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Wenn die Familie des Liebsten ganz anders tickt

Durch seine soziale Herkunft bringt jeder Partner eigene Rituale und Werte mit. Wer muss seine ändern?

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Sie ist von daheim gewohnt, dass Geld keine Rolle spielt - er sieht das anders. Nur eins von vielen möglichen Problemen bei unterschiedlicher Herkunft.
Sie ist von daheim gewohnt, dass Geld keine Rolle spielt - er sieht das anders. Nur eins von vielen möglichen Problemen bei unterschiedlicher Herkunft. © dpa/Chris Adams

Er stammt aus einer klassischen Arbeiterfamilie, während sie in einem Ärztehaushalt groß geworden ist. Sein Elternhaus ist sehr religiös, ihre Eltern belächeln die Kirche. Oft finden Menschen zusammen, die aus ganz unterschiedlichen Familien stammen. Was bedeutet das für die Beziehung? 

„Gleich und gleich gesellt sich gern“: An diesem Sprichwort ist etwas dran. „Wir neigen dazu, uns einen Partner zu suchen, dessen Werte, Erfahrungen und Einstellungen unseren ähneln“, sagt Familiensoziologin Prof. Marina Hennig von der Johannes- Gutenberg-Universität Mainz. Doch das Leben zeigt auch immer wieder: „Unterschiede ziehen sich an.“ Egal, ob gleich oder ungleich – ganz ausschließen lässt sich die Familie nie. Schließlich geben Eltern ihren Kindern nicht nur Tischsitten und Weihnachtsrituale mit, sondern auch eine gewisse Vorstellung von der Welt, so Hennig. Bildungsgrad, Religionszugehörigkeit, politische Einstellung oder die Mentalität unserer Familie beeinflussen also, wie wir uns das Leben vorstellen. 

So stark die Gefühle auch sind: Haben die Beziehungspartner unterschiedliche Vorstellungen von Alltag und Beziehung, kann es Konflikte geben. „Ein typisches Muster ist, dass der eine vom anderen erwartet, sich zu ändern. Der andere fühlt sich dann angegriffen und hat das Gefühl, falsch zu sein“, sagt Kerstin Kurzius, die als Familien- und Paartherapeutin in Dortmund arbeitet. Funkt das Gefühl dazwischen, dem Partner durch die eigene Herkunft entweder unter- oder überlegen zu sein, lassen sich schwer Lösungen finden. 

Elemente aus beiden Herkunftsfamilien übernehmen

Die Paartherapeutin rät stattdessen, offen mit dem Partner über die Werte, Traditionen und Weltbilder seiner Familie zu sprechen. Wichtig dabei: dem Partner geduldig zuzuhören – und seine Erzählungen nicht zu beurteilen. „Viele Paare tauschen sich gar nicht so viel über ihre Herkunftsfamilien aus“, beobachtet Kurzius. Dabei sei dieses Wissen eine wichtige Voraussetzung, um zu verstehen, wie der Partner tickt. Teilt man sich Alltag und Klingelschild mit einem Menschen aus einem ganz anderen Milieu, kann das auch zu einer persönlichen Herausforderung werden. Denn: Es kann das Gefühl aufkommen, zwischen zwei Welten zu leben. „Das kann anstrengend sein, weil man das Gefühl bekommt, nirgends richtig dazuzugehören“, sagt die Soziologin Hennig. Ticken beide Partner von Haus aus ganz unterschiedlich, ist die Arbeit an der Beziehung also umso gefragter. „Wichtig ist, dass sich die Beziehungspartner eine eigene Welt erschaffen. Dabei können sie Elemente aus ihren beiden Herkunftsfamilien übernehmen“, sagt Hennig. 

Familienfeiern oder gar die eigene Hochzeit: Bei diesen Themen bekommen einige Paare Bauchgrummeln. Was, wenn sich die Eltern nichts zu sagen haben? Eric Hegmann, Paartherapeut in Hamburg, rät dazu, den Druck rauszunehmen. „Die meisten Sorgen, die sich Paare machen, sind unbegründet. Denn normalerweise wollen Eltern ihre Kinder nicht blamieren und wissen aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn die beiden Familien aufeinandertreffen.“ Schweigen sich beide Väter dennoch verkniffen an, solle sich das Paar dafür nicht verantwortlich fühlen. Denn am Ende geht es nicht darum, dass die Eltern miteinander glücklich werden, sondern ihre Kinder. Unterschiede können die Beziehung aber auch bereichern. Hegmann zieht als Vergleich einen Werkzeugkasten heran: „Durch seine Herkunft bringt jeder Partner gewisse Werkzeuge mit – Fähigkeiten, Erfahrungen und Blickwinkel“, erklärt er. „Kommt nun eine Herausforderung auf das Paar zu, kann ihnen die größere Auswahl an Werkzeugen bessere Chancen geben, die Situation zu meistern.“ 

Auch Kerstin Kurzius sieht positive Seiten: „Unterschiede machen eine Beziehung erst spannend, außerdem machen sie uns offener.“ Auch Kinder können davon profitieren, zum Beispiel, wenn sie zweisprachig aufwachsen. Oder wenn sie mit Blick auf ihre beiden Omas und Opas feststellen, wie unterschiedlich sie leben, und dass beides gleich gut ist. Denn schon Paare, die aus ähnlichen Verhältnissen stammen, sind sich bei Themen wie Schlafenszeit oder „Danke“-Sagen oft uneins. „Schwierig wird es, wenn sich die Großeltern einmischen und erwarten, dass ihre Kinder ihre religiösen oder traditionellen Vorstellungen auch in ihren Familien umsetzen“, so Kurzius. Spätestens mit der eigenen Familiengründung ist es notwendig, eigene Traditionen und Wertvorstellungen zu entwickeln – gerne als Best-of beider Herkunftsfamilien. (dpa)