Update Politik
Merken

Russland droht der Nato

Der Putin-Vertraute Medwedew warnt vor einem Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens - und droht mit der Stationierung von Atomwaffen. Litauen reagiert mit Verwunderung, denn die Waffen gibt es dort längst.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Putin (l.) und sein Mann für Drohungen, Dmitri Medwedew.
Putin (l.) und sein Mann für Drohungen, Dmitri Medwedew. © Archiv: D. Astakhov/Pool Sputnik/AP/dpa

Moskau. Der Angriffskrieg in der Ukraine läuft für Wladimir Putin nicht besonders gut. Die Verluste sind hoch, der als kurze Operation geplante Krieg dauert schon Wochen, der Westen hat scharfe Sanktionen verhängt und Nachbarstaaten überlegen, ob sie der Nato beitreten sollten.

Jetzt hat Russland für den Fall eines Beitritts von Finnland und Schweden zur Nato vor Folgen für die Sicherheit in Europa gewarnt und offen mit der Stationierung von Atomwaffen im Baltikum gedroht. "In diesem Fall kann schon nicht mehr von einem atomwaffenfreien Status des Baltikums die Rede sein", schrieb der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew am Donnerstag in Moskau in seinem Nachrichtenkanal bei Telegram.

Der Politiker, Vize-Chef des Sicherheitsrates, drohte konkret mit der Stationierung von "Iskander"-Raketen, Hyperschallwaffen und Kriegsschiffen mit Atomwaffen - für die Finnen und Schweden etwa in Reichweite "des eigenen Hauses". "Wir wollen hoffen, dass die Vernunft der nördlichen Partner doch noch siegt", meinte Medwedew. Doch wenn nicht, dann werde Russland handeln. Er äußerte sich mit Blick auf Debatten in Finnland und Schweden, in nächster Zeit über eine Nato-Mitgliedschaft zu entscheiden.

"Womöglich wird die Welt dann schon bald, also bis zum Sommer dieses Jahres, noch unsicherer", sagte der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin. Die Nato hatte Bereitschaft signalisiert, die beiden Länder rasch aufzunehmen. "Das bedeutet, dass Russland mehr offiziell registrierte Gegner haben wird", meinte Medwedew. Moskau werde darauf mit "kühlem Kopf" reagieren.

Für Russland werde sich im Fall eines Nato-Beitritts von Finnland die Landgrenze zum Nato-Gebiet mehr als verdoppeln. Diese Grenzen müssten dann gesichert werden, auch durch eine Luftabwehr und durch eine massive Präsenz der Kriegsmarine. Bisher habe Russland auf solche Schritte verzichten können.

Medwedew meinte, dass die Nato unabhängig von dem Konflikt in der Ukraine schon früher versucht habe, ihren Einflussbereich auf diese Länder auszudehnen. Zugleich machte er deutlich, dass Schweden und Finnland nichts zu befürchten hätten bisher. "Wir haben mit diesen Ländern keine Gebietsstreitigkeiten wie mit der Ukraine. Deshalb ist der Preis einer Mitgliedschaft für uns ein anderer", sagte Medwedew.

Russland ist gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, unter anderem mit der Begründung, dass Kiew sich die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim mit Gewalt zurückholen könnte. Putin hatte wiederholt vor einem Krieg zwischen Russland und der Nato gewarnt.

Litauen: Drohungen sind "leerer Schuss in die Luft"

Litauens Präsident Gitanas Nauseda hat die russische Drohung von Atomwaffen im Ostseeraum als "einen leeren Schuss in die Luft" bezeichnet. "Ich weiß nicht, ob es möglich ist, etwas, was im Grunde schon stationiert ist, wieder neu zu stationieren", sagte er am Donnerstag in Vilnius.

Nach Angaben des Staatsoberhaupts des baltischen EU- und Nato-Landes hat Russland bereits Atomwaffen in seine Ostsee-Exklave Kaliningrad verlegt. "Keine strategischen, aber sie sind stationiert", sagte Nauseda. Litauen grenzt im Westen an Kaliningrad - das Gebiet um das frühere Königsberg.

Auch Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas reagiert verwundert. Die Drohung erscheine "ziemlich seltsam", sagte er. "Atomwaffen wurden schon immer in der Region Kaliningrad aufbewahrt". Die internationale Gemeinschaft und die Länder der Region seien sich dessen vollkommen bewusst, sagte Anusauskas der Agentur BNS.

Litauen steht nach Angaben von Regierungschefin Ingrida Simonyte einem Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens offen gegenüber. Dies würde sowohl das Militärbündnis und die beiden Länder stärken als auch die Sicherheit der Region erheblich erhöhen, sagte sie im litauischen Radio.

Baerbock: Finnland und Schweden "herzlich willkommen"

Auch Deutschland hätte kein Problem mit einem Beitritt der Skandinavier zur Verteidigungsallianz. Außenministerin Annalena Baerbock hat vor dem Hintergrund der russischen Drohungen auf das freie Entscheidungsrecht Schwedens und Finnlands gepocht. "Es ist das Recht eines jeden Landes (...), sich seine Verteidigungsbündnisse frei zu wählen", sagte Baerbock am Rande eines Besuches im afrikanischen Niger. Dies gelte erst recht für zwei europäische Länder, die bereits Mitglieder in der Europäischen Union seien.

"Wenn sich Finnland und Schweden dafür entscheiden, dann sind sie herzlich willkommen" in der Verteidigungsallianz, sagte Baerbock auf eine entsprechende Journalistenfrage in einer Pressekonferenz mit ihrem nigrischen Kollegen Hassoumi Massoudou in der Hauptstadt Niamey. Es handele sich aber ausschließlich um eine Entscheidung von Finnland und Schweden selbst, betonte die Ministerin. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sei auch ein Angriff auf die europäische Friedensordnung. Die nordischen Partner hätten deutlich gemacht, dass auch ihre Sicherheitssorgen damit größer würden. (SZ/mja, dpa)