Wirtschaft
Merken

Das Deutschlandticket braucht mehr als Glückwünsche

Das Deutschlandticket feiert seinen 1. Geburtstag. Die Bilanz fällt zwiespältig aus. Deshalb braucht das Projekt jetzt mehr als nur Glückwünsche, vor allem wenn es um dessen Zukunft geht. Ein Kommentar.

Von Michael Rothe
 2 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Damit das Deutschlandticket dauerhaft eine gute Sache bleibt, braucht es mehr Geld von Bund und Ländern für den öffentlichen Nahverkehr.
Damit das Deutschlandticket dauerhaft eine gute Sache bleibt, braucht es mehr Geld von Bund und Ländern für den öffentlichen Nahverkehr. © dpa

Wenn das mal nicht missverstanden wird: „Deutschlandticketbaby hat Laufen gelernt“, titelt der Bundesverband Schienennahverkehr seine Bilanz zum 1. Geburtstag jenes 49-Euro-Fahrscheins. Das konnten Abonnenten in Sachsen zuletzt oft wörtlich nehmen, speziell wenn sie auf regionalen Überlandverkehr angewiesen waren oder Busse und Elbfähren in Dresden. Warnstreiks zwangen zu Alternativen und ließen Fahrten verfallen.

Dennoch fällt die Jahresbilanz jenes Aboprojekts positiv aus. Mit ihm können Fahrgäste preiswert und bundesweit alle Verkehrsmittel des öffentlichen Nahverkehrs nutzen – mit nur einem Ticket und unabhängig von Landesgrenzen. Vor allem Pendler sparen gegenüber regulären Monatskarten teils über 150 Euro im Monat. Auch Azubis kommen günstiger, wenn sie mehr als zwei Verkehrsverbünde nutzen. Das Glas ist mehr als halbvoll.

Zum 1. Jahrestag gibt es zu Recht Lob und Glückwünsche. Doch wenn in politischen Geburtstagsständchen ausgerechnet jene am lautesten tönen und in Superlativen schwelgen, die sonst Porsche-Fahrern näher stehen, klingt das unglaubwürdig und selbstgefällig.

Das Ticket ist ein Gewinn, macht aber noch keine Verkehrswende. Zwar hat etwa jeder vierte Deutsche das Ticket zumindest ausprobiert, aber nur acht Prozent der Nutzer waren zuvor nicht regelmäßig mit Bahn oder Bus unterwegs. Das reicht weder für dauerhafte Finanzierung, noch werden so die Klimaziele erreicht.

Deutschlandticket braucht mehr als nur Glückwünsche

Ein Ticket, das überall gilt, einfach einsteigen und losfahren – das war der Anspruch. Doch das ist gar nicht so einfach, speziell auf dem Land. Wenn außer Schulbussen kaum noch was fährt, bleibt die mobile Freiheit ein leeres Versprechen. Und dort, wo es ein gutes Angebot gibt, sind Busse und Bahnen übervoll, weil es den Verkehrsbetrieben an Technik und Personal fehlt. Zudem schreckt ein unflexibles Abo viele Menschen ab.

Um das Potenzial von geschätzt 20 Millionen Nutzern zu erschließen, sind auch Arbeitgeber gefragt. Sie können das Ticket kofinanzieren und den Preis für ihre Beschäftigten auf unter 35 Euro drücken. Sie zögern, weil unklar ist, ob und zu welchen Konditionen es das Ticket dauerhaft gibt. Der Dauerstreit zwischen Bund und Ländern um Kostenübernahme ist keine Werbung für eine gute Sache.

Die Errungenschaft muss langfristig finanziell gesichert werden. Verkehrsunternehmen und Kunden brauchen Planungssicherheit – und das Deutschlandticket zum Geburtstag mehr als nur Glückwünsche.

Mail an Michael Rothe.