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Obama und wie er sein Land sieht

„A Promised Land“ - so hat Barack Obama seine Memoiren genannt. Das Buch des Ex-US-Präsidenten wurde sehnsüchtig erwartet - als eine Botschaft der Hoffnung.

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Barack Obama – hier als Redner auf auf einer Wahlkampfveranstaltung zur Unterstützung für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden – hat seine Memoiren veröffentlicht. Es geht darin nicht allein um einen Rückblick auf Obamas Amtsze
Barack Obama – hier als Redner auf auf einer Wahlkampfveranstaltung zur Unterstützung für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden – hat seine Memoiren veröffentlicht. Es geht darin nicht allein um einen Rückblick auf Obamas Amtsze © Matt Slocum/AP/dpa

Von Thomas Spang,SZ-Korrespondent in Washington

Allein die weltweite Startauflage der Erinnerungen Barack Obamas ist beeindruckend. In sechs Millionen Exemplaren erschien das 768 Seiten starke Werk unter dem Titel „A Promised Land“ am Dienstag in 19 Sprachen gleichzeitig.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung kurz nach dem Wahlsieg seines Vizepräsidenten Joe Biden katapultiert Obama in die Schlagzeilen. Zumal sein Nachfolger Donald Trump das klare Wählervotum bisher nicht anerkennt. Damit lieferte der Amtsinhaber eine Steilvorlage für die Medien, die den Nobelpreisträger wie am Fließband zu seinen Memoiren und den Wahlen interviewen. Zum Beispiel der Chefredakteur des Magazins The Atlantic, Jeffrey Goldberg, dem Obama seine Sorge um die Zukunft der Demokratie in Amerika erläutert. Ein Thema, das er im Vorwort seiner Memoiren anspricht. „Unsere Spaltungen sind tief, unsere Herausforderungen sind gewaltig“, beschreibt der 44. Präsident der USA die Verfassung des Landes nach vier zersetzenden Jahren des weißen Nationalisten im Weißen Haus.

In sechs Millionen Exemplaren erschien „A Promised Land“ am Dienstag in 19 Sprachen gleichzeitig.
In sechs Millionen Exemplaren erschien „A Promised Land“ am Dienstag in 19 Sprachen gleichzeitig. © Pari Dukovic/Penguin Random House/dpa

In seinen Memoiren bricht Obama die Herausforderungen der amerikanischen Demokratie an seiner eigenen Erfahrung als erster schwarzer Präsident im Weißen Haus herunter. „Es war, als ob allein meine Anwesenheit im Weißen Haus eine tief sitzende Panik losgelöst hätte, eine Vorstellung, dass die natürliche Ordnung gestört worden sei“, schildert er in „A Promised Land“ den Schock, den seine Wahl inmitten einer bedrohlichen Finanzkrise in Teilen der Gesellschaft ausgelöst hatte.

Er beschreibt, wie die Republikaner vom ersten Tag seiner Präsidentschaft an die Unsicherheiten in der Krise ausnutzten, um Ressentiments zu schüren. Speziell in der weißen Bevölkerung, die um ihre über Jahrhunderte angestammten Privilegien fürchtete. Er habe im Laufe der Präsidentschaft immer öfter feststellen müssen, „dass die Stimmung, die wir erstmals in der Schlussphase des Wahlkampfs von Sarah Palin und bis in den Tea-Party-Sommer hinein beobachtet hatten, vom Rand der Republikanischen Partei auf ihren Kern übergegriffen hatte“.

Angefangen von der Drohung des republikanischen Führers im Senat, Mitch McConnell, Obama auf Schritt und Tritt zu blockieren. Ein Versprechen, dass er nach den Zwischenwahlen 2010 einlöste, als der „Yes-We-Can“-Präsident von den Wählern eine, wie er sagte, „Abreibung“, bekam. Trump habe instinktiv begriffen, wie er die Ängste in der Gesellschaft politisch für sich nutzen konnte. Er startete seinen Anlauf auf die Präsidentschaft mit einer im Kern rassistischen Lüge.

Trump und die „Birther“-Legende

Obama erinnert an die „Birther“-Legende, die Trump in Umlauf brachte. „Er verbreitete die Behauptung, ich sei nicht in den Vereinigten Staaten zur Welt gekommen und daher kein rechtmäßiger Präsident. Er versprach Millionen Amerikanern, die wegen eines schwarzen Mannes im Weißen Haus verschreckt waren, ein Elixier zur Behandlung ihrer ethnischen Ängste.“ Dass seine Präsidentschaft mit der nicht minder rassistisch unterlegten Lüge endet, die Wahlen seien in von Schwarzen geprägten Metropolen wie Philadelphia, Detroit, Milwaukee, Phoenix und Atlanta „gestohlen“ worden, birgt Sprengstoff für die Zukunft.

Er habe festes Vertrauen in Joe Biden und Kamala Harris, schreibt Obama, aber eine einzelne Wahl werde die Dinge nicht über Nacht ändern. Besondere Sorge bereitet dem Ex-Präsidenten dabei, was er als „Wahrheitsverfall“ bezeichnet. Damit beschreibt er eine politische Kultur, in der „alles erlaubt ist und Fakten nicht zählen“. Wie etwa, dass Biden fünf Bundesstaaten von Trump erobert, 306 Wahlmänner-Stimmen gewonnen hat und insgesamt mehr als fünf Millionen Stimmen vor Trump lag.

Joe Biden (r) und Barack Obama bei einer Wahlkampfveranstaltung. Die Wahl Bidens ist für Obama der Beleg, dass Amerika den Blick wieder nach vorn richtet.
Joe Biden (r) und Barack Obama bei einer Wahlkampfveranstaltung. Die Wahl Bidens ist für Obama der Beleg, dass Amerika den Blick wieder nach vorn richtet. © Andrew Harnik/AP/dpa

Obama mischt sich mit seinen Memoiren aktiv in den Diskurs über die Zukunft Amerikas ein. Er hat viel dazu beizutragen. So viel, dass aus den ursprünglich angepeilten 500 Seiten eineinhalbmal so viel geworden sind. Und das dies nur der erste Teil der Biografie ist, der mit der geheimen Kommandoaktion gegen Osama Bin Laden endet. Die brisanten Kapitel über den Syrien-Krieg, den Konflikt in der Ukraine, den Atomvertrag mit dem Iran und das Wahljahr 2016 stehen noch aus.

Trotz seiner Sorge um die Angriffe auf die Demokratie in Amerika, verbreitet Obama insgesamt Optimismus. Die Wahl Bidens ist für ihn der Beleg, dass Amerika den Blick wieder nach vorn richtet. Wie das Porträt auf dem Umschlag des Bestsellers, auf dem er selber zuversichtlich in die Zukunft des verheißenen Landes schaut.