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Erste Verhandlung gescheitert: Nächster Streik im Tarifstreit bei der Bahn bahnt sich an

Bei der Bahn steht der nächste Tarifkonflikt an. Diesmal streitet der Konzern mit der Lokführergewerkschaft GDL. Die erste Verhandlungsrunde ist gescheitert. Aber es gibt noch Hoffnung.

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Die Gewerkschaft GDL fordert unter anderem 555 Euro mehr pro Monat für die Beschäftigten sowie eine Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3.000 Euro. Andernfalls drohen die Lokführer mit einem erneuten Streik.
Die Gewerkschaft GDL fordert unter anderem 555 Euro mehr pro Monat für die Beschäftigten sowie eine Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3.000 Euro. Andernfalls drohen die Lokführer mit einem erneuten Streik. © Marijan Murat/dpa

Berlin. Die erste Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist am Donnerstag laut Konzern ohne Einigung zu Ende gegangen. Die Verhandlungen sollen nächste Woche fortgesetzt werden, teilte die Bahn am Donnerstagnachmittag mit. "Wir begrüßen, dass die Lokführergewerkschaft auf der Grundlage unseres Angebots weiterverhandeln will", hieß es von Personalvorstand Martin Seiler. Vier weitere Termine seien vereinbart worden. "An unserem klaren Nein zur Arbeitszeitverkürzung hat sich nichts geändert", betonte der Manager.

Von der GDL kamen am Nachmittag zunächst keine Angaben zum Stand der Dinge und zum weiteren Vorgehen. Gewerkschaftschef Claus Weselsky hatte vor Beginn der Verhandlungen angekündigt, dass es ohne eine Regelung zur Arbeitszeitreduzierung für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Wochenstunden keine Einigung geben werde und rasche Arbeitskämpfe in Aussicht gestellt.

Drohen bald schon wieder Streiks und Stillstand auf der Schiene?

Ja, Fahrgäste müssen sich darauf einstellen, dass die GDL zügig in den Arbeitskampf geht. Weselsky hat bereits angekündigt, sich nicht lange mit Warnstreiks aufhalten zu wollen, für die es enge Vorgaben gibt. Er setzt auf eine rasche Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern, um unbefristete Streiks realisieren zu können. Konkret kündigte die GDL noch keine Aktionen an. Aber Weselsky hat bislang stets betont, dass auch die Feiertage über Weihnachten nicht tabu sind für Arbeitskämpfe.

Der Fahrgastverband Pro Bahn rief die Gewerkschaft bereits zur Besinnung auf: "Die GDL sollte sich hüten, Millionen Menschen das Weihnachts- und Silvesterfest durch Streiks zu verderben", sagte der Verbandsvorsitzende Detlef Neuß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wenn zu den weihnachtlichen Familientreffen keine Züge fahren, wäre das eine extreme Belastung für sehr viele Menschen."

Claus Weselsky, GDL-Chef, gibt zum Auftakt der Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der GDL ein Statement.
Claus Weselsky, GDL-Chef, gibt zum Auftakt der Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der GDL ein Statement. © Fabian Sommer/dpa

Die GDL hat zwar deutlich weniger Mitglieder als die EVG. Doch sie vertritt traditionell vor allem die Lokführer und das Zugpersonal. Wenn sie streiken, fahren auch keine Züge. Die Gewerkschaft hat in früheren Tarifrunden oft bewiesen, auch über längere Zeit den Bahnverkehr bundesweit vollständig lahmlegen zu können.

Worum wird gestritten?

Die Gewerkschaft fordert 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro - abzüglich eines bereits gezahlten Teils dieser steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Als Knackpunkt der Verhandlungen gilt aber vor allem die Forderung, die Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich abzusenken. Weselsky will damit eigenen Aussagen zufolge die Attraktivität des Berufs angesichts des flächendeckenden Fachkräftemangels erhöhen.

"Wir haben zu wenig Lokführer, zu wenig Zugbegleiter, jetzt zu wenig Fahrdienstleiter, zu wenig Werkstattmitarbeiter", sagte der GDL-Chef vor wenigen Wochen der Deutschen Presse Agentur. Das liege nicht am demografischen Wandel. "Sondern es ist die Unattraktivität der Berufe, der Tätigkeiten, die im Eisenbahnsystem nun mal 24 Stunden, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr laufen."

Was bietet die Bahn?

Die Bahn hatte der Gewerkschaft am Donnerstag unter anderem eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten vorgeschlagen. Auf die Kernforderung der GDL, die Arbeitszeit, ging der Konzern in dem Angebot aber nicht ein. Die Gewerkschaft fordert daneben unter anderem 555 Euro mehr Geld pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie.

Gibt es weitere Knackpunkte?

Ja. Wie schon bei vergangenen Tarifrunden der GDL ist dieser Konflikt geprägt von der Debatte um das sogenannte Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung umgesetzt wird. Bei den rund 300 Betrieben der Deutschen Bahn ist das in der Regel die EVG. In lediglich 18 Bahn-Unternehmen kommen derzeit die GDL-Verträge zur Anwendung. Doch aus Sicht der Lokführer-Gewerkschaft gibt es kein gesichertes Feststellungsverfahren der Mitgliederzahl in den jeweiligen Betrieben. Sie klagt deshalb in mehreren Verfahren gegen die Festlegungen des Konzerns, bei einigen bereits in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht.

Die GDL ist deshalb darum bemüht, ihren Einflussbereich bei der Bahn auszuweiten. In dieser Tarifrunde will sie auch für die Beschäftigten der Infrastruktursparte verhandeln. Die Bahn lehnt das ab. Bislang hat die GDL dort keine eigenen Tarifverträge.

Was hat es mit der neuen Genossenschaft der GDL auf sich?

Auch mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz hat die Gewerkschaft im Sommer angekündigt, eine eigene Leihfirma in Form einer Genossenschaft gründen zu wollen. Laut Weselsky ist das bereits geschehen. Derzeit liefen Einstellungsgespräche, betonte er kürzlich. Die Beschäftigten dieser Firma könnten nun zu GDL-Konditionen an die Bahn ausgeliehen werden. Auf diese Weise könnten auch in den Betrieben die GDL-Tarifverträge angewendet werden, in denen eigentlich die EVG eine Mehrheit unter den Beschäftigten hat.

Denn die Genossenschaft handelt ihre Tarifverträge nicht mit der Bahn aus, sondern mit der GDL. Ein entsprechender Haustarifvertrag sei bereits vereinbart worden, sagte Weselsky. "Die Genossenschaft ist die Lösung für diese Unverschämtheit", sagte Weselsky der "Süddeutschen Zeitung" mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz. (dpa)