, von dort zur Pioniereisenbahn Gera kam und nie fuhr, bevor sie 1998 von den Waldbahnern geholt wurde, weil hier mal eine baugleiche Grubenlok fuhr. Seither wartete die Lok auf ihre Instandsetzung, einschließlich der Puffer, die künftig sogar wieder original sind. „Ein Vereinsfreund entdeckte sie im Schweden-Urlaub und organisierte ihre Lieferung“, weiß Urban.

Spenden für Großprojekt Hilux

Solche Ereignisse und die Tatsache, dass in den letzten fünf Jahren bereits 98.000 Euro für die Hilux gespendet wurden, freuen ihn und WEM-Chef Heiko Lichnok. In dieser Woche gab es wieder eine Hilux-Spende. Martin Schüßler von der Apotheke am Eisstadion in Weißwasser übergab 500 Euro, die durch Kalenderverkäufe und Aufstockung durch den langjährigen WEM-Unterstützer und Bahnfan zusammen kamen. „Es ist wirklich viel Geld für uns. Normalerweise bekommen wir zehn, 20 oder 100 Euro Spenden“, so Olaf Urban.

Dabei ist die Hilux nicht die einzige, für die der Verein Geld braucht. Auch die Dampflok 99-3315, die seit 2017 bei der WEM im Einsatz ist, muss saniert werden. Konkret geht es hier um den Wechsel aller 43 Heizungsrohre. Kosten: rund 50.000 Euro. Zwar hat der Verein einen Fördermittelantrag dafür gestellt. Trotzdem müssen 12.000 Euro selbst aufgebracht werden. Alles Gründe, weshalb der Verein stetig für Spenden und Großsponsoren wirbt.

WEM-Chef fordert Gleichbehandlung

Trotz dieser Herausforderungen und der Tatsache, dass Dampflokbetrieb 80 Prozent Instandhaltung und nur 20 Prozent Fahren bedeutet, haben Verein und GmbH bereits den Fahrplan 2022 fertig. Gemeinsam hoffen sie, zu Ostern in eine relativ normale Saison starten zu können. Zwar könnte die Bahn bereits fahren. Aber für sie gilt 2G-Plus. „Das ist im Regelbetrieb nicht kontrollierbar, höchstens bei Gruppen-Sonderfahrten. Doch da sind die Anfragen sehr verhalten, weil sich weiterhin alle paar Wochen die Corona-Verordnungen und Regeln ändern und niemand langfristig planen kann“, begründet Heiko Lichnok. Er hofft daher auf 3G als Planungsgrundlage und ebenfalls endlich auf eine sächsische Gleichstellung von Museumsbahnen, die seit Corona in touristische und Linienverkehr-Bahnen unterteilt werden.

„Das geht so nicht“, sagt Lichnok angesichts der Einbußen und fehlender staatlicher Hilfs- und Überbrückungsgelder, weil die WEM – anders als die Zittauer Schmalspurbahn – als touristische Bahn zählt. „Wir müssen lernen, mit der Pandemie zu leben und Wege finden, trotz Gefahren weiterzukommen ohne immer alles dicht zu machen. Das ist mein Appell an die Politik“, erklärt der WEM-Geschäftsführer. Denn Corona brachte „seiner“ Bahn nicht nur finanzielle Verluste. Ehrenamtliche Arbeit, selbst in Werkstätten, wurde lahmgelegt; Marketing, Busreisegeschäft und Ausbildung blieben auf der Strecke. „Wir brauchen Jahre zum Aufholen und leider ist noch immer kein Ende in Aussicht“, meint Lichnok mit Blick auf die Corona-Politik.

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