SZ + Freital
Merken

Dämpfer für die Energiewende in SOE

Immer mehr Haushalte setzen in SOE auf Balkonkraftwerke. Doch alte Zählerschränke bereiten Probleme - und Sachsen Energie ist mit der Antragsflut überfordert.

Von Roland Kaiser
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
In die Stromdose steckbare Solaranlagen, sogenannte Balkonkraftwerke, stehen derzeit hoch im Kurs. Sie werden inzwischen auch gefördert.
In die Stromdose steckbare Solaranlagen, sogenannte Balkonkraftwerke, stehen derzeit hoch im Kurs. Sie werden inzwischen auch gefördert. © Steffen Unger

Mini-Solaranlage kaufen, anmelden, in die Steckdose stecken, fertig: Deutschland ist im Balkonkraftwerke-Fieber. Doch was so leicht von den Lippen geht, stellt zahlreiche Verbraucher auch im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge weiter vor Hürden.

So machte jüngst ein Rentnerpaar aus Bannewitz diese Erfahrung. Um selbst Teil der viel beschworenen Energiewende zu werden, muss es nach eigenen Angaben zunächst den Zählerschrank umbauen lassen. Ein Monteur habe sich geweigert, in Anbetracht der Gegebenheiten einen neuen Zweirichtungszähler zu montieren. Den jedoch machen Netzbetreiber aktuell noch zur Bedingung. Sie verweisen dabei auf die Stromnetzzugangsverordnung. Das Regelwerk fordere von den Unternehmen die getrennte Bilanzierung aller Bezugs- und Einspeisestellen und mache bei Balkonkraftwerken keine Ausnahme.

Davon kann Constanze Krieger (Name geändert) aus Bad Gottleuba-Berggießhübel inzwischen ebenfalls ein Lied singen. "Auch wir sollen einen erst 2018 installierten Zähler auswechseln, weil die neuen Zweirichtungszähler angeblich nicht auf die 'alten' Plastikgrundplatten passen", beschreibt sie das Dilemma. Im Internet wiederum gäbe es für die älteren Platten passende Zweirichtungszähler. "Ich vermute, der Netzbetreiber hat einfach keine kleinen Zähler beschafft und zwingt jetzt die Hauseigentümer zum Umbau." Bei dem Messinstrument handelt es sich um ein Gerät, das nicht rückwärtsläuft, sobald Strom durch das Balkonkraftwerk eingespeist wird.

Energiewende scheitert mitunter bereits am Zähler

Der Energieversorger Sachsen Energie entgegnet, dass ein Zählertausch problemlos in allen normgerechten Zählerschränken möglich sei, die nach 1991 eingebaut wurden. Anderenfalls müsse der Kunde zeitnah einen Elektrofachbetrieb damit beauftragen, den Zählerplatz "richtlinienkonform" zu gestalten.

Constanze Krieger möchte diesen Umbau - der einen vierstelligen Betrag kosten kann - nicht vornehmen lassen. Das habe sie dem Unternehmen auch so mitgeteilt. Ihre Fotovoltaikanlage sei ordnungsgemäß beim Marktstammdatenregister und Netzbetreiber angemeldet worden. Somit könne dieser den Betrieb des Balkonkraftwerkes nicht verbieten, vertritt die Stromkundin die Ansicht. Damit bezieht sie sich auf eine Aussage des Unternehmens und fügt hinzu: "Wenn der Netzbetreiber für die Kunden keine passenden Zähler hat, ist das nicht mein Problem."

Voraussichtlich ab Januar könnte sich diese Diskussion erübrigen. "Mit Inkrafttreten der geänderten Rahmenbedingungen wird auf die Anmeldung beim Netzbetreiber verzichtet", sagt Sachsen-Energie-Sprecherin Viola Martin-Mönnich. Dann werde es zudem möglich sein, Balkonkraftwerke mit einem konventionellen Zähler zu betreiben. Allerdings merkt sie an, dass dies an eine Frist gebunden sei. Unabhängig davon rät sie allen, die sich eine steckerfertige Solaranlage zulegen möchten, bereits im Vorfeld den Zählerplatz von einem Installateur in Augenschein nehmen zu lassen.

Für Constanze Krieger hingegen steht fest: "Ich werde die Sache - wie bei unseren Politikern üblich - aussitzen."

Monatelanges Warten aufs Einspeisegeld

Obwohl schon allein das wie ein Bremsklotz wirkt, gibt es noch ein weiteres Ärgernis. Konrad Müller aus Heidenau (Name ebenfalls geändert) wartet laut eigener Darstellung seit über einem Jahr auf Geld vom Netzbetreiber. Der hat per Gesetz ins Stromnetz eingespeiste Elektroenergie abzunehmen und zu vergüten. Aktuell werden pro Kilowattstunde 8,2 Cent fällig.

"Ich habe mehrmals den Strom- und Gasnetzbetreiber Sachsen Netze angeschrieben, bekomme aber immer Standardantwortschreiben", beklagt der Mann. Darin heiße es, das Unternehmen sei überlastet.

Dass es anders gehen kann, veranschaulicht der Heidenauer an einem Beispiel aus der Metropolregion Rhein-Neckar. "Mein Sohn lebt in Mannheim. Er hat zu Jahresbeginn die gleiche Fotovoltaikanlage wie wir installieren lassen und in Betrieb genommen. Nur bekommt er bereits nach sechs Monaten die Vergütung für seinen eingespeisten Strom. Wir dagegen warten auf die erste Zahlung nunmehr 14 Monate."

Konrad Müller stellt sich die Frage, wie lange er sich noch in Geduld üben soll. Etwas konsterniert bringt er vor: "So sieht die Energiewende in Sachsen aus."

Sachsen Energie bittet angesichts der Lage um Verständnis bei den Betreibern von Balkonkraftwerken oder anderen Fotovoltaikanlagen. Momentan komme es zu längeren Bearbeitungszeiten. Unternehmenssprecherin Viola Martin-Mönnich versicherte jedoch: "Es wird alles rückwirkend bearbeitet, sodass Einspeiser die korrekte Vergütung erhalten."

Die Sprecherin der Sachsen Energie AG, Viola Martin-Mönnich, verweist auf eine zunehmende Zahl von Balkonkraftwerken auch im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
Die Sprecherin der Sachsen Energie AG, Viola Martin-Mönnich, verweist auf eine zunehmende Zahl von Balkonkraftwerken auch im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. © Foto: Sachsen Energie

Die Zahl der im Versorgungsgebiet angeschlossenen steckerfertigen Solaranlagen hat sich ihren Angaben zufolge in den ersten sieben Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Stand von Ende 2022 nahezu verdreifacht. Eine im Sommer gestartete Förderung von Balkonkraftwerken - ein bei der Sächsischen Aufbaubank zu beantragender Zuschuss in Höhe von einmalig 300 Euro - dürfte diese Entwicklung weiter befeuern.

In dem Zusammenhang machte Viola Martin-Mönnich darauf aufmerksam, dass der größte Einsparungseffekt durch den Selbstverbrauch entstehe. "Der durch das Balkonkraftwerk reduzierte Verbrauch des Kunden aus dem öffentlichen Netz wird bei der nächsten Ablesung festgestellt." Auf Grundlage der Werte könnten Verbraucher im Folgejahr mit monatlich niedrigeren Abschlägen rechnen.

Balkonkraftwerke lassen sich ab sofort fördern

Fakt ist: Die im Freistaat von Privathaushalten ans Stromnetz angedockten Fotovoltaikanlagen entfalten im Laufe der Zeit eine gewisse Wirkung. "Geht man davon aus, dass ein Balkonkraftwerk circa 300 Kilowattstunden im Jahr erzeugen kann und der Betreiber etwa 50 Prozent dieser Menge selbst verbraucht, ergäbe dies eine Einspeisung von rund 150 Kilowattstunden je Balkonkraftwerk und Jahr", rechnet die Sachsen-Energie-Mitarbeiterin anhand eines Exempels vor. "Bei 3.000 Balkonkraftwerken käme damit eine Einspeisung von 450.000 Kilowattstunden zusammen." Diese Menge entfalle bei der fossilen Stromerzeugung und schone somit die Umwelt. Zum Vergleich: Das Kohlekraftwerk Jänschwalde produziert im Jahr eine 40-fache Strommenge.

Perspektivisch werde der Stromverbrauch durch E-Mobilität und Wärmepumpen zunehmen. "Nur ist zu deren Hauptverbrauchszeit - am Abend beziehungsweise im Winter - regelmäßig nur eine geringe Menge an Solarstrom verfügbar."

Experten empfehlen für den Fall, auf Stromspeicher zurückzugreifen. Wie das Dresdner Unternehmen Solarwatt auf seiner Internetseite mitteilt, sei in den zurückliegenden Jahren die Nachfrage nach solchen Apparaturen für den privaten Gebrauch deutlich gestiegen. Die Hauptgründe für diesen Trend würden im Wunsch nach niedrigeren Stromrechnungen und nach Unabhängigkeit sowie in den deutlich sinkenden Kosten für eine höhere Speicherkapazität liegen.

"Die Energiewende gelingt dann, wenn so viele wie möglich mitmachen", sagt indes die Freitaler Landtagsabgeordnete der Bündnisgrünen, Ines Kummer. Balkonkraftwerke seien beispielsweise für den Betrieb von Haushaltsgeräten perfekt geeignet.

Das bekommt Sachsen Energie mittlerweile zu spüren. Für den Energieversorger bedeutet die jetzige Situation "eine noch nie dagewesene Herausforderung" - sowohl für die Netze selbst als auch für die Belegschaft. Viola Martin-Mönnich: "Um das hohe Aufkommen an Anträgen zu bewältigen, haben wir unser Personal aufgestockt."