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Taucher bergen zwei Leichen nach Brückeneinsturz in den USA

Die Ermittlungen zum Unglück im Hafen von Baltimore dürften noch Monate dauern. An Bord des havarierten Frachtschiffs befinden sich Dutzende Container mit Gefahrgut. Einige davon sind beschädigt.

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In der US-Stadt Baltimore hat ein Schiff eine vierspurige Autobrücke gerammt und diese zum Einsturz gebracht.
In der US-Stadt Baltimore hat ein Schiff eine vierspurige Autobrücke gerammt und diese zum Einsturz gebracht. © WJLA/AP/dpa

Baltimore/Washington. Nach dem Einsturz einer großen Autobahnbrücke im Hafen der US-Stadt Baltimore haben Einsatzkräfte zwei Tote aus dem Wasser geborgen. Die Polizei des Bundesstaates Maryland teilte am Mittwochabend (Ortszeit) mit, Taucher hätten die Leichen der 26 und 35 Jahre alten Männer aus einem Pickup-Truck in sieben Meter Tiefe gezogen. Unterdessen wurde bekannt, dass sich an Bord des havarierten Frachtschiffs, das die Brücke zum Einsturz gebracht hatte, große Mengen gefährlicher Stoffe befinden.

Die Kollision ließ die mehr als 2,5 Kilometer lange Brücke einstürzen.
Die Kollision ließ die mehr als 2,5 Kilometer lange Brücke einstürzen. © WJLA/AP

Das rund 290 Meter lange Containerschiff "Dali" hatte in der Nacht zu Dienstag einen Stützpfeiler der vierspurigen Francis Scott Key Bridge gerammt und das mehr als 2,5 Kilometer lange Bauwerk so zum Einsturz gebracht. Nach Angaben des Verkehrsministers von Maryland, Paul Wiedefeld, befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks acht Bauarbeiter auf der Brücke, um Schlaglöcher auszubessern. Zwei von ihnen wurden am Dienstag gerettet. Von den sechs anderen - die laut Polizei aus Mexiko, Guatemala, El Salvador und Honduras stammen - fehlte bislang jede Spur.

Ins Wasser gestürzte Fahrzeuge unter Trümmern begraben

Bei den Toten, die nun gefunden wurden, handelt es sich um zwei dieser vermissten Bauarbeiter, wie die "Washington Post" unter Berufung auf deren Arbeitgeber berichtete. Die Behörden gehen davon aus, dass auch die anderen Vermissten tot sind und ihre Leichen vorerst nicht geborgen werden können. "Wir haben alle Suchbemühungen in der Umgebung dieses Einsatzortes ausgeschöpft", sagte Roland Butler von der Polizei von Maryland am Mittwochabend. Der Einsatz von Sonartechnik habe gezeigt, dass weitere ins Wasser gestürzte Fahrzeuge von Trümmern und Beton umschlossen und daher nicht zugänglich seien. Die Bedingungen im Wasser rund um die gewaltigen Trümmerteile seien inzwischen derart gefährlich, dass Taucher sich dort nicht mehr sicher bewegen könnten.

Blick auf die Francis Scott Key Bridge vor der Kollision.
Blick auf die Francis Scott Key Bridge vor der Kollision. © AP

Zwar hatte die Schiffsbesatzung vor dem Zusammenprall noch einen Notruf abgesetzt, was vermutlich Leben rettete - denn Beamte an Land stoppten den Verkehr und verhinderten so, dass weitere Autos auf die Brücke gelangten. Trotzdem brachen große Teile der Brücke in sich zusammen.

Einsatzkräfte konzentrierten sich in den Stunden nach dem Unglück zunächst auf die Suche nach Überlebenden. Inzwischen sind jedoch auch intensive Ermittlungen zum Hergang des Unglücks angelaufen. Vertreter der für Transportsicherheit zuständigen US-Behörde NTSB gingen am Mittwoch erstmals an Bord des Frachters. Behördenchefin Jennifer Homendy stellte am Abend (Ortszeit) erste Details der Untersuchungen vor.

Ermittlern steht "gewaltige Unternehmung" bevor

Ermittler sicherten unter anderem den sogenannten Schiffsdatenschreiber. Dieser ist besonders wichtig für die Ursachenforschung. Den Aufzeichnungen darauf zufolge meldeten Besatzungsmitglieder kurz vor der Kollision, dass der Frachter Probleme mit der Stromversorgung und keinen Antrieb mehr hatte. Wie es dazu kam, ist aber noch unklar. Homendy zufolge waren zum Zeitpunkt des Unglücks 23 Besatzungsmitglieder an Bord des Frachters. Zur Schiffsladung gehörten 56 Container mit gefährlichen Materialien, etwa ätzende oder entzündliche Stoffe - mit einem Gewicht von insgesamt 764 Tonnen. Einige der Gefahrgutbehälter seien beschädigt.

Homendy betonte, zunächst würden Informationen zusammengetragen, Schlussfolgerungen und Einschätzungen zur Ursache des Unglücks werde es erst später geben. Bei den Ermittlungen handele sich um eine "gewaltige Unternehmung", die viele Monate dauern dürfte. Ein erster vorläufiger Bericht solle aber in zwei bis vier Wochen präsentiert werden.

Transportbehörde: Bauweise der Brücke veraltet

Die 1977 fertiggestellte Brücke sei vor dem Unfall in "zufriedenstellendem Zustand" gewesen, sagte Homendy. Die letzte grundlegende Inspektion habe im Mai 2023 stattgefunden. Allerdings sei die Brücke in einer Bauweise errichtet, bei der das Versagen eines kritischen Bauteils den kompletten oder teilweisen Einsturz verursachen könne. Heutzutage würden andere Methoden zum Brückenbau bevorzugt.

Als Teil der überregionalen Verkehrsader Interstate 695 überspannte die Francis Scott Key Bridge den Hafen der Ostküsten-Metropole Baltimore. Homendy sagte, im Schnitt hätten pro Tag mehr als 30 000 Fahrzeuge die Brücke überquert.

Was genau ist passiert?

Das unter singapurischer Flagge fahrende, rund 290 Meter lange Containerschiff "Dali" war nach Angaben von Marylands Gouverneur Wes Moore "mit acht Knoten, also mit rasanter Geschwindigkeit" auf die Brücke zugesteuert - das sind etwa 15 Kilometer pro Stunde. Die Kollision ließ die vierspurige, mehr als 2,5 Kilometer lange Brücke einstürzen. Als Teil der überregionalen Verkehrsader Interstate 695 überspannte sie den Hafen der Ostküsten-Metropole Baltimore.

Nach Angaben des Verkehrsministers von Maryland, Paul Wiedefeld, befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks acht Bauarbeiter auf der Brücke, die dort Schlaglöcher reparierten. Zwei Menschen konnten gerettet werden. Eine Person wurde laut US-Medien zunächst in ein Krankenhaus eingeliefert und kurze Zeit später wieder entlassen. Die verbliebenen sechs Menschen galten über viele Stunden hinweg als vermisst.

Wie kam zu der Kollision?

Hinweise auf eine vorsätzliche Tat oder gar einen Terroranschlag gibt es Behörden zufolge nicht. US-Präsident Joe Biden sprach von einem "schrecklichen Unfall". Ersten Erkenntnissen zufolge könnte ein Problem mit der Stromversorgung die Ursache gewesen sein. Nach Angaben aus Singapur kam es wohl zu einem "vorübergehenden Antriebsverlust", weshalb das Schiff seinen Kurs nicht halten konnte.

Die Vorsitzende der Behörde für Transportsicherheit NTSB, Jennifer Homendy, äußerte sich zunächst nicht zu den möglichen Ursachen. "Die NTSB spekuliert nicht, wir liefern Fakten", sagte sie. Bei den Untersuchungen würden sich zwei Dutzend Ermittler sowohl die Bauweise der Brücke als auch das Schiff und dessen Historie genau anschauen. Von besonderer Bedeutung sei dabei der sogenannte Schiffsdatenschreiber.

Die 22-köpfige Besatzung ist laut Singapurs See- und Hafenbehörde in Sicherheit. Das dänische Reedereiunternehmen Maersk bestätigte, es habe das Schiff von der Chartergesellschaft Synergy Group gemietet und darauf Fracht von Kunden transportiert.

Wäre ein Unglück wie in Baltimore auch in Deutschland möglich?

Ausgeschlossen sei so etwas nie, sagen Experten. Doch es gebe Vorkehrungen, die einen solchen Unfall in Deutschland unwahrscheinlich machten. Brückenbau-Experte Josef Hegger vom Lehrstuhl und Institut für Massivbau der RWTH Aachen erklärte, die Bundesanstalt für Wasserbau lege etwa Regeln fest, welcher Anpralllast Pfeiler Stand halten müssen - je nach Schifffahrtsweg und Größe der dort verkehrenden Schiffe. Zusätzlich gebe es auf den Wasserwegen Einrichtungen ähnlich einer Leitplanke, die einen Aufprall verhindern sollen. Das Wichtigste aber: Meist seien Brücken in Deutschland so konstruiert, dass Schiffe mit den Pfeilern nicht oder nur schwer kollidieren könnten. (dpa)