Wenn am Donnerstag die ersten Adventskalendertürchen geöffnet werden, finden sich dahinter kaum noch simple Bildchen oder Schoko-Reliefe. Einfache Papierkalender mit niedlichen weihnachtlichen Motiven locken längst weder Kinder noch Erwachsene hinter dem Ofen hervor.
Heutzutage muss es schon pompöser oder ausgefallener sein. Legofiguren, Minibücher, Fitnessartikel, Erotik-Utensilien, Kaffeekapseln, Müslischachteln, Kalender mit Bier, Teebeuteln, Samentütchen, Cocktailmixer-Zubehör, Grillgewürzen, Parfümproben oder Kosmetikartikeln – was klein genug ist, wird hinter weihnachtlich bedruckte Kartonage gepackt.
Die meisten Adventskalender sind überteuert
Micaela Schwanenberg, Rechtsreferentin bei der Verbraucherzentrale Sachsen, bestätigt diesen Eindruck. „Fast jeder, der irgendwelche Waren anbietet, geht mit einem Adventskalender an den Markt“, sagt sie.
Die Preise, die die Industrie dafür aufruft, sind heftig. Mag das Kind gern Gummibärchen, zahlt man je nach Anbieter etwa 9 bis 13 Euro für 24 kleine Tütchen. Zusammen mit dem Kalender wiegen die ungefähr genauso viel wie zwei normale Tüten Gummibärchen für insgesamt 1,98 Euro.
Liebt der Nachwuchs Kinderüberraschung, dürfen Eltern oder Großeltern 32 Euro für elf Ü-Eier, kleinere Hohlfiguren und Schokotaler zahlen. Immerhin gibt es eine Weihnachtsmannmütze dazu.
Der Barbie-Kalender mit einer Figur und Puppenkleidung kostet 24,99 Euro. Da hat das Kind auch später noch etwas davon. Die 24 Räucherkerzen von Knox in entzückender Verpackung für 10,95 Euro haben sich zu Weihnachten hingegen in Luft aufgelöst. Die Einzelpackung mit 24 Kerzen gibt es ab 2,19 Euro.
Alle sind dann vermutlich auch die 24 besonderen, aber winzigen Whiskyflaschen aus Irland, Schottland, USA und Japan von der Firma Drinks für schlappe 139,90 Euro. 2018 lag der Umsatz mit Adventskalendern in Deutschland laut einer Erhebung der Lebensmittel Zeitung bei 98 Millionen Euro. Tendenz, trotz Krise: steigend.
Der Verbraucher will das Besondere
Aber warum geben die Leute so viel Geld dafür aus? „Weil der Verbraucher das Besondere möchte. Das ist es ihm wert“, sagt Schwanenberg. Das sieht auch Handelsexperte Andreas Kaapke von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg so.
„Der Hersteller profitiert, weil er auch andere Produkte verkaufen kann, der Handel profitiert, weil er die Frequenz erhöht, und der Verbraucher kriegt genau das, was er sucht: Etwas Besonderes anlässlich des Festes“, sagte er in einem Marktcheck. Der Sender SWR hatte den zwar schon vor vier Jahren gemacht und die echten Warenpreise ermittelt.
Doch was damals galt, hat sich bis heute nicht verändert. „Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist bei vielen dieser Produkte fraglich“, sagt Micaela Schwanenberg. „Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Verbraucher darüber immer im Klaren ist.“
Es sei in jedem Fall günstiger, eine Tüte Süßigkeiten zu kaufen und daraus selbst etwas zu basteln. Und auch dafür hat der Markt ja etliche Lösungen: Adventskalendersäckchen zum selber befüllen, aus Filz, Stoff oder Papier, bedruckt, bestickt, zum Stellen oder Hängen.
Eine positive Überraschung gab es bei dem SWR-Test. Kosmetikkalender waren ihr Geld mehr als wert. Im Vergleich zum Einzelkauf der Produkte könne man tatsächlich „einen echten Deal machen“, wie Schwanenberg sagt.
Vorweihnachtliche Geschenke der Hersteller seien das aber auch nicht, so Handelsexperte Kaapke. Denn die kleinen Abpackungen seien häufig Produkte, die in der Saison nicht so gut verkauft wurden oder neue Ware, bei der man ausprobieren wolle, wie sie beim Kunden ankomme.
„Aus Herstellersicht ist beides sehr sinnvoll“, so Haapke. Der Kundin dürfte das egal sein. Sie freut sich über kleine Proben. 24 Mal.