Warum immer noch so wenige E-Autos im Kreis Görlitz rollen

Ellen Pietsch hat jetzt mehr Fahrspaß und dabei noch ein grün-gutes Gewissen. Seit rund einem Jahr fährt die Oderwitzerin einen Opel Corsa mit Elektro-Antrieb. "Die Leistung ist sofort abrufbar", sagt die 59-Jährige. Ursprünglich hat sie den Wagen vom Autohaus nur zur Leihe bekommen, als ihr acht Jahre alter Opel Corsa mit Verbrenner-Antrieb in der Werkstatt war. Daraus ist kurzerhand ihr neuer geworden. Als Vorführwagen konnte Ellen Pietsch das Auto gleich mitnehmen.
Den E-Corsa nutzt die 59-Jährige vor allem für den täglichen Arbeitsweg nach Zittau. Damit kommt sie rund 300 Kilometer weit. Im Sommer hält der Akku bis zu zwei Wochen, im Winter bis zu einer - abhängig von Geschwindigkeit, Fahrstil, Außentemperatur und Nutzung von Klimaanlage sowie Heizung. Geladen wird der Wagen am eigenen Haus über einen Starkstrom-Anschluss. Das dauert vier Stunden. Und der Elektroantrieb bringt ihr auch finanzielle Vorteile. So muss sie keine Steuern zahlen, die Versicherung ist günstiger, es gibt kaum noch Wartungsarbeiten und auch beim Tanken spart die Oderwitzerin. Laut ihrer Durchschnitts-Rechnung nach einem Jahr hat sie für das Füllen des Verbrenners zuvor 60 bis 70 Euro bezahlt und reichte drei Wochen, die Stromladungen kosten sie nun 35 Euro im Monat.

Obendrauf gibt's für Käufer auch noch eine Förderung durch Innovationsprämie und Umweltbonus von je 4.500 Euro. Davon trägt zwei Drittel der Staat, ein Drittel der Hersteller. Damit soll die E-Mobilität angekurbelt werden - bisher mit Erfolg. Bundesweit steigt die Zahl der Zulassungen, auch im Landkreis Görlitz. Waren zum 31. Dezember 2020 noch 355 E-Fahrzeuge angemeldet, lag die Zahl ein Jahr später schon bei 669 - wobei Verbrenner weiter dominieren. Das steigende Interesse an der neuen Antriebstechnik spüren Händler wie das Opel-Autohaus Heidrich in Ebersbach-Neugersdorf, wo Ellen Pietsch ihren Corsa herhat. Zwei bis drei Anfragen bekommt Geschäftsführer Jens Kießling inzwischen jede Woche für ein E-Auto der Marke. Der Hersteller hat bereits acht Modellvarianten im Angebot und angekündigt, ab 2028 in Europa nur noch solche Fahrzeuge zu verkaufen.
- Mehr Nachrichten aus Löbau und Umland sowie Zittau und Umland
Allerdings fehlen der Automobil-Branche seit Monaten Rohstoffe, Kabelbäume und Halbleiter. Die Situation hat sich erst durch die Pandemie und nun durch den Ukraine-Krieg verschärft. Die Hersteller stecken in der Lieferkrise. Jens Kießling hat im März dieses Jahres das letzte strombetriebene Auto verkauft, einen Opel Mocca. Die Wartezeiten für seine Kunden betragen mittlerweile ein Jahr. Dabei ist es egal, ob es sich um den noch dominierenden Verbrenner oder das immer stärker gefragte Elektrofahrzeug handelt: "Im Moment bewegt sich nichts", sagt der Autohaus-Chef, der in seinen 32 Jahren in der Branche so eine Situation noch nie erlebt hat und auch vorerst mit keiner Entspannung auf dem Markt rechnet. Selbst der für Gebrauchte sei nahezu leergefegt, Preise würden steigen, Jahreswagen teurer als neue sein. "Es ist zu viel Unruhe auf der Welt."

Hinzu kommen die Pläne der Bundesregierung. So soll ab kommendem Jahr die Innovationsprämie gestrichen, der staatliche Zuschuss beim Kauf eines E-Autos auf 4.000 Euro sinken, 2024 und 2025 jeweils 3.000 Euro betragen - und danach wegfallen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die Prämie für Plug-in-Hybride - also Modelle mit Verbrennungs- und Elektromotor - sogar schon Ende dieses Jahres auslaufen lassen. Seine Begründung: Sie sind marktgängig. Für die Förderung ist dabei das Datum der Zulassung maßgeblich. Was an Vorteil bleibt: E-Autos sind - neben einkommensteuerlichen Vergünstigungen - bis 2030 grundsätzlich von der Kfz-Steuer befreit. "Die Kunden sind derzeit verunsichert, weil die Politik keine klare Ansage macht", sagt Jens Kießling.
Aufgrund der Situation stürzen sich Interessenten auf das, was da ist. Das spüren auch die Verkäufer bei "Auto Elitzsch". Der Händler mit Standorten in Kamenz, Görlitz, Hoyerswerda, Löbau, Neustadt, Niesky, Radeburg und Zittau und rund 360 Mitarbeitern ist einer der größten in Ostsachsen. Dort sind aktuell 20 vollelektrische Modelle sowie 24 Hybrid-Fahrzeuge der VW-Gruppe im Angebot, die sich nach eigenen Angaben bis 2025 an die Spitze der Elektromobilität katapultieren will. Von den rund 1.800 verkauften Neuwagen bei Elitzsch waren voriges Jahr etwa 120 reine Stromer. "Wir würden 2022 den Ausstoß sicher verdoppeln, wenn wir könnten", sagt Uwe Simmang. Das zeigen dem Geschäftsführer für Verkauf die jüngsten Lieferungen von E-Autos. Beispielsweise von 15 VW Up im April, die innerhalb von 14 Tagen weg waren oder von fünf SUV, die sofort einen Käufer fanden. Nur: "Wir können kaum noch Lieferzusagen für dieses Jahr machen", sagt er mit Blick auf die Wartezeiten. Manchmal seien Autos innerhalb von acht Wochen da, in anderen Fällen warten Kunden anderthalb Jahre.
Noch-Landrat Bernd Lange fände die Entwicklung positiv. "Dennoch fällt der Verzicht von Dieselfahrzeugen sehr schwer, da im ländlichen Raum kaum Ladeinfrastruktur existiert und die Reichweite den Fahrzeugen noch immer Grenzen setzt", sagt er. "Zudem warten viele Menschen weiterhin auf Alternativen zu Elektrofahrzeugen", meint Bernd Lange und nennt die Wasserstoff-Technik als Beispiel.
Für Ellen Pietsch ist die richtige Technik schon jetzt das E-Auto. Ihr Corsa meldet, wenn der Akku zur Neige geht - und zeigt Ladesäulen in der Nähe. "Man muss eben umdenken, längere Touren planen, Zeiten anders einteilen", so die 59-Jährige. Aber sie ist sich sicher: Das E-Auto wird sich durchsetzen.