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Windräder aufgebrochen

Eigentlich ist der Metalldiebstahl im Landkreis Meißen etwas zurückgegangen. Doch es gibt ein neues Phänomen.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Meißen/Riesa. Sie kamen am Wochenende und wohl auch in der Nacht. Erst am Montag fiel einem Mitarbeiter der Betreiberfirma auf, dass fünf Windkraftanlagen im Nossener Ortsteil Katzenberg stillstanden. Der Grund war schnell gefunden und ebenso überraschend. Unbekannte waren gewaltsam in die fünf Windkraftanlagen eingedrungen. Sie entwendeten daraus jeweils 140 Meter Kupferkabel. Der Betreiberfirma entstand ein Gesamtschaden von rund 12 000 Euro. Allein das Kupferkabel war 10 000 Euro wert. Der Rest waren Sachschäden an den Anlagen.

Vier Wochen später wurden Treppen aus verzinktem Stahlblech abmontiert. Die Polizei vermutet, dass es sich um die gleichen Täter handelt.
Vier Wochen später wurden Treppen aus verzinktem Stahlblech abmontiert. Die Polizei vermutet, dass es sich um die gleichen Täter handelt. © Claudia Hübschmann

„Das Phänomen des Diebstahls an Windrädern ist im Landkreis Meißen neu“, sagt Polizeihauptkommissar Enrico Lange von der Polizeidirektion Dresden. Ein Einzelfall ist es jedoch nicht. Am vergangenen Wochenende waren die Anlagen erneut im Visier von bisher unbekannten Tätern. Diesmal bauten sie an drei Anlagen die jeweils 26 Außenstufen aus verzinktem Stahlblech ab, welche zu den Zugangstüren führen. Der dabei entstandene Schaden wurde mit rund 700 Euro angegeben. Die Polizei geht von einem Zusammenhang mit vorangegangenen Taten aus und konzentriert daher die Ermittlungen beim Kriminaldienst des Polizeireviers Meißen, heißt es aus der Pressestelle.

Derzeit tappt die Polizei noch im Dunkeln. In einem Punkt legt sich Lange aber fest: Von bandenmäßigem Diebstahl könne keine Rede sein. Klar ist aber auch, dass es sich um mehrere Täter handelt, die sich bestens auskennen.

Diebstahl von Schrott, Kupfer, Messing und anderen Metallen ist seit Langem im Landkreis Meißen ein Problem. Nur selten werden die Täter gefasst und vor Gericht gestellt. Meist handelt es sich um Einzeltäter, sehr oft auch um Beschaffungskriminalität. Derartige Täter klauen Metall, um es zu Geld für Drogen zu machen. Oder es sind Alkoholiker, die Geld für Nachschub brauchen. So wie ein 42-jähriger Coswiger. Dieser hatte Kupferschrott im Wert von 5 000 Euro gestohlen. Die Taten standen in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller. Das Kupfer holte er aus einem Haus, in dem die Räder der Zusteller untergestellt waren und zu dem er einen Schlüssel hatte. Mit Rucksack und Fahrrad transportierte er den Schrott ab. Der Mann hatte dreimal Schrott auf einen Recyclinghof in Coswig gebracht: einmal 27,5 Kilogramm Kupfer, dann 9,5 Kilogramm Kupfer und zuletzt acht Kilogramm Messing. Letzteres will er aus für den Sperrmüll am Straßenrand abgestellter Elektrogeräte gestohlen haben. Es war für ihn ein schlechtes Geschäft. Insgesamt erhielt er für den Schrott gerade mal 75 Euro.

Ein anderer Tatverdächtiger wurde jetzt im Raum Riesa gefasst. Er hatte über mehrere Monate hinweg in 16 Gartenanlagen Wasserhähne und Wasseruhren bei insgesamt 450 einzelnen Geschädigten entwendet.

In einer Gartenanlage waren auch zwei 31 und 35 Jahre alte Brüder aus Meißen aktiv. Sie hatten mehrere Wasserhähne aus Messing abgebaut und bei einem Schrotthändler verkauft. Auch sie wurden ertappt, vor Gericht gestellt und verurteilt. „Es gelingt also durchaus, derartige Taten langfristig aufzuklären“, sagt Enrico Lange. Wie hoch generell die Aufklärungsquote bei Schrottdiebstählen ist, kann der Polizeihauptkommissar aber nicht sagen. In der polizeilichen Kriminalitätsstatistik werden Metalldiebstähle nicht gesondert aufgeführt. Deshalb seien dazu keine Aussagen möglich.

Oft wird es den Metalldieben von den Schrotthändlern sehr leicht gemacht. Sie kaufen offensichtlich Neuware wie Wasserhähne auf, ohne nachzufragen und obwohl ihnen klar sein muss, dass diese nur aus Diebstählen stammen kann. Da ist manchem das Geschäft wichtiger als die Moral. In einem Fall gab ein Täter falsche Personalien an. Obwohl der Schrotthändler den Mann kannte und genau wusste, dass die Angaben nicht stimmen, ließ er ihn gewähren.

Allerdings sind aus steuerlichen Gesichtspunkten die Ankäufer nur bei gewerblichen Verkäufern verpflichtet, die Daten zu erheben. „Bei Privatverkäufen stellt dies eine freiwillige Maßnahme des Käufers dar. Es liegt auf der Hand, dass dies die Arbeit der Polizei erheblich erleichtern würde“, so Enrico Lange. Allerdings können die Händler wegen Hehlerei belangt werden, wenn sie offensichtlich gestohlene Ware ankaufen. Im Bereich der Edelmetalle kann die Hehlerei auch durch Fahrlässigkeit geschehen, wenn die Herkunft des anzukaufenden Objektes nicht geklärt ist. „Dass hierdurch jedoch die ursprüngliche Tat, namentlich der Diebstahl, begünstigt wird, wäre ein kausal unzulässiger Schluss“, so der Polizeihauptkommissar.

Insgesamt ging die Zahl der gemeldeten Metalldiebstähle allerdings im ersten Halbjahr dieses Jahres im Landkreis Meißen im Vergleich zum Vorjahr zurück von 40 auf 30. Am zweiten Halbjahr 2016 wurden weitere 50 Metalldiebstähle bei der Polizei angezeigt.

Um die Diebstähle an den Windkraftanlagen in Katzenberg aufzuklären, sucht die Polizei Zeugen. Wer verdächtige Personen oder Fahrzeuge beobachtet hat, wird gebeten, sich beim Polizeirevier Meißen oder der Polizeidirektion Dresden unter der Rufnummer 0351 483 22 33 zu melden. Bei aktuellen Beobachtungen sollte die Polizei sofort unter dem Notruf 110 verständigt werden.