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Erster ID.3 in Dresden ausgeliefert

Nun soll sie beginnen, die elektrische Wende bei VW. Der erste Kunde konnte seinen ID.3 in Dresden abholen. Aber noch gibt es einige Schwächen.

Von Nora Miethke
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Christian Stadler aus Fürstenstein bei Passau, nimmt den ersten ID.3 in Empfang.
Christian Stadler aus Fürstenstein bei Passau, nimmt den ersten ID.3 in Empfang. © Robert Michael/dpa

Vor zwei Wochen ist der alte Hyundai, ein Verbrenner, von Christian Stadler kaputt gegangen. Doch der 43 jährige Lagerist aus der Nähe von Passau blieb gelassen. Denn er wusste, dass ein Neuwagen schon so gut wie vor der Haustür steht.Christian Stadler ist der erste Kunde, der am Freitag in der Gläsernen Manufaktur in Dresden einen der ersten vollelektrischen ID.3 von Volkswagen (VW) in Empfang nehmen konnte. Gebaut wurde das weiß lackierte Fahrzeug in Zwickau.

Sechzehn Monate hat er auf diesen Moment gewartet. Im Mai 2019 gehörte Stadler zu den 25.000 Frühbuchern , die das Fahrzeug bestellten – ohne es vorher gesehen oder eine Probefahrt gemacht zu haben. Für Silke Bagschik, Vertriebs- und Marketingleiterin bei VW für die ID.-Modellfamilie, ist das ein „enormer Vertrauensvorschuss“. Die studierte Ingenieurin ist davon überzeugt, dass sich der batterieelektrische Antrieb durchsetzen wird, weil er „einfach der energieeffizienteste ist“, sagt Bagschik bei der feierlichen Auslieferung des ersten reiner Stromers in Dresden. Auf diesen Tag haben sie und viele andere im VW-Konzern vier Jahre lang hingearbeitet. Volkswagen ist der größte Autobauer in Europa und steht nach Ansicht von Bagschik damit auch in der Verantwortung zu zeigen, „dass klimaneutrale Mobilität funktioniert und für jedermann erschwinglich ist“.

Christian Stadler bei seiner ersten Fahrt mit seinem neuen Elektroauto.
Christian Stadler bei seiner ersten Fahrt mit seinem neuen Elektroauto. © Robert Michael/dpa

Davon ist Christian Stadler jetzt schon überzeugt. Für seinen Youtube-Kanal „Batterylife“ hat er bislang 15 verschiedene E-Modelle getestet. „Der ID.3 passt am besten zu mir“, so Stadler und meint damit das Gesamtpaket aus Reichweite, Preis und Ladeleistung. VW hat mit ihm einen Neukunden gewonnen. Der ID.3 ist sein erstes Elektroauto und sein erster Volkswagen. 460 Kilometer muss er zurück nach Hause fahren. Angst, dass er es trotz vollem Akku nicht schafft, hat er keine. „Ich werde nicht mit 90 Kilometer pro Stunde über die Autobahn schleichen, sondern mit 130 bis 140 zügig fahren“, sagt der Enthusiast. Die Reichweite der Batterie sei wichtig, aber das Wichtigste sei die Ladeleistung.

Die Strecke von Dresden nach Passau kennt er gut, weiß genau, wo die Schnellladestationen von Ionity stehen. Ionity ist eine Gemeinschaftsunternehmen von VW, Daimler, BMW und Ford, das 400 Ladeparks entlang der europäischen Autobahnen aufbaut. „Die laden unglaublich schnell.Mit 15 Minuten Ladezeit komme ich 150 bis 200 Kilometer weit, je nach dem wie schnell ich fahre“, so Stadler. Am Wochenende will er mit seiner Frau bis zu 1.000 Kilometer fahren als Test für seinen Youtube-Kanal. Und dann auch mal nach London. Das sei überhaupt kein Problem, da gebe es alle 150 Kilometer eine Ladestation.

Achillesferse ist die Software

VW preist Kunden wie Christian Stadler als „first mover“. Von ihnen braucht der Autobauer viele, denn für VW geht es bei dem ID.3 um alles oder nichts. Riesige Summen sind bereits in dieses Modell, den Kompakt-SUV ID.4 und den Elektro-Bulli ID.Buzz geflossen. Allein der Umbau des Zwickauer Werks kostet über eine Milliarde Euro. VW will Marktführer werden. Aber noch ist der Rückstand zum US-Rivalen Tesla groß.

Die Anlaufprobleme des ID.3 sind nicht wegzudiskutieren. Sicher: Er ist ein rundum neu entwickeltes Auto. Aber besonders die Software erwies sich in der Vorbereitung als Achillesferse. Die Kunden haben zunächst nicht auf alle Funktionen Zugriff - im Winter müssen sie Updates nachladen. Der Marktstart musste deshalb verschoben werden. Statt „im Sommer“ konnte Christian Stadler erst Mitte Sommer nach Dresden fahren, sein Auto holen.

Laut Volkswagen wurden europaweit 25.000 der auf 30.000 limitierten ersten Edition des ID.3 bereits verkauft.
Laut Volkswagen wurden europaweit 25.000 der auf 30.000 limitierten ersten Edition des ID.3 bereits verkauft. © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Besonders die Vernetzung der Steuergeräte ist ein hoch komplexes Thema. Das Magazin „Auto, Motor und Sport“ sieht nach einem Fahrtest bei der ID.3-Elektronik „erheblichen Nachbesserungsbedarf“. So hätten das Navi-System nur eingeschränkt und weitere Online-Dienste gar nicht funktioniert. Hohe Zufriedenheit dagegen bei den Fahreigenschaften: „Antrieb und Fahrwerk funktionieren perfekt.“ Zur Lenkung und Beschleunigung hatte sich auch Tesla-Chef Elon Musk, der das Modell jüngst Probe fuhr, anerkennend geäußert.

Die Begeisterung für das Modell ist bei vielen groß. Zum Start der Produktion mit Kanzlerin Angela Merkel im November in Zwickau standen die Mitarbeiter Spalier für das Auto. Ab kommendem Jahr wird er auch in Dresden montiert werden. Zehntausende lassen sich für die E-Mobilität qualifizieren, ganze Werke wie Emden, Hannover sowie Standorte in den USA und China werden umgerüstet. Gleichzeitig fährt VW die klassische Verbrennertechnik herunter und streicht Stellen. Bei der Lkw-Tochter MAN, die ein Werk in Plauen hat, sollen bis zu 9.500 Jobs wegfallen.

Auch Automarktexperte Stefan Bratzel betont, VW müsse beim Thema Software „schnell besser werden“. Eine neue Software-Gruppe für den Konzern wird derzeit aufgebaut. Die Komplexität der nötigen Vernetzung sei bisher in der gesamten deutschen Autobranche unterschätzt worden, meint Bratzel. Er ist aber zuversichtlich, dass die Industrie das noch in den Griff bekommen kann. (mit dpa)