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Riester-Rente: Dieses Urteil hat für viele Sparer große Bedeutung

Einige Versicherer behalten sich vor, künftige Auszahlungen zu kappen. Ein Kunde hat nun erfolgreich geklagt. Wie Tausend andere profitieren könnten.

Von Kornelia Noack
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Riester-Rente kann noch lukrativ sein. Doch Verträge sorgen immer wieder für Ärger.
Riester-Rente kann noch lukrativ sein. Doch Verträge sorgen immer wieder für Ärger. © dpa

Seit Jahren häufen sich in den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen die Beschwerden über die Riester-Rente. Denn hohe Provisionen, Abschluss- oder Verwaltungskosten sorgen immer wieder dafür, dass ein Großteil der von Kunden eingezahlten Sparbeiträge und Zulagen einfach verschwindet. Tatsächlich ist die Zahl der Neuabschlüsse in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken. Zu unrentabel, zu unflexibel, so die Kritik.

Nun berichtet die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen über eine weitere rechtswidrige Praktik und geht gemeinsam mit der Bürgerbewegung Finanzwende juristisch gegen einige Riester-Versicherer vor.

Vorausgegangen war dem ein Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln. Hier musste der Versicherer Zurich eine klare Niederlage einstecken. Geklagt hatte ein Zurich-Kunde aus Köln, weil seine künftige Riester-Rente deutlich gekürzt werden sollte. Die Richter erklärten jedoch die Klausel in den Vertragsbedingungen, die eine Absenkung des Rentenfaktors ermöglicht, als unwirksam. Nach Ansicht der Richter müssen sich Versicherungskunden auf den Rentenfaktor in ihrem Vertrag verlassen können (Aktenzeichen 26 O 12/22).

Rentenfaktor um ein Viertel gekürzt

Der Rentenfaktor legt fest, wie viel Geld ein Kunde pro 10.000 Euro Kapital später als Rente erhält. In dem Verfahren gegen die Zurich betrug der Rentenfaktor 37,34 Euro. Während der Ansparphase kürzte der Versicherer diesen auf 27,97 Euro - eine Einbuße von fast einem Viertel. Die Folge: Bei einem Vertragsguthaben zu Beginn der Rentenphase von beispielsweise 100.000 Euro müsste die Zurich regulär eine monatliche Rente von 373,40 Euro zahlen. Nach der Kürzung wären es nur noch 279,70 Euro monatlich gewesen.

Begründet hatte Zurich das Vorgehen mit der anhaltenden Niedrigzinsphase. Allerdings, so die Verbraucherschützer, habe der Versicherer keine Anhebung des Rentenfaktors für den Fall vorgesehen, dass sich die Kalkulationsgrundlage wieder zugunsten der Kunden verändert hätte.

Versicherer zieht Berufung zurück

Gegen das Urteil legte der Versicherer zunächst Berufung ein, zog diese dann aber zurück – und akzeptierte den Richterspruch. Zurich musste die Kürzung der Rentenansprüche des Kölner Kunden rückgängig machen und darf sich auch zukünftig nicht mehr auf die beanstandete Vertragsklausel berufen. Gegenüber anderen Kunden, die ebenfalls eine Rücknahme ihrer Rentenkürzung fordern, erklärt die Zurich jedoch, dass sich die Gerichtsentscheidung nur auf einen Einzelfall beziehe – und für andere Riester-Sparer keine Wirkung entfalte. Man sei nach wie vor der Auffassung, dass die Kürzung des Rentenfaktors rechtmäßig sei, soll es in Kundenschreiben heißen, die den Verbraucherschützern vorliegen.

„Mit Prozess- und Hinhaltetaktik sollten Anbieter in einer so wichtigen Frage nicht durchkommen“, sagt Stephanie Heise von der Verbraucherzentrale NRW. Diese will daher nun gemeinsam mit der Bürgerbewegung Finanzwende erneut gegen die unrechtmäßigen Rentenkürzungen vorgehen.

Aktuell mehrere Abmahnungen

Man habe die Zurich-Versicherung bereits abgemahnt und werde, falls der Konzern nicht einlenkt, eine Verbandsklage erheben. Ziel sei es, am Bundesgerichtshof ein Grundsatzurteil zu erstreiten. Fällt dieses im Sinne der Versicherten positiv aus, hätte das Auswirkungen auf alle Riester-Kunden, die diese Klausel in ihren Verträgen stehen haben. Nach Schätzungen könnten am Ende die Renten von tausenden Riester- und Lebensversicherungskunden mit fondsgebundenen Riesterverträgen höher ausfallen. „Die Zurich will das Kölner Urteil offenbar in der Schublade verschwinden lassen. Das ist für Verbraucher nicht akzeptabel“, sagt Britta Langenberg, Bereichsleiterin Verbraucherschutz bei Finanzwende.

Neben der Zurich hat die Verbraucherzentrale aktuell noch zwei weitere Anbieter wegen unrechtmäßiger Rentenkürzungen abgemahnt. Die Axa Lebensversicherung und die LPV Lebensversicherung (ehemals Postbank Lebensversicherung) hatten die Ansprüche von Kunden ebenfalls gekappt.

„Die Klauseln, auf die sich die Anbieter dabei berufen, sind bei diesen beiden Versicherern ähnlich wie bei der Zurich. Wir gehen davon aus, dass noch weitere Anbieter den Rentenfaktor aufgrund unwirksamer Klauseln herabgesetzt haben und damit noch deutlich mehr Kunden betroffen sind“, sagt Heise. In einem ähnlichen Verfahren lässt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gerade eine Klausel der Allianz Lebensversicherung gerichtlich überprüfen.

Mit Musterbrief gegen Kürzung wehren

Was bedeutet das nun für Riester-Kunden, deren Verträge solch eine Kürzungsklausel enthalten? Laut Verbraucherschützern müssten sie nicht sofort tätig werden. Allerdings könnten sie sich schon jetzt unter Verweis auf das Kölner Urteil gegen eine Rentenkürzung wehren. Die Verbraucherzentrale NRW bietet dafür auf ihrer Website einen Musterbrief zum Download an. Dieser lasse sich auch für Verträge nutzen, die bereits in der Rentenphase sind.

Lehnt der Versicherer eine Korrektur ab, können Kunden laut Stiftung Warentest eine Klage erwägen – erst recht, wenn sie eine Rechtsschutzversicherung haben.

Nach Ansicht von Klaus Morgenstern vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA) steht die Riester-Rente als geförderte Altersvorsorge zu Unrecht in Verruf. Vor allem für Geringverdiener mit vielen Kindern könnte sie ein lukrativer Baustein zur Altersvorsorge sein.

Wer mindestens vier Prozent seines rentenversicherungspflichtigen Einkommens abzüglich der Zulagen in den Vertrag einzahlt, kann sich die volle staatliche Zulage von 175 Euro pro Jahr sichern. Zusätzlich gibt es für Riester-Sparer mit Kindern weitere Zulagen - für jedes vor 2008 geborene Kind 185 Euro pro Jahr, für ab 2008 geborene Kinder 300 Euro. Das kann sich rentieren. Merten Larisch, Experte für Altersvorsorge bei der Verbraucherzentrale Bayern, formuliert eine Daumenregel: "Wenn der Eigenbeitrag nicht höher als ein Drittel der eingezahlten Summe ist, lohnt sich das."

Das Problem beim Riestern ist allerdings, dass sich kaum noch Verträge abschließen lassen. Die wenigen, die es noch gibt, seien oft schlecht, so Larisch. Allerdings soll die Riester-Rente bald reformiert werden. Vielleicht finden sich dann neue und bessere Angebote. (mit dpa)