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Weißwasser und die Lausitz im Spiegel junger Kunst

Kodekü – die Kunstresidenz führte 2023 junge Künstler aus dem In- und Ausland nach Weißwasser. Wie sie sich mit der Lausitz im Wandel befassten, war jetzt nochmals ein Thema.

Von Constanze Knappe
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Zur Kodekü-Midissage im Glasmuseum kamen einige Gäste.
Zur Kodekü-Midissage im Glasmuseum kamen einige Gäste. © Constanze Knappe

Weißwasser. Glühende Kohlen, Heidelandschaften und Frauenarbeitsplätze – Themen, die in Vergangenheit und Gegenwart eng mit der Lausitz und der Stadt Weißwasser verknüpft sind. In der Sonderausstellung „Kohle, Sand & Glas“ zeigt das Glasmuseum, wie sich drei junge Künstlerinnen damit auseinandergesetzt und Fragen nach der Zukunft gestellt haben. Anne Reiter (Leipzig), Sophie Netzer (Linz/Österreich) und Gloria Sogl (Nürnberg) waren Teilnehmerinnen der Kunstresidenz „Kollision der Künste“ (Kodekü), welche Ende August 2023 im Neufert-Bau in Weißwasser stattfand. Mehr als 70 Bewerbungen hatte es dafür gegeben, eingeladen wurden letztlich 13 junge Künstler aus dem In- und Ausland. Von den bei Kodekü entstandenen Kunstwerken wurden drei für die Sonderschau im Glasmuseum ausgewählt. „Die anderen Arbeiten waren sehr stark an den Entstehungsort gebunden und hätten in unseren begrenzten Ausstellungsraum nicht reingepasst“, begründete Museumsleiterin Christine Lehmann.

Von den Menschen hier inspiriert

Gloria Sogl, die vorher nie Berührungspunkte mit der DDR und ihrer Geschichte hatte, brauchte nach eigener Aussage eine Woche, um hier in Weißwasser anzukommen. Die dann noch verbleibende Zeit wurde fast zu knapp. Im Archiv der Stadt suchte sie nach Material. Unter dem Motto des DDR-Kinderliedes „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht...“ brachte Gloria Sogl Fotos und Texte zur Frauenarbeit in der Glasindustrie mit organischen Farben im Siebdruckverfahren auf Scheiben aus dem Neufert-Bau auf, die dann bei Stölzle Lausitz gebrannt wurden.

Die Sand-Installation von Sophie Netzer „Hinter der Heide“ steht für den Wandel der Lausitz von den Mondlandschaften zu rekultiviertem Gelände mit Lebensqualität für Mensch und Tier. Dazu inspiriert wurde die Österreicherin durch eine Besichtigung im Tagebau Nochten. Es sei „eindrucksvoll, wie stark der Mensch in die Landschaft eingreift“, hatte sie hinterher erklärt.

Anne Reiter kam nach Weißwasser, wie sie selber erzählt, „mit dem Gedanken einer perspektivlosen Gegend im Kopf“. Hier sei sie dann aber auf Menschen getroffen, die optimistisch in die Zukunft schauen. Ihre Eindrücke setzte sie in Form „Glühender Kohlen“ um. Indem weiches Material auf die Härte der Kohlen trifft, sei es Ausdruck der Wertschätzung, aber auch der Suche nach anderen Stofflichkeiten. Alle drei jungen Künstlerinnen möchten mit ihren Arbeiten Denkanstöße geben. Sie selber bedankten sich bei den „Menschen in der Region, die ihre Gedanken, Geschichten und Erinnerungen mit ihren geteilt haben“, wie es Sophie Netzer formulierte.

Während der Winterpause des Glasmuseums Weißwasser war der Sonderausstellungsraum renoviert worden. Seit der Wiederöffnung im Februar ist die Kodekü-Sonderschau zu sehen. Statt der sonst üblichen Vernissage zu Beginn einer Ausstellung gab es diesmal eine Midissage, also ein Treffen mit den Künstlerinnen quasi zur Halbzeit.

Bei Kodekü sei der Name Programm, erklärte Anja Herzog vom Organisationsteam. Die Bischofswerdaerin studierte in Dresden Kunst. Zurück in ihrer Heimatstadt wollte sie „Menschen verbinden, die ihren Ort lieben und manchmal auch hassen“. Mit Gleichgesinnte hob sie die „Kollision der Künste“ aus der Taufe. Man suche dafür bewusst „kleine Orte wie Weißwasser, um mittels Kunst Leute zusammenzubringen“, betonte sie. In Weißwasser sei man sehr willkommen gewesen – aber auch auf Vorurteile gestoßen. Denn „einen Haufen Geld“, wie sich ein Bürger der Stadt verächtlich äußerte, hätten die Künstler für die zwei Kodekü-Wochen ganz und gar nicht bekommen, lediglich eine Aufwandsentschädigung für die Arbeit hier. Dennoch habe es so viele Bewerbungen gegeben. Finanziert wird Kodekü zum großen Teil über Fördergelder. Die Startfinanzierung von 5.000 Euro vor drei Jahren habe jedoch kaum für die gemietete Technik gereicht. „Aber es ist schon unser Anliegen, die Künstler und alle anderen Beteiligten fair zu bezahlen“, betonte Anja Herzog. An dem Punkt sei man noch nicht, aber auf einem guten Weg, sagte sie.

Mit der Kamera begleitet

Höhepunkt der Midissage war die Premiere des Dokumentarfilms „Kodekü“. Mit der Kamera haben die Filmemacher der Globale Perspektiven GbR die Künstler während der zweiwöchigen Werkstatttage begleitet. Der Film zeigt, wie sie Land und Leuten begegnet sind, wie sie sich mit den Problemlagen der Menschen hier auseinandergesetzt und daraus ihre mitgebrachte künstlerische Idee weiterentwickelt haben.

Zu Wort kommen aber auch Bürger der Stadt, die das Projekt neugierig verfolgt sowie mit ihren Gedanken und Erinnerungen begleitet haben. „Kunst öffnet den Blick und gibt Raum für andere Sichtweisen“, sagt beispielsweise Einwohnerin Regina. Und, dass es bestimmt Leute gibt, die mit Kodekü nichts anzufangen wissen. Ein Weißwasseraner hält das Projekt für „einen fahrenden Wanderzirkus“. Wo hingegen ein Anderer nicht nachvollziehen kann, warum sich nicht mehr Leute für das Projekt interessiert haben. „Vermutlich hätte man sie zu Hause abholen und zum Neufert-Bau hinbringen müssen“, gibt er selber die Antwort.

Gefördert wurde der Film von der Kulturstiftung Sachsen. Zur Premiere im Glasmuseum kamen 48 Interessierte. „Total platt“ über so viel Zuspruch freute sich Museumsleiterin Christine Lehmann. Wie es hieß, soll der Film auf Reisen gehen und noch an weiteren Stationen, etwa Ende Mai in einer alten Textilfabrik in Ebersbach-Neugersdorf, gezeigt werden. Danach wird er auch online zu sehen sein.

Dass von Kodekü etwas bleibt, da ist sich Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext) sicher. Im gemeinsamen Tun habe das Projekt Künstlern wie Einheimischen zu neuen Einsichten verholfen. „Weißwasser ist nicht die Perle der Oberlausitz, aber wenn du genauer hinguckst, ist es sehr schön“, sagt Einwohnerin Regina in dem Film. Der Beifall am Ende zeigte, dass nicht nur sie das empfindet.

Sonderausstellung „Kohle, Sand & Glas“ noch bis zum 14. April im Glasmuseum Weißwasser, Forster Straße 12, zu sehen. Geöffnet: Die. bis Fr. 9 bis 16 Uhr, Sa./So./Feiertag 13 bis 17 Uhr. Telefon 03576 204000. [email protected]