SZ + Wirtschaft
Merken

Dresden wird zum Mekka für Hightech-Investoren

40 Start-ups aus ganz Europa werben zu den „Hightech Ventures Days“ in Dresden um über 200 Millionen Euro Risikokapital.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Bis Freitag präsentieren sich 40 Start-ups aus ganz Europa in Dresden.
Bis Freitag präsentieren sich 40 Start-ups aus ganz Europa in Dresden. © Heiko Weckbrodt

Von Heiko Weckbrodt

In ein Mekka für Hightech-Risikokapitalisten hat sich derzeit die sächsische Landeshauptstadt verwandelt: Namhafte Industriekonzerne wie ABB, BASF, Applied Materials, Continental, Infineon, Samsung und Zeiss, aber auch hoch spezialisierte Beteiligungsgesellschaften haben ihre Scouts zu den „Hightech Ventures Days“ geschickt, um womöglich das nächste „Hightech-Einhorn“ unter all den Jungunternehmern zu entdecken, die sich bis zum Freitag in Dresden präsentieren. „Unsere ,Hightech Ventures Days‘ sind zu dem Branchentreffen in Europa für Hochtechnologie-Investoren geworden“, schätzt Organisator Thomas Schulz von der Hightech Startbahn GmbH ein, die dieses Speed-Dating für Start-ups und Investoren seit 2013 ausrichtet.

Dabei hat sich die Spezialisierung auf wissenschaftlich-technische Unternehmungen, die in Sachsen eine lange Tradition haben, als Königsweg erwiesen. Börsenstars wie Warren Buffet oder saudische Ölprinzen nach Sachsen zu locken, wäre sicher ohnehin schwierig gewesen. Daher zielen die „Hightech Ventures Days“ vielmehr auf jene Investoren, die sich auf junge Unternehmen aus der Mikroelektronik, Industrie 4.0, Umwelttechnik, Materialentwicklung, Mobilität und Biotechnologie eingeschossen haben. „Das sind rund 350 internationale Spezialisten, die sich in einer Art Hightech-Blase bewegen“, erzählt Schulz. Etwa jeder Zweite davon kommt einmal im Jahr für die Hightech Ventures Days nach Dresden. „Hier vernetzen sie sich und bilden auch Syndikate für größere Finanzierungsrunden.“

Dazu trägt sicher auch das eher familiäre Ambiente des Dresdner Branchentreffens bei: Statt von Tausenden Besuchern umschwirrt zu werden, sind Investoren und Gründer hier unter sich, können offen miteinander verhandeln. Deshalb lassen die Organisatoren auch immer nur 40 Start-ups zu, die sich in der Gläsernen VW-Manufaktur den potenziellen Geldgebern vorstellen dürfen. In diesem Jahr hatte es dafür 170 Bewerber aus ganz Europa und darüber hinaus gegeben, auch Gründer aus der Türkei und aus Israel kamen in diesem Jahr in die Jury-Auswahl.

Wer einen der begehrten Plätze für die „Pitches“ genannten Präsentationen der Jungunternehmen ergattert hat, bekommt dann auch einige Schützenhilfe von der „Hightech Startbahn“. Denn gerade frischgebackene Gründer von Hightech-Firmen haben eben erst eine Uni verlassen und fokussieren sich noch zu sehr auf wissenschaftlich-technische Aspekte.

Den betriebswirtschaftlichen Sachverstand holen sich manche Start-ups erst nach einer schmerzlichen Lernkurve ins Boot. „Deshalb bieten wir ihnen erst mal ein Pitch-Training an“, erzählt der Organisator. Dabei lernen die Ingenieure, sich in die Gedankenwelt eines Investors hineinzuversetzen, Marktchancen und Geschäftspläne rasch und prägnant zu erklären. Auch müssen sie auf Anhieb sagen können, was ihr Unternehmen einzigartig macht, oder, wie es in den USA heißt, was ihr „unfairer Wettbewerbsvorteil“ gegenüber der Konkurrenz ist: Das kann eine einzigartige Innovation sein, ein besonderes Patent – oder dass die Gründer den internationalen Experten schlechthin für ihre Hightech-Idee im Team haben.

Ambartec

… speichert Energie für die Wasserstoff-Wirtschaft nicht in Tanks, sondern in purem Eisen. Mit dieser Technologie lässt sich laut Ambartec-Chef Matthias Rudloff Energie kompakter speichern und transportieren als mit allen anderen Technologien – bei einem doppelt so hohem Wirkungsgrad. Dafür leitet das Unternehmen Wasserstoff durch Eisenxoid-Schüttgut, entzieht dem Eisen so den Sauerstoff und macht es damit zum Energieträger. Am Zielort reagiert das blanke Eisen mit Wasserdampf und setzt dabei Wasserstoff frei.

Matthias Rudloff
Matthias Rudloff © Heiko Weckbrodt

Asgen

… spannt künstliche Intelligenz (KI) für die Tumor-Erkennung ein. Weltweit erkranken immer mehr Menschen an Krebs. Die Ausgründung aus dem Uniklinikum Dresden trainiert künstliche neuronale Netze darauf, Mikroskopbilder automatisch für Pathologen vorzusortieren. Nimmermüde zählt die KI Metastasen in Proben und entlastet den Arzt von Routine-Arbeiten, sodass der sich auf die Diagnose konzentrieren kann. Vier Millionen Euro will Asgen nun einwerben, um zunächst ein System für die Brustkrebserkennung praxisreif zu machen.

Falk Zakrzewski
Falk Zakrzewski © Heiko Weckbrodt

Arioso

… will für schickere Smartphone-Ohrhörer mit längerer Akku-Laufzeit sorgen: Die Ausgründung aus dem Fraunhofer-Photonik-Institut IPMS hat Lautsprecher im Chipformat entwickelt. Dafür ätzen Ingenieure in Dresden und Cottbus mikroskopisch kleine Lamellen in einen Siliziumchip, die sich – abhängig von der angelegten Frequenz – elektrostatisch anziehen, schwingen und dabei Töne erzeugen. Das Unternehmen bemüht sich um 10 Mio Euro von Investoren, um die Technologie bis 2024 in die Massenproduktion zu bringen.

Jan Blochwitz-Nimoth
Jan Blochwitz-Nimoth © Heiko Weckbrodt

Episome Biotechnologies

… ist extra aus der Türkei nach Dresden gekommen, um hier Investoren für eine besondere Reycling-Methode zu finden: Murat Balaban und sein Team wollen gemeinsam mit Partnern in den Niederlanden eine Anlage bauen, in der spezielle Bakterien die Zellulose-Abfälle aus Papierfabriken auffressen und dabei Biogas freisetzen. Das lässt sich dann in Flüssig-Erdgas (LNG) verwandeln, mit dem sich Laster und Schiffe etwas umweltfreundlicher als bisher antreiben lassen.

Murat Balaban
Murat Balaban © Heiko Weckbrodt