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Döbelner Familie wird um 18 Ukrainer größer

Um alle unterzubringen, benötigt Familie Madeckt Unterstützung. Die bekommt sie von den Kollegen aus dem Fachkrankenhaus Bethanien.

Von Sylvia Jentzsch
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Olga Madeckt (links hat gemeinsam mit ihrem Mann 18 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Um ihnen das Minimum an Wohnkomfort bieten zu können, bekamen sie Unterstützung von den Kollegen des Fachkrankenhauses Bethanien in Hochweitzschen.
Olga Madeckt (links hat gemeinsam mit ihrem Mann 18 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Um ihnen das Minimum an Wohnkomfort bieten zu können, bekamen sie Unterstützung von den Kollegen des Fachkrankenhauses Bethanien in Hochweitzschen. © Dietmar Thomas

Hochweitzschen/Döbeln. Sie spricht sehr gut Deutsch mit sächsischem Akzent – Olga Madeckt stammt aus Kiew, lebt aber schon länger als 26 Jahre in Deutschland. Seit 2009 arbeitet die gelernte Krankenschwester im Fachkrankenhaus Bethanien in Hochweitzschen – Zentrum für Psychosoziale Medizin und ist nach einer entsprechenden Ausbildung Beauftragte für das Qualitätsmanagement.

Mit ihrem Mann wohnt Olga Madeckt in Döbeln. Anfang März hat sie 18 Flüchtlinge aufgenommen, darunter ihre Mutter, die Schwester und die Cousine, aber auch Freunde und Bekannte. „Die Leute kommen aus neun Haushalten. Darunter sind sieben Kinder“, sagte Olga Madeckt.

Für sie gab es keine Frage, als Hilfe benötigt wurde. Sie und die Familie haben die Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen. Eine große Wohnung im Haus ihres Mannes war zu diesem Zeitpunkt zufällig frei, aber leer. Es fehlte fast alles.

Hilferuf kommt an

Als die Kollegen erfuhren, dass Olga Madeckt für die Unterbringung der Geflüchteten Hilfe benötigt, stand fest, dass sie Unterstützung bekommt. „Wir haben alles gebraucht. Zunächst haben die Leute auf dem Boden auf Matratzen geschlafen. Wichtig war vor allem eine Kochgelegenheit, damit sie sich versorgen konnten. Erst da merkt man, was alles benötigt wird und ein Kühlschrank für 18 Personen nicht ausreicht“, sagte Olga Madeckt.

Allein hätte sie mit ihren Bekannten und Freunden die Wohnung nicht ausstatten können. „Der Hilferuf bei ihren Kollegen im Fachkrankenhaus kam an. Es gab jede Menge Unterstützung“, sagte Pflegedirektorin Petra Hundrieser.

Sie sei von der Hilfsbereitschaft überwältigt gewesen. Es wurde nicht einfach losgesammelt, sondern nur das, was gebraucht wurde. Nun haben die Kollegen noch einmal gesammelt – für die Angehörigen von Olga Madeckt und eine weitere Kollegin, die ebenfalls im Fachkrankenhaus arbeitet und Angehörige aus der Ukraine aufgenommen hat.

„Dabei ging es vor allem um Geld. Denn auch wenn die Geflüchteten Geld hatten, konnten sie mit diesem noch vor ein paar Wochen in Deutschland nichts anfangen. Die Währung konnte noch nicht getauscht werden“, sagte Petra Hundrieser.

Sie ist sehr froh, dass sich in dieser Krisensituation gezeigt hat, dass die Kollegen zusammenhalten und hinter den Betroffenen stehen.

Gute Zusammenarbeit mit den Behörden

„Zuerst waren wir und auch unsere Bekannten aus der Ukraine unsicher, was alles gebraucht wird, denn keiner wusste, wie lange sie unsere Hilfe und Unterkunft brauchen. Alle wollten wieder nach Hause. Doch nun sehen wir, dass es Zeit braucht, bis es soweit ist“, sagte Olga Madeckt. Jetzt sei das Problem der Unterbringung gelöst.

Drei Frauen und ein Kind haben eine eigene Wohnung in Döbeln bezogen. Die anderen bleiben im Haus von Familie Madeckt, das viel Wohnraum bietet. „Wir haben eine tolle Unterstützung bekommen. Die Hilfsbereitschaft ist groß. Das betrifft sowohl meine Kollegen als auch die Stadtverwaltung Döbeln und die anderen Behörden“, so Olga Madeckt.

Der Schulbesuch für die größeren Kinder sei gesichert, die jüngeren in der Kita angemeldet. Allerdings daure es noch, bis entsprechende Plätze zur Verfügung gestellt würden. Die Erwachsenen lernen bereits Deutsch. Dieses Angebot wird vom Gymnasium unterbreitet. „Jetzt gilt es, hier Fuß zu fassen und da ist die Sprache besonders wichtig.“

Woche für Woche werde es auch in den Zimmern, in denen die nun 14 Flüchtlinge untergebracht sind, wohnlicher. „Es gibt jetzt Betten. Keiner muss mehr auf dem Boden schlafen. Auch Schränke sind geschenkt oder angeschafft worden. Da haben wir das Angebot der Möbelbörse genutzt und sind sehr dankbar dafür, dass es diese gibt“, so die Mitarbeiterin des Fachkrankenhauses.

„Hier schließt sich auch wieder der Kreis zu unserem Fachkrankenhaus“, sagte Petra Hundrieser. Es sind unter anderem die Bewohner vom Betreuten Wohnen Bockelwitz Nummer 3, die die Möbel aufarbeiten. Auch das Angebot, das in einem Laden an der Fronstraße für die Flüchtlinge unterbreitet werde, sei sehr hilfreich, so die Döbelnerin.

Ständig Angst um die Angehörigen

Es sei nicht immer einfach, die vielen Menschen, die bei Familie Madeckt untergebracht sind, unter einen Hut zu bekommen. Auch wenn es ein gutes Miteinander gebe, seien die Geflüchteten traumatisiert von dem, was sie vor und während der Flucht erlebten. Wer noch Familienangehörige zu Hause habe, lebe ständig in Angst, dass ihnen etwas passieren könnte.

Auch Olga Madeckt steht in Verbindung mit Menschen, die sie kennt und die noch in Kiew leben. Viele wollen nicht flüchten. „So lange Kiew noch steht, werden nur noch wenige kommen. Die anderen bleiben und leben ständig in Gefahr.“ Auch die Döbelnerin musste ihre 82-jährige Mutter überreden, Kiew zu verlassen. „Sie wäre am liebsten dort geblieben. Aber dann hätte ich nicht mehr schlafen können. Was wäre, wenn sie nichts mehr zu essen und trinken bekäme, im Keller eines zerbombten Hauses eingeschlossen würde. Es ist einfach grausam, was in den Kriegsgebieten passiert. Es macht Angst, wenn man die Berichte hört. Immer wieder stellt sich die Frage, wie es weiter geht“, sagte die Döbelnerin.

Sie und auch ihre Angehörigen würden alle unter Schock stehen. Doch der dürfe sie im Alltag nicht ausbremsen. Wichtig sei neben dem Erlernen der deutschen Sprache, dass die Geflüchteten recht zügig eine Beschäftigung finden, sich wieder ein wenig Alltag und ein geordneter Tagesablauf einstellen“, sagte Olga Madeckt.