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Firmen sehen Geschäftslage pessimistisch

Der Herbst-Konjunkturreport der IHKs Cottbus und Dresden zeigt, dass sich die Lausitzer Wirtschaft nach Corona nicht erholte. Eine Lageverschlechterung erwarten 45 Prozent der befragten Firmen.

Von Sabine Larbig
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Bei der Firma Kreisel in Krauschwitz werden Maschinen und Anlagen für die Holz-, Zement-, Beton- und Chemieindustrie von klein bis riesig gefertigt und weltweit vertrieben.
Bei der Firma Kreisel in Krauschwitz werden Maschinen und Anlagen für die Holz-, Zement-, Beton- und Chemieindustrie von klein bis riesig gefertigt und weltweit vertrieben. © Sabine Larbig

Mitgemacht bei der Umfrage hat auch der Anlagenbauer und Umweltspezialist Kreisel in Krauschwitz. Mit 170 Mitarbeitern an drei Standorten zählt Kreisel zu den klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU), die die Lausitz prägen.

Doch anders als beim Großteil der über 500 befragten Firmen sehen die Krauschwitzer die Zukunft positiv. Auch, weil sich das seit 111 Jahren tätige Familienunternehmen durch Innovation, Export und Spezialisierung auf industrielle Schüttgutanlagen, Filtertechnik, Anlagenbau am Markt behaupten kann. Im firmeneigenen Labor werden, durch Kooperation bei Forschung und Entwicklung, zudem „grüne Themen“ entwickelt und getestet. So, wie Anlagen zur Betonherstellung, bei denen Kaffee- und Reisschalen zur Energieerzeugung verbrannt werden. „Durch unser breites Spektrum sind wir bisher ganz gut durch die Rezession gekommen, blicken wir optimistisch in die Zukunft“, sagt Geschäftsführer Wolfram Kreisel, der erst jüngst einen USA-Großauftrag für Riesenzellenradschleusen erhielt. „Eitel Sonnenschein“, sagt er, herrsche dennoch nicht. Täglich kämpfe man mit der noch schwieriger gewordenen geopolitisch-wirtschaftlichen Lage und mit den hemmenden Rahmenbedingungen, hohen Energie- und Rohstoffkosten sowie bürokratischen Hürden in Deutschland, was die Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen erschwere.

Probleme, die auch die über 500 für den Report befragten Lausitzer Firmen angaben. Als Hindernisse bemängelt wurden auch Embargos und Sanktionen, wie gegen Russland, und Fachkräftemangel. „Noch haben wir weltweit Aufträge, arbeiten bei uns Generationen von Familien, haben wir Auszubildende und Bewerbungen“, sagt Wolfram Kreisel. Entspannt sein könne er durch viele Wirtschaftsrisiken aber nicht.

Vielfältige Probleme spiegelt auch der Herbst-Konjunkturreport 2023 der Industrie- und Handelskammern Cottbus und Dresden wider. Befragt wurden Unternehmen aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel, Dienstleistungen, Tourismus und Verkehr in der sächsischen und brandenburgischen Lausitz. Das Ergebnis fällt weit weniger zuversichtlich aus als bei dem Krauschwitzer Unternehmen. Dort wurde der Report am Dienstag öffentlich präsentiert, weil die Firma – laut Lukas Rohleder, Hauptgeschäftsführer der IHK Dresden – „ein gutes Mittelstandsbeispiel für erfolgreiche Vernetzung, Innovation und Kooperation“ sei. Etwas, was vielen KMU noch fehle. „Grundlage für einen gelingenden Strukturwandel und Firmenwachstum, abgesehen von beispielsweise einer leistungsfähigeren A4 und elektrifizierten, ausgebauten Bahntrassen Dresden-Görlitz sowie Berlin-Görlitz, sind innovative, zukunftsfähige Geschäftsmodelle. Das müssen Bestandsunternehmen erkennen“, meint Rohleder und verweist in dem Zusammenhang auf den EU-Fonds zur Förderung des Strukturwandels in den Braunkohleregionen, den Just Transition Fund (JTF). Allein im Lausitzer Revier sollen über den Fonds 375 Millionen Euro fließen. KMU können damit Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sowie Investitionen in neue Verfahren, Anlagen, innovative Geschäftsideen finanzieren. Aber das Antragsprozedere ist nicht einfach.

Überhaupt seien hohe bürokratische Hürden, so der Cottbuser IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Krüger, generell ein wirtschaftliches Hemmnis. „Vieles hat sich zum Selbstzweck etabliert, die Unternehmen im Fesselgriff. Wir brauchen dringend eine umfassende, radikale Entbürokratisierung, schnellere Genehmigungs- und Planungszeiten in Deutschland und keine deutschen Zusätze zu den sowieso harten EU-Regularien“, fordert er. Abgesehen davon leide die Industrie, laut Krüger, weiter an internationalen Krisen, einhergehender mangelnder Nachfrage im In- und Ausland, wodurch Umsatz-, Exporterwartungen und Beschäftigtenplanung weiter rückläufig seien. Die Baubranche, so der Dresdner IHK-Chef weiter, befinde sich durch hohe Zinsen und Materialkosten für Auftraggeber weiter in der Abwärtsspirale, was sich im Großhandel fortsetze. Der Einzelhandel kämpfe mit Konsumzurückhaltung und ausbleibender Kauflaune. Lediglich Dienstleistungs- und Tourismusbranche hätten im Sommer einen leichten Aufwärtstrend verzeichnet, würden nun aber auf die „dunkle Jahreszeit“ zusteuern. Auch wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer für Speisen ab 2024, steigender Energiekosten, Lebensmittelpreise, Löhne.

Angesichts der allgemeinen Lage gehen 38 Prozent der Lausitzer Unternehmen von künftig noch schlechteren Geschäften aus. Laut Krüger müsse man in der Gastronomiebranche sogar mit verkürzten Öffnungszeiten, weniger Personal, Schließungen rechnen. Zudem würden sich die Prognosen in allen Branchen stark eintrüben, werde ein deutlicher Abschwung befürchtet, sei weiterer Personalabbau wahrscheinlich. Denn laut Report rechnen nur acht Prozent der Firmen mit besseren Geschäften, 45 Prozent dagegen mit einer weiteren Verschlechterung. „Fluktuation von Mitarbeitern, von denen jetzt 50 Prozent der Sozialversicherten über 55 Jahre sind, demografische Entwicklung und Kannibalisierung des Arbeitsmarktes verschärfen die Lage“, erklärte Wolfgang Krüger. Schon jetzt schränke fast die Hälfte der befragten Firmen deshalb ihr Angebot ein, würden Auftragsverluste durch Arbeitskräftemangel hingenommen, müssten 62 Prozent ihrer Belegschaft viel mehr abfordern, würden 54 Prozent steigende Arbeitskosten verzeichnen. Das habe zur Folge, dass jedes zehnte Lausitzer Unternehmen über Schließung oder Verkauf nachdenke. Trotzdem würden mehr als die Hälfte der befragten Firmen keinen Bedarf an Fachkräften aus Drittstaaten sehen. Vorm Hintergrund der nötigen Begleitung, mangelnder Unterstützungs- und Sprachangebote, so Krüger, sei dies aber nachvollziehbar.