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Wenn das Wehr zur Gefahr wird

Ende Mai sprang in Schmilka der Ilmenbach aus seinem Bett. Das hätte verhindert werden können, sagen Kritiker.

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© Mike Jäger

Von Mike Jäger und Carina Brestrich

Schmilka. Immer wenn am Himmel dicke, dunkle Wolken aufziehen, gibt es in Schmilka die große Frage: Woher kommt das Unwetter diesmal? Das spielt für den Ort eine große Rolle, weiß Rüdiger Herschel: „Wenn ein Gewitter vom Zschirnstein her kommt, ist nichts Schlimmes zu erwarten“, erklärt er die Regel, die gerade die Alten in Schmilka noch kennen. „Wenn es aber vom Winterberg kommt, dann wird es schlimm.“ So wie am 31. Mai, als nachmittags binnen Minuten literweise Regen runterkam und eine Schlammlawine Rüdiger Herschels Grundstück verwüstete.

Schuld an dem Schaden, sagt er, ist das Wehr im Ilmenbach vor seinem Haus. Dort zweigt das Wasser für das Mühlrad der benachbarten Schmilk’schen Mühle ab. Diese gehört wie das Café Richter und das Hotel Helvetia in Schmilka dem Unternehmer Sven-Erik Hitzer. Dessen technischer Leiter war am 31. Mai schnell vor Ort. Vergeblich versuchte er noch, die Anlage zu ziehen. Diese besteht aus einem Metallrahmen und zwei regulierbaren Platten, sogenannten Schützen. Doch der Versuch war vergebens. Der Ilmenbach war bereits zu stark, Äste und Geröll verfingen sich am Rahmen, die Schütze selbst waren hochgezogen. „Dann war da dieses Getöse, als ob ein Güterzug den Mühlberg runterfährt“, erzählt Herschel. Das Vorzeichen für eine Katastrophe: Wenige Augenblicke später sprang der sonst ruhige Ilmenbach aus seinem Kanal. Über die Mühlbergstraße floss das Schlammwasser talabwärts, riss dabei Pflastersteine und Mülltonnen mit.

Auch wenn die Schäden dank der Feuerwehr, den Anwohnern, Hitzers Team und einer herbeigerufenen Baufirma wenige Stunden später schon wieder beseitigt waren – „Ich gehe jede Nacht mit einem unguten Gefühl ins Bett“, sagt Rüdiger Herschel. Denn dieselbe Situation gab es 2010 schon einmal. Damals verstopfte das Wehr ebenfalls. Seither drängt Herschel bei Hitzers auf Sicherheitsmaßnahmen. Vorstellbar wäre, das Bachbett zu vertiefen, um dem Ilmenbach mehr Platz zu geben. Auch eine andere technische Vorrichtung, die sich im Notfall besser bedienen lässt, könne laut Herschel helfen.

Bach bekommt nicht mehr Platz

Hitzer selbst will die Kritik gegen ihn und sein Wehr nicht gelten lassen. „Es ging alles sehr schnell. Meine Mitarbeiter hätten gar nicht so rasch handeln können, wie plötzlich das Wasser kam“, sagt er. Das Wehr selbst sei in Ordnung gewesen. Das bestätigt auch die Untere Wasserbehörde des Landratsamts. Sie kontrolliert die Wehranlagen im Landkreis in unregelmäßigen Abständen und hatte Hitzer 2007 die Genehmigung für sein Wehr erteilt.

Wie alle muss auch die Anlage an der Schmilk’schen Mühle bestimmte Auflagen erfüllen. „Das Gesetz schreibt vor, dass Anlagen in oberirdischen Gewässern so zu betreiben, zu unterhalten und zu sichern sind, dass der Zustand und die Unterhaltung der Gewässer und der Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt werden“, erklärt Marion Rast. Die Referatsleiterin für Gewässerschutz beim Landratsamt sieht die Gründe für die Schlammlawine vielmehr beim Gewässer: „Das Gerinne des Ilmenbachs ist für solch ein extremes Niederschlagsereignis nicht ausreichend bemessen.“ Eine Vergrößerung allerdings schließt sie aus: Da direkt am Bach Häuser stehen und eine Straße entlangführt, kann der Bach nicht verbreitert werden.

Kai Bigge sieht trotzdem Handlungsbedarf. Als Chef der Feuerwehr Bad Schandau war der Schmilkaer beim Unwetter selbst im Einsatz. „Ein Elbehochwasser kann man voraussehen und reagieren, zum Beispiel Häuser leer räumen. Aber so ein Naturereignis kommt zu schnell“, beschreibt er die Probleme. Dennoch seien in der Vergangenheit am Winterberg oberhalb von Schmilka schon einmal Vorkehrungen getroffen worden. Bei einem Wolkenbruch im Jahre 1926 war der Mühlberg teils drei Meter tief ausgespült, Häuser und Straßen ramponiert worden. Zum Schutz wurden danach oberhalb des Ortes Dämme gebaut. Sie sollen Geröll und Holzstämme auffangen und das Wasser kontrolliert abfließen lassen. Auch im Ort selbst galt es, das Wasser besser unter Kontrolle zu bringen: Der Bachlauf des Ilmenbachs wurde deshalb begradigt und kanalisiert. „Aber der freie Ablauf muss natürlich auch gewährleistet sein“, bekräftigt Bigge.

Dafür will Sven-Erik Hitzer nun sorgen. Wie er gegenüber der SZ bestätigt, möchte er die Wehranlage nun so umbauen, dass sie sich mittels einer Winde bequemer herauskurbeln lässt. Bisher ist dies nicht möglich. Nach dem Unwetter konnten der durch die Wasserkraft verbogene Rahmen und die Schütze nur mit einem Radlader geborgen werden.