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Ein Weißwasseraner träumt von Olympia

Für Hochspringer Jonas Wagner kam die Verschiebung der Spiele gerade recht. Zur Norm fehlt nur noch eine Handbreit.

Von Frank Thümmler
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Der aus Weißwasser stammende Jonas Wagner geht optimistisch in die Olympiasaison. Der Leichtathlet vom Dresdner SC ist der schnellkräftige Hochspringer-Typ, der mit hoher Anlaufgeschwindigkeit und Explosivität beim Absprung seine Höhe erreicht.
Der aus Weißwasser stammende Jonas Wagner geht optimistisch in die Olympiasaison. Der Leichtathlet vom Dresdner SC ist der schnellkräftige Hochspringer-Typ, der mit hoher Anlaufgeschwindigkeit und Explosivität beim Absprung seine Höhe erreicht. ©  Ronald Bonss

Wo Jonas Wagner am 30. Juli dieses Jahres am liebsten wäre, weiß der 23-jährige Weißwasseraner ganz genau: im Nationalstadion in Kasumigaoka, im Bezirk Shinjuku der japanischen Hauptstadt Tokio. Die Anlage im Westen der Stadt ist Hauptaustragungsort der Olympischen Sommerspiele. Hier finden die Leichtathletikwettbewerbe statt. Am Morgen jenes 30. Juli steht die Qualifikation im Hochsprung an, zwei Tage später das Finale.

Dass Jonas Wagner tatsächlich nach Tokio darf, ist nicht unrealistisch. Letztlich hat es der talentierte Hochspringer selbst in der Hand. Der Leichtathlet vom Dresdner SC muss „nur“ die Olympianorm von 2,30 Metern überspringen. Seine bisherige Bestleistung steht bei 2,24 Metern, übersprungen bei einem Meeting am 2. Juni 2019. Zur Olympianorm fehlt also nicht einmal mehr eine Handbreit. Die 2,30 Meter zu überspringen, darauf trainiert der junge Mann derzeit intensiv hin. Dass er das darf, ist angesichts der Corona-Pandemie nicht selbstverständlich. Als Leistungssportler mit dieser Perspektive ist das jetzt, anders als im Frühjahr 2020, aber erlaubt. Und der inzwischen 1,93 Meter große und 85 Kilo schwere Athlet, ist optimistisch.

Körpergröße machte einst Sorgen

In seiner Heimatstadt Weißwasser fiebern Viele mit. Zuallererst natürlich seine Familie: Vater Rüdiger hat als Leichtathlet vor allem im Seniorenalter viele Titel und Medaillen abgeräumt, kann aber auch viele andere Sportarten und ist derzeit Leichtathletiktrainer in Hoyerswerda. Mutti Steffi arbeitet dort als Sportlehrerin und ist ebenfalls eine erfolgreiche Leichtathletin. Der große Bruder Jakob spielt inzwischen Handball als Torwart beim Radeberger SV, motivierte einst Jonas, es mit dem Hochsprung zu versuchen. Dass der kleine Wirbelwind als Kind bei den Leichtathleten landen würde, war angesichts dieser Vorgeschichte klar. Bei Trainer Wolfgang Petsch und anderen konnte das Sprint- und Sprungtalent wachsen, sorgte schon früh vor allem mit hohen Sprüngen – trotz seiner damals eher kleinen Körpergröße –für Aufsehen. Auch bei der Sportschule in Dresden. Jonas wurde angesprochen, es mit einem Probetraining zu versuchen.

Er wechselte 2013, als 13-Jähriger, nach Dresden. Dort bestätigte sich seine Begabung für den Hochsprung. Als 15-Jähriger sprang er bereits 1,91 Meter hoch, mit nur 1,65 Metern Körpergröße. Das fehlende Wachstum war dann auch die wohl größte Sorge in der jungen Hochspringerkarriere. Ein Arztbesuch brachte dann Erleichterung: Da sei noch genug Wachstumspotenzial, was sich dann auch bestätigte. Die 1,93 Meter heute reichen, um auch große Höhen möglich zu machen, zumal Jonas Wagner einen anatomischen Vorteil aufweist: „Ich habe eine Froschfigur, lange Beine und einen kurzen Oberkörper“, sagt er lachend. Der hohe Körperschwerpunkt macht den Hochsprung leichter.

Trotzdem folgte eine schwierige Phase, in der Jonas Wagner zweifelte: „Es ging zwei Jahre lang einfach nicht voran. Ich habe schon überlegt, es sein zu lassen“. Aber dann platzte der Knoten. Bei den Hallenmeisterschaften in Chemnitz vor ziemlich genau fünf Jahren gelang der erste Zwei-Meter-Sprung, gleich 2,02 Meter. „Dazu kam ein Trainerwechsel zu Jörg Elbe, der den bekanntesten Dresdner Hochspringer Raúl Spank zu WM-Bronze geführt hatte. Da aufzuhören, wäre echt dumm gewesen“, sagt Jonas Wagner heute. Es ging weiter aufwärts. 2019 fielen erst die 2,20 Meter, später gar die 2,24 Meter. Es folgte ein sechster Platz bei der U23-EM. 2020 sollte der nächste Schritt folgen, 2,27 Meter hieß das Saisonziel. Aber dann kam Corona.

Training mit Vater auf Waldwegen

„Wir durften plötzlich nicht mehr gemeinsam und auf den Anlagen trainieren. Ich bin dann zurück nach Weißwasser, habe angeleitet von meinem Vater auf den Waldwegen um Weißwasser getan, was möglich war. Aber von normalem, hochsprung-spezifischem Training war das weit weg“, erzählt Jonas Wagner, der die Zeit auch genutzt hat, um mit seinem Physikstudium voranzukommen. Angesichts dieser Umstände waren die 2,20 Meter, die er im Sommer zweimal überquerte und die zu der ersten Medaille bei Deutschen Meisterschaften der Männer (Bronze) reichten, aus seiner Sicht noch ganz okey.

Andererseits profitierte Jonas Wagner auch von der Corona-Situation: Er konnte eine Fußverletzung richtig auskurieren und vor allem: Die Olympischen Spiele, die 2020 für ihn wohl noch zu zeitig gewesen wären, wurden um ein Jahr verschoben. Entsprechend hoch ist jetzt die Motivation: „Mein Trainingspartner und ich hatten es wohl sogar übertrieben und mussten dann etwas kürzer treten. Aber wir konnten an technischen Feinheiten und vor allem an meiner Schnelligkeitsentwicklung arbeiten. Und da ist es wirklich vorwärtsgegangen“, freut sich der Weißwasseraner.

Als Physikstudent weiß er ganz genau, dass mit höherer Absprunggeschwindigkeit auch größere Höhen möglich sind, vorausgesetzt, er bekommt das technisch umgesetzt. Sein Studium kommt ihm manchmal dabei zugute, komplizierte Zusammenhänge in den Bewegungsabläufen leichter zu verstehen. „Als der Trainer bei einem Bundeslehrgang mit physikalischen Fachbegriffen um sich warf und ich da mitreden konnte, schaute er erstmal erstaunt, bis ich ihm den Hintergrund erklärte. Seitdem redet er mit mir in diesen Dingen noch mal anders.“

Am Ablauf ist Träumen verboten

So langsam wird es jetzt ernst für Jonas Wagner. Ende Februar stehen die Deutschen Hallenmeisterschaften in Erfurt an. Danach folgt eine kurze Trainingspause, bevor die Vorbereitung auf die Sommersaison beginnt. Dann wird es mehrere Gelegenheiten geben, die Olympianorm zu schaffen. Jonas Wagner will sich aber nicht verrückt machen lassen: „Man darf nicht anfangen zu denken. Wenn ich am Ablauf stehe, muss alles andere, zum Beispiel welche Folgen ein Sprung hat, hinten angestellt sein. Da geht es nur um die Konzentration auf diesen einen Sprung.“

Wenn aber Träumen erlaubt ist, genügt ein Verweis auf Gerd Wessig. 1980 wurde der damals 21-Jährige mit persönlicher Bestleistung von 2,30 Metern überraschend kurz vor den Olympischen Spielen DDR-Meister und wurde daraufhin nachträglich für die DDR-Mannschaft nominiert. Bei den Olympischen Spielen in Moskau gewann er dann mit 2,36 Metern (damals Weltrekord) die Goldmedaille.

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