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Wenn die Kinderärzte Urlaub haben

Mit ihrem kranken Sohn möchte eine Mutter in Meißen zum Kinderarzt. Doch sie erlebt eine Überraschung. Bis zur Behandlung vergehen Stunden.

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© Karl-Josef Hildenbrand / dpa

Von Marcus Herrmann

Meißen. Die Wartezimmer beim Hausarzt sind rappelvoll. Erst recht jetzt zur Erkältungs- und Grippezeit. Nervig-lange Wartezeiten sind da eher die Regel als die Ausnahme. Was jetzt eine Scharfenbergerin, die ihren fiebrigen Sohn untersuchen lassen wollte, erlebt hat, ist jedoch nicht nervig, sondern ein Unding. Am Ende braucht es vier Anläufe, viele Kilometer mit dem Auto und es vergeht ein ganzer Tag, bis dem Jungen in Coswig geholfen wird.

Doch der Reihe nach. In der Nacht zu Montag klagt der fünfjährige Sohn der zweifachen Mutter aus Scharfenberg über Hals- und Kopfschmerzen. Das Fieberthermometer zeigt 39,5 Grad an. Gleich morgens macht sich die 39-Jährige mit ihrem Kind deshalb auf den Weg nach Meißen. Hier, am Robert-Koch-Platz, befindet sich der Kinderarzt des Jungen. Die Mutter, die nicht namentlich genannt werden will, weiß, dass die Praxis in dieser Woche wegen Urlaubs der Ärztin geschlossen ist, fährt deshalb gleich zur Gemeinschaftspraxis Boudriot/Augustin an der Kerstingstraße weiter.

„Als ich gegen 9.30 Uhr mit meinem Kind hier ankam, war das Wartezimmer aber dermaßen voll, dass ich entschied, am frühen Nachmittag wiederzukommen“, sagt die junge Frau. Nach einer Mittagspause macht die Praxis montags bis donnerstags 14 Uhr wieder auf. Kurz vorher ist sie mit dem kranken Jungen wieder vor Ort. Doch behandelt wird der Fünfjährige nicht. Die Tür zur Praxis ist verschlossen, ein Schild verrät: Es ist ab 12 Uhr geschlossen.

Kinderärzte in Meißen

Derzeit gibt es zwei Kinderärzte in Meißen. Die Praxis von Dr. Heike Kühn und die Gemeinschaftspraxis Thomas Boudriot/Katja Augustin.

Die ehemalige Kinderärztin Martina Kolodziej ist 2017 in den Ruhestand gegangen. Einen Ersatz gab es in Meißen nicht, stattdessen in Coswig.

Vom Hausarzt werden Kinder bei Bedarf in aller Regel auch behandelt.

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Dass keiner der beiden Ärzte mehr da ist, findet die Scharfenbergerin kurios. Doch es nützt nichts. Der nächste Kinderarzt befindet sich 20 Kilometer weit weg in Nossen. Aber der hat auch geschlossen, weil der behandelnde Arzt krank ist, hatte die Mutter schon zuvor gehört. Also fährt sie 15 Kilometer nach Lommatzsch, wo es auch einen Kinderarzt gibt. Ihr Sohn ist unruhig, klagt über Schmerzen. Doch auch in Lommatzsch ist der Kinderarzt am Marktplatz nicht anzutreffen. „Wegen Urlaub geschlossen“ steht an der Eingangstür. Verwiesen wird auf die Praxis von Eckardt Erdmann im 18 Kilometer entfernten Döbeln. „Bevor ich dorthin fahre, habe ich es erst einmal telefonisch in Coswig probiert. In der ersten Praxis wurde mir wieder mitgeteilt, dass der Arzt im Urlaub ist“, berichtet die Mutter. Der Verzweiflung nahe ruft sie daraufhin in Meißen bei ihrem eigentlichen Kinderarzt an.

Hier bekommt sie schließlich den rettenden Tipp, es einmal in Coswig bei Dr. Christa Rüdiger zu probieren. „Dort bin ich dann mit meinem Jungen um 15 Uhr angekommen. Die Praxis war so voll wie die erste am Morgen in Meißen. Aber es half ja nichts.“

Gegen 17 Uhr kommt der Fünfjährige schließlich dran. Wie sich herausstellt, hat er eine eitrige Angina, inzwischen fast 40 Grad Fieber. Er bekommt Antibiotika verschrieben. Am Dienstag geht es ihm langsam besser, erfährt die SZ am Telefon. „In der Praxis von Frau Rüdiger wurden wir sehr gut behandelt, alle waren freundlich und ließen sich den Stress nicht anmerken“, sagt die Scharfenbergerin. Trotzdem ist sie aufgebracht, kann nicht verstehen, dass so viele Kinderärzte in der Region gleichzeitig Urlaub haben. „Da muss es doch klare Absprachen geben“, sagt sie. Zumal die Situation keinen Einzelfall darstelle. Die SZ fragte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) nach. Natürlich seien Ärzte verpflichtet, für ihre Sprechstunden in der Umgebung eine Vertretung zu organisieren und angehalten, sich mit umliegenden Ärzten wegen Urlaubszeiten abzusprechen, sagt Katharina Bachmann-Bux von der Landesgeschäftsstelle. Weitere Nachfragen der SZ blieben bis Dienstagabend vorerst unbeantwortet.