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Winzeler geht nach Prag

Der Zittauer Museumsdirektor wechselt an die Nationalgalerie. Und bleibt der Region doch erhalten.

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© foto: thomas eichler

Von Sebastian Beutler und Jan Lange

Zittau. Marius Winzelers Arbeitsweg wird ab nächstem Jahr etwas länger. Fuhr er jetzt täglich von Görlitz nach Zittau, wo er die Städtischen Museen seit 2008 leitete, so wird er künftig nur noch einmal in der Woche pendeln – dann aber zwischen Görlitz und Prag. Winzeler ist zum Leiter der Sammlung Alter Kunst an der Nationalgalerie Prag berufen worden. Der Kunsthistoriker bestätigte seinen Wechsel am Mittwoch der SZ. „Es ist ein schönes Angebot“, sagt Winzeler.

Er steigt damit als Museumsmann und Kunstexperte in eine andere Liga auf. Die Sammlung Alter Kunst der Nationalgalerie zählt zu den besten mindestens in Europa. Im Agnes-Kloster in der Prager Altstadt wird mittelalterliche sakrale Kunst Böhmens und Zentraleuropas aus dem 13. bis 16. Jahrhundert gezeigt. Darunter sind auch Werke von Lucas Cranach dem Älteren. Außerdem gehören noch die Ausstellungssäle mit wertvollen Barock-Arbeiten im Schwarzenberg-Palais auf der Prager Burg zu Winzelers künftigem Arbeitsgebiet. Seine Aufgabe soll nun eine Neukonzeption der Ausstellung sein.

Viel Zeit, einen Nachfolger zu finden, bleibt nicht

Schon seit einigen Wochen kursierten in Zittau Gerüchte, dass Winzeler die Stadt und das städtische Museum verlassen wird. Mit der Bestätigung ist der Wechsel nun Tatsache. Für Zittau biete sich erneut eine Chance, dass der Nachfolger mit neuen Impulsen und Ansätzen die hiesigen Museen weitergestaltet. „Ich bin froh, dass die Stelle in den nächsten Tagen öffentlich ausgeschrieben wird“, so Winzeler. Viel Zeit, einen Nachfolger zu finden, bleibt nicht. Seine neue Direktorenstelle in Prag wird Marius Winzeler zum 1. Januar 2016 antreten, wie er der SZ erklärt.

Es sei toll, mit solch herausragenden Werken der Kunstgeschichte künftig arbeiten zu dürfen. Und vielleicht gelingt ja auch das eine oder andere Vorhaben mit der Oberlausitz, die ja in der Geschichte jahrhundertelang zu den Ländern der böhmischen Krone zählte. Auch während seiner Zittauer Zeit hatte der 44-Jährige immer wieder grenzüberschreitende Projekte angestoßen und verwirklicht. Seit seiner Berufung nach Zittau 2008 hat er sich einen Namen als Kunstkenner gemacht und zahlreiche Ausstellungen in Zittau und Görlitz auf die Beine gestellt, die auch weit über die Region hinaus Beachtung fanden.

So lockte er mit der „Phänomenal“-Ausstellung über 12 000 Besucher ins Zittauer Museum – was eine beachtliche Zahl für das relativ kleine Museum ist. In den Kunstdepots holte Winzeler viel Unentdecktes ans Tageslicht, wie zum Beispiel den Schädel des ehemaligen Zittauer Bürgermeisters Nikolaus von Dornspach, der als wichtigster Rathauschef in der Renaissance gilt. Und auch die zeitgenössische Kunst förderte er.

Restaurierung der Zittauer Epitaphien

Sein größter Verdienst bleibt aber die Restaurierung der Zittauer Epitaphien. Viele dieser einzigartigen Denkmäler galten als nicht mehr restaurierbar und daher schon als nahezu verloren. Mit großem Einsatz gelang es Winzeler aber, die Epitaphien zu retten und für die Zukunft zu sichern. Sie sollen künftig in der Klosterkirche ausgestellt werden. Kirchen und deren Kunstwerke gilt überhaupt Winzelers besondere Aufmerksamkeit. Er schrieb selbst einige Führer über Gotteshäuser in der Oberlausitz und in Zürich, zuletzt über die Görlitzer Frauenkirche, und beteiligte sich an weiteren 23 Publikationen. Die listet jedenfalls der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig auf.

„Der Ruf aus Prag ist für mich eine große Ehre und Freude“, sagt der Schweizer, „und natürlich eine Herausforderung“. Um sie zu bestehen, poliert er nun auch noch sein Tschechisch auf. Denn mit seinen künftigen Mitarbeitern will sich Winzeler schon in der Landessprache verständigen. „Meine Kenntnisse des Tschechischen sind sicher ausbaufähig“, sagt er. Das Angebot erhielt der Görlitzer Kunsthistoriker direkt vom Direktor der Nationalgalerie, Jiri Fajt, der auch erst seit Anfang 2014 amtiert. Beide kennen sich seit der ersten Sächsischen Landesausstellung im Kloster St. Marienstern. Damals gestaltete Winzeler erstmals eine Ausstellung in der Oberlausitz. Mit dem Kloster bei Kamenz verbindet Winzeler auch seine Dissertation, die er 2009 an der TU Berlin über eben dieses Kloster und dessen Stifter ablegte.

Der Stadt Görlitz, wo er ein Altstadthaus erworben und saniert hat, bleibt der 44-Jährige erhalten. Wenigstens an dem einen oder anderen Wochenende. „Als Rückzugsort“, wie er sagt.