SZ + Politik
Merken

Strom, Essen, Tanken: Von den Entlastungen der Ampel bleibt nicht viel

In seiner Neujahrsansprache versprach der Bundeskanzler weniger finanzielle Belastungen. Doch zum Jahreswechsel steigen an Tankstellen und Restaurants die Preise. Was bleibt unterm Strich?

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Essengehen ist seit dem neuen Jahr wieder teurer.
Essengehen ist seit dem neuen Jahr wieder teurer. © Sina Schuldt/dpa (Symbolfoto)

Von Felix Hackenbruch

Thomas Lengfelder ist am Telefon mächtig aufgebracht: „Für Verbraucher ist das ein schlechter Jahresbeginn“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. Seit dem 1. Januar gilt in Deutschlands Gaststuben wieder der ursprüngliche Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent – statt zuvor sieben Prozent. Bei den Wirten komme das nicht gut an, sagt Lengfelder: „Die sind stinksauer.“

Es ist nicht die einzige Belastung, die für die Bevölkerung zum Jahresbeginn spürbar wird. Weil der CO₂-Preis pro Tonne von 30 auf 45 Euro erhöht wird, steigen auch die Kosten für Benzin, Diesel und Heizöl. Auch die Sozialbeiträge und Netzentgelte steigen, was den Strom in Deutschland wieder verteuern dürfte. Doch es gibt auch Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger.

„Unterm Strich entlasten wir auch weiterhin all diejenigen, die jeden Tag aufstehen und zur Arbeit gehen“, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Neujahrsansprache angekündigt und auf die Erhöhung des Grundfreibetrags und den höheren Kinderfreibetrag verwiesen. Demnach hätte eine vierköpfige Familie mit einem „normalen“ Einkommen pro Jahr 500 Euro mehr zur Verfügung, so Scholz.

„Wenn man nur die Belastungen des Einkommens betrachtet, hat Scholz recht“, sagt Tobias Hentze, Volkswirt und Steuerexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Man müsse aber auch die höheren Ausgaben betrachten, sagt Hentze, der mit seinem Kollegen die Be- und Entlastungen verrechnet hat. Sein Ergebnis: „Am Ende bleibt für die meisten nichts übrig.“

Geringverdiener werden stärker belastet

Im Detail kommt Hentze sogar zu einer sozialen Ungerechtigkeit. Denn von den höheren Freibeträgen und dem Abbau der kalten Progression würden vor allem Besserverdiener profitieren. Seinen Berechnungen zufolge hat ein Singlehaushalt mit einem Bruttoeinkommen von 100.000 Euro am Jahresende im Vergleich zu 2023 79 Euro mehr in der Tasche. Wer dagegen nur 30.000 Euro brutto verdiene, habe ein Minus von 76 Euro.

Besonders Alleinerziehende mit geringem Einkommen (weniger als 36.000 Euro) seien mit einem Minus von 144 Euro besonders belastet. „Gerade Geringverdiener zahlen drauf“, bilanziert Hentze, der etwa ein Klimageld aus den Erlösen des höheren CO₂-Preises für nötig hält.

Das kommt wegen eines fehlenden Auszahlungsmechanismus jedoch frühestens 2025. So wachsen die Belastungen zunächst einseitig, etwa an den Tankstellen. Benzin ist wegen des CO₂-Preises um 4,3 Cent je Liter, Diesel um 4,7 Cent teurer geworden.

r„Es hat schon im Vorfeld des Jahreswechsels eine Einpreisung der höheren Kosten durch die Mineralölkonzerne stattgefunden“, sagt eine Sprecherin des ADAC. Von Silvester auf Neujahr seien die Preise dann im Bundesdurchschnitt nur um 1,3 Cent gestiegen. „Da der Ölpreis zuletzt gesunken ist, gibt es keine Anzeichen für weiter steigende Spritpreise“, sagte die Sprecherin weiter.

Anders dagegen in der Gastronomie, wo es laut Thomas Lengfelder von der Dehoga für viele Betriebe existenzbedrohend werden könnte. Er findet die Erhöhung der Mehrwertsteuer ungerecht, schließlich würden fast überall in Europa niedrigere Sätze für Gastronomen gelten.

Doch auch innerhalb Deutschlands gehe es nicht gerecht zu, denn für verpackte Speisen zur Mitnahme gelte weiterhin – wie auch schon in der Vergangenheit – der reduzierte Satz von sieben Prozent. „Das ist eine komplette Ungerechtigkeit“, schimpft Lengfeld. „Niemand kann erklären, warum eine Currywurst im Stehen billiger ist als im Sitzen.“

„Die überwiegende Anzahl der aktuell geltenden Steuerermäßigungen ist historisch gewachsen und hat dort ihren Ursprung“, teilt das verantwortliche Bundesfinanzministerium auf Anfrage mit. Man habe dabei insbesondere soziale Belange, die Förderung von Kultur und Bildung und die Stärkung einzelner Wirtschaftszweige berücksichtigt. Es sei derzeit nicht geplant, die grundsätzliche Systematik zu verändern, teilte das Ministerium mit.

Lengfeld ärgert das. Er ist vor allem auf die Partei von Finanzminister Christian Lindner sauer: „Die FDP hat versprochen, dass keine Steuererhöhung kommt, jetzt gibt es eine für alle Menschen.“