Der Impfdrängler geht, die Probleme bleiben

Am Ende war der öffentliche Druck zu groß. Erich Staake, Noch-Chef des Duisburger Hafens und seit zwölf Jahren Aufsichtsratsvorsitzender bei der Mitteldeutschen Flughafen AG, steht für die neue Wahlperiode im Kontrollgremium nicht mehr zur Verfügung – „aus Altersgründen“, wie es offiziell heißt.
Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU), Vertreter des Haupteigentümers, dankte dem 67-Jährigen „mit großem Verständnis“ für „seinen langjährigen Einsatz im Sinne der erfolgreichen Entwicklung der MFAG“. Wie bei unrühmlichen Abgängen üblich, geht es vor allem um Gesichtswahrung. Staake und Sachsens Landespolitik waren auf einen leisen Abschied aus, nachdem es zuvor sowohl in Duisburg als auch in Dresden und Leipzig großes Getöse gegeben hatte.
Was war passiert? Staake hatte sich im Januar mit fünfköpfigem Gefolge im Pflegeheim eines befreundeten Bauunternehmers gegen Corona impfen lassen – obwohl damals nur über 80-Jährige und Pfleger dran waren. Durch Medienberichte aufgeflogen, beteuerte er, nur eine Restdosis des Impfstoffs erhalten zu haben. Tatsächlich fehlten Dosen für Pfleger des Heims. Schließlich rechtfertigte sich der Boss des weltgrößten Binnenhafens mit Systemrelevanz und dass er viele Dienstreisen habe. Das sorgte auch in der Regierung vom Land Nordrhein-Westfalen für Verdruss, dem der Hafen zu zwei Dritteln gehört. Die Stadt Duisburg ist der andere Eigentümer. Staake, der trotz der Impfung bei einer Reise positiv getestet wurde, räumte den Fehler später ein und bat um Entschuldigung.
Immer neue Indiskretionen
Der machtbewusste Manager steht seitdem unter Druck und Beobachtung der Medien. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung bezifferte sein Jahresgehalt im Jahr 2018 inklusive Boni mit gut 715.000 Euro. Zudem habe der Hafen 669.000 Euro zu seiner Altersvorsorge beigesteuert.
Immer neue Indiskretionen wurden bekannt. Sie reichen von Tausende Euro teuren Zigarren für Duisport-Gäste bis zum als Dienstwagen angeschafften Porsche, den Staake dem Hafen für schlappe 37.000 Euro abgekauft hatte. Nach Zeitungsberichten standen auch der Vorwurf teurer First-Class-Flüge mit seiner Ehefrau, Ungereimtheiten bei Spesenabrechnungen sowie ein Rund-um-die-Uhr-Fahrdienst im Raum, der ihn selbst am Wochenende zum Lieblingsverein Borussia Dortmund fuhr, aber auch für Freundin und Hund im Einsatz war.
Derart am Pranger, war Staake für die Eigner des Hafens nach 23 Jahren nicht mehr tragbar, obwohl Wirtschaftsprüfer und Anwälte „kein rechtlich relevantes Fehlverhalten“ feststellen konnten. Wie eine Sprecherin am Freitag der SZ bestätigte, räumt der Manager bereits Ende des Monats den Chefsessel, vier Monate vorzeitig – und laut Aufsichtsrat in beiderseitigem Einvernehmen. Der angedachte Beratervertrag mit dem angehenden Rentner ist vom Tisch.
Im Kontrollgremium umstritten
Die Affäre vom Rhein wirft auch Schatten auf die MFAG, Sachsens Flughafenkonzern, der zu gut 77 Prozent dem Freistaat gehört. Den Rest teilen sich Sachsen-Anhalt, Leipzig, Dresden und Halle. Staake steht seit 2009 an der Spitze seines 15-köpfigen Aufsichtsrats, der sich am 27. August neu konstituieren soll.
Nach SZ-Informationen wollte Staake erneut Aufsichtsratschef werden, war er trotz der Vorkommnisse an Rhein und Ruhr auch der Favorit des Freistaats, der den Oberkontrolleur traditionell entsendet. Für den Mehrheitseigner sitzt neben Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) auch Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) im Gremium. Beide haben sich die Zuständigkeiten bei ihren Mandaten aufgeteilt – und für den Flughafenkonzern hat Sachsens Kassenwart das Sagen.
Staake ist im Kontrollgremium umstritten. Er lege „Wessi-Arroganz“ an den Tag, polarisiere, verfolge „eigene wirtschaftliche Interessen“, heißt es. Die Aufsichtsräte erhalten für das Ehrenamt eine Aufwandsentschädigung von 1.000 Euro im Jahr, die drei stellvertretenden Vorsitzenden 1.250 und der Chef 1.500 Euro. So steht es in einem seit 2001 gültigen Beschluss. Dennoch kassiert Staake auf Beschluss der Gesellschafterversammlung für die vier, fünf Sitzungen im Jahr 15.000 Euro plus Spesen. Sachsens Finanzministerium äußert sich zu Entgelten nicht und beruft sich auf das „Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung“.
Steuerfreie Coronaprämie gab es nicht
Sachsens Flughäfen leiden noch immer unter den Corona-Folgen, auch wenn es mit den Passagierzahlen wieder leicht aufwärts geht. Normalerweise verbucht Dresden in einer Juliwoche rund 270 Flüge, derzeit ist es gerade mal ein Viertel. Im Jahr vor der Krise hätten beide sächsischen Standorte zusammen 4,2 Millionen Passagiere gehabt, „dieses Jahr werden wir wohl nur eine Million schaffen“.
Immerhin bekamen sie, wie alle internationalen Airports in Deutschland, ihre Kosten für das Offenhalten zu Beginn der Pandemie ersetzt, als der Verkehr um 98 Prozent einbrach. Entsprechend seiner Anteile hatte der Freistaat fast 16 Millionen Euro überwiesen – „im Vorgriff“ auf zugesagte Bundeshilfen.
Laut MFAG-Chef Götz Ahmelmann gibt es auch „keine Diskussionen über Stellenabbau“ – wie an anderen Airports in Deutschland. Allerdings mussten sich die rund 1.400 Beschäftigten des Konzerns ihren Kündigungsschutz bis Ende 2021 mit einer Nullrunde bei den Löhnen erkaufen. Die Führungsriege versagte ihnen auch die für Unternehmen vom Bund eingeräumte steuerfreie Coronaprämie.
Flughafen sucht Akzeptanz
Andererseits nutzte der Konzern die Flaute in der Pandemie, um unter Staakes Aufsicht gut bezahlte Führungsjobs neu zu besetzen: mit einem Leiter Kommunikation/Politikbeziehungen, einem Finanzvorstand, einem Chef für Geschäftsentwicklung und Strategie. Zudem wurde mit Hermann Winkler, unter Ex-Premier Georg Milbradt (CDU) Chef der Staatskanzlei, ein Regionalbeauftragter für Flughafenentwicklung installiert. Brisant: Just derselbe Politiker hatte 2011 die Schließung des Dresdner Flughafens angeregt, weil sich Sachsen keine zwei Airports leisten könne.
Derzeit vergibt der Konzern einen Auftrag für ein „Kommunikationskonzept Flughafen & Region für die MFAG“. Laut Ausschreibung geht es um eine neue Strategie und „Akzeptanzkommunikation“ in der Region bis Ende 2023 und darüber hinaus. Gerade im Umfeld des Leipziger Flughafen mit dem DHL-Drehkreuz ist es mit der Akzeptanz nicht weit her. Vor zwei Wochen hatten Gegner des angekündigten 500-Millionen-Euro-Ausbaus die Zufahrt zur Posttochter blockiert und angeblich einen Millionenschaden verursacht.
Auf den Aufsichtsrat, der sich am 27. August konstituieren soll, warten große Aufgaben. Mit Impfdrängler Staake ist das Gremium nur ein Problem los. Der Freistaat entsendet fünf Mitglieder: Andrea Gebbeken, Geschäftsführerin des Flughafens München, die Minister Dulig und Vorjohann, Nordsachsens Landrat Kai Emanuel und „den großen Unbekannten“ – zugleich wohl der neue Chef. Nach SZ-Informationen sind auch Sachsens Ex-Finanzminister Matthias Haß (CDU) und Eric Malitzke, Chef von DPD Deutschland und vorher von Leipzigs DHL-Frachtkreuz, im Rennen.