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„Wir fühlen uns wieder heimisch“

Seit fünf Jahren unterstützt die Meißner Arche Kinder. Speziell die von Zugewanderten finden hier mehr als Mittagessen oder Hausaufgabenhilfe.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Rayana Guchigova aus der autonomen Republik Tschetschenien ist zwar erst zehn Jahre alt. Was sie mit ihrem Leben anfangen möchte, weiß sie aber schon genau. „Ich möchte Ärztin werden“, sagt das Mädchen mit den langen, braunen Haaren und dem einnehmenden Lächeln. Vor drei Jahren ist sie mit ihren Eltern und dem heute fünfjährigen Bruder Ajub nach Meißen gekommen. „Wir mussten von zu Hause weg, weil mein Papa für seine Arbeit kaum mehr Geld bekommen hat, unsere Familie bedroht wurde“, sagte sie in fast akzentfreiem Deutsch.

Sinnbildliche Geste in der Meißner Arche. Nach einem Fußballturnier für die Kinder reicht dieser Junge einer Betreuerin die Hand.
Sinnbildliche Geste in der Meißner Arche. Nach einem Fußballturnier für die Kinder reicht dieser Junge einer Betreuerin die Hand. © Claudia Hübschmann

Ihr Vater Ruslan sei Polizist gewesen. Der 32-Jährige nickt zustimmend. Der gläubige Muslim sitzt neben seinen Kindern auf dem Spielplatz der Meißner Arche. Er versteht gut deutsch, aber die Sprache zu sprechen, fällt ihm schwer. Mit dem Zug sei seine Familie 2013 über Weißrussland und Polen bis nach Bayern gereist. Nach einem längeren Aufenthalt in Chemnitz sei man nach vierwöchiger Odyssee in Meißen gelandet. Inzwischen wohnt die fünfköpfige Familie hier in einer eigenen Wohnung.

„Wir fühlen uns endlich wieder heimisch. Daran hat die Arche einen großen Anteil“, sagt Ruslan Guchigov. In der Einrichtung auf der August-Bebel-Straße finden seine Kinder eine sinnvolle Beschäftigung außerhalb der Schule. Von 12 bis 20 Uhr hat die „Arche“ für Kinder und Jugendliche täglich geöffnet. „Sie bekommen hier immer gutes Mittagessen und Hilfe bei den Hausaufgaben“, erzählt der Familienvater. Das verschaffe ihm Zeit, sich um seine berufliche Zukunft zu kümmern. „Ich habe bereits Praktika bei der Caritas in Dresden und als Hausmeister in einer Meißner Kita gemacht. Gerne möchte ich in Zukunft bei einem Security-Dienstleister arbeiten“, sagt der ausgebildete Gesetzeshüter.

Doch alles steht und fällt mit der Anerkennung der Familie in Deutschland. Noch wisse man nicht, ob man bleiben dürfe, sagt seine Tochter, die derzeit die fünfte Klasse der Pestalozzi-Oberschule besucht. Am liebsten möchte sie in Meißen bleiben und weiter in „ihre“ Arche kommen. Auch wenn es am Anfang mit den gleichaltrigen deutschen Kindern manchmal schwer gewesen sei, seien die Betreuer und Sozialarbeiter für sie wie eine zweite Familie, meint Rayana. Täglich werden in dem Kinder- und Jugendwerk bis zu 70 Kinder im Alter von sechs bis 17 Jahren versorgt.

In der fast ausschließlich aus Spenden finanzierten Einrichtung, lernen die Kinder auch Verantwortung zu übernehmen. So gibt es feste Regeln, die den Tagesablauf strukturieren, wie gemeinsames Kochen oder Putzpläne, in die die Jugendlichen einbezogen werden.

„Unter ihnen befinden sich inzwischen um die 20 Kinder mit Migrationshintergrund, die uns natürlich vor neue Herausforderungen stellen“, sagt der stellvertretende Einrichtungsleiter Marcel Bretschneider. Um nicht nur intern über die vielfältigen Anforderungen zu sprechen, hat der 33-Jährige gemeinsam mit dem Pressesprecher der Arche Wolfgang Büscher, Meißens Bürgermeister Olaf Raschke (parteilos), dem Unternehmer und Vorstandsvorsitzenden des Freundeskreises „Die Arche im Elbtal“ Willy Dany, Arche-Botschafterin Uta Bresan und weiteren Ehrenamtlichen aus der Stadt, eine Gesprächsrunde veranstaltet. Auch Eltern von Kindern, die die Arche besuchen, nahmen teil.

„Wir stoßen aktuell an unsere Grenzen“, merkt Dany an. Der Chef des Freundeskreises und McDonald’s Franchisenehmer spricht von 400 000 Euro, die die Meißner Arche jährlich benötigt, um Kosten für Personal, Feriencamps, Instandhaltung und Verpflegung stemmen zu können. Ein Viertel davon trage der Verein bei. Man sei auf Spenden angewiesen, freue sich auch über Kleinstbeträge. Um die Integration von Flüchtlingskindern zu bewältigen, plädiert Pressesprecher Büscher für eine noch engere Kooperation mit anderen Ehrenamtlichen sowie der Stadt. Außerdem sei man stets auf der Suche nach weiteren Helfern. Momentan kümmern sich fünf um die 70 Kinder in der Arche. Oberbürgermeister Raschke und Renate Henke, Pfarrerin der Johannesgemeinde Meißen, regen eine noch engere Kooperation zwischen Helfern an, egal ob in der Kirchgemeinde, der Arche oder innerhalb anderer sozialer Vereinigungen.

Gemeinsames Lernen, regelmäßige Elterntreffs oder runde Tische wolle man nun häufiger organisieren. Für die Schaffung einer zusätzlichen pädagogischen Stelle in der Arche, sagt Raschke außerdem Unterstützung zu. Botschafterin Uta Bresan schwärmt von dem wunderbaren Areal. „Für mich ist die Meißner Arche die Schönste in ganz Deutschland. Hier finden Kinder nicht nur Halt, sondern auch ideale Bedingungen mit Sport- und Spielplatz“, sagt sie. Von diesen profitieren auch Rayana Guchigova und ihr Bruder Ajub. Der spielt am liebsten Fußball auf dem Sportplatz. „Er will unbedingt so gut wie Cristiano Ronaldo werden“, sagt Schwester Rayana und wiegt zweifelnd ihren Kopf.

Großes Sommerfest in der Arche Meißen ist an diesem Sonnabend von 11 bis 16 Uhr, August-Bebel-Straße 18.